Arbeitsblatt: FabelnEinführung

Material-Details

Kurze Einführung in das Thema Fabeln: Merkmale, Eigenschaften von Fabeltieren, Übungen
Deutsch
Leseförderung / Literatur
7. Schuljahr
8 Seiten

Statistik

10550
1680
78
10.10.2007

Autor/in

Barbara Schäfli
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Fabeln 1 Merkmale und Aufbau einer Fabel Eine Fabel ist eine frei, kurze . Sie hat häufig einen oder . Charakter. in der meistens , seltener oder Gegenstände in Rollen schlüpfen: Sie können sprechen, denken, lesen wie Menschen. Sie zeigen typisch und Verhaltensweisen. So steht z.B. bei den Tieren der Fuchs für den ., den Durchtriebenen, der für den Dummen, der Löwe für den ,.etc. Meist stehen sich in der Fabel zwei Tiere gegenüber, wobei das eine Tier dem andern überlegen ist Eine Fabel ist dreigliedrig aufgebaut: 1. Eine Fabel beginnt mit der Beschreibung einer 2. Danach folgt die oder ein Dialog zwischen zwei Figuren (. und ). 3. Am Ende kommt es zu einem. Ganz zuletzt folgt noch die oder die, die sich an die LeserInnen richtet. Auf Aesop, einen phrygischen Sklaven, der ca. 550 v. Chr. lebte, geht angeblich die erste Sammlung griechischer und indischer Fabeln zurück. Die ältesten überlieferten Fabeln entstanden allerdings schon mindestens 150 Jahre früher. Weitere bekannte Fabeldichter sind Phädrus, ein römischer Sklave im 1. Jh. v. Chr., Jean la Fontaine, Martin Luther, Gotthold Ephraim Lessing und Abraham Santa Clara Weshalb hat man Fabeln geschrieben? Sie enthält eine Lehre, die allgemein gültig ist. Sie übt versteckte Kritik, an der Gesellschaft und ihrer Verhaltensformen aus Bittere Wahrheiten sollen dem Leser versüsst und schonend dargeboten werden. Der Verfasser will sich schützen und absichern Eine Lehre soll an einem Beispiel deutlich gemacht werden Eine Kritik soll so angebracht werden, dass sie der Leser selbst auf sich beziehen kann 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 2 Eigenschaften von Fabeltieren/-figuren der Löwe der Wolf das Lamm der Fuchs der Esel der Hase die Maus der Rabe der Adler die Schlange die Schnecke die Rose das Lineal Bildhafte Sprache: Der Vergleich Vielen Tieren werden also bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Daraus ergibt sich auch eine Vielzahl an Vergleichen. Setzt auf die leere Zeile den Namen des Tieres, das mit dem Adjektiv oft genannt wird! fleissig wie stumm wie geduldig wie flink wie eitel wie schlau wie störrisch wie diebisch wie frei wie ängstlich wie falsch wie langsam wie fromm wie dumm wie Redensarten mit Tieren Zum Beispiel: „Ig bi ufem Hung! Findet ihr zwei weitere Redensarten, in welchen Tiere vorkommen? Was bedeuten sie jeweils? 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 3 Der Wolf und der Storch Der Wolf frisst stets mit gieriger Hast und hat sich einst so übernommen bei einer Mahlzeit, dass er fast dabei ums Leben wär gekommen. In seiner Kehle stecken blieb ihm ein Knochenstück, und er kann nicht mehr heulen; bis zu seinem Glück zufällig kommt ein Storch heran, zu zeigen, welch geschickter Arzt er sei. Er zieht den Knochen aus dem Schlund und fordert dann den wohlverdienten Lohn für die Geschicklichkeit. „Was willst du? Einen Lohn? Gevatter, du musst scherzen, schreit der Wolf. „Glück hattest du doch wahrlich schon, dass du noch lebst und bist gesund und du den Hals gerettet hast aus meinem Schlund! Geh, Undankbarer, deiner Wege! Komm nie mir wieder ins Gehege! 1. Beantworte die folgenden Fragen a. Wodurch geriet der Wolf in die Notsituation? . b. Hilft der Storch nur selbstlos? . . c. Was erwartet der Storch nach seiner Hilfeleistung? . . d. Womit belohnt der Wolf den Storch? . 2. Die Situation des Wolfes ändert sich im Verlauf der Fabel. Ergänze den Text mit den unten stehenden Lückenwörtern. Wegen seiner grossen . bleibt ein in seiner Kehle stecken. Dies sein Leben und macht ihn und Nur durch die Hilfe eines wird der Wolf wieder und Eigene . hält er jedoch nicht für nötig. schwach – mächtig – Dankbarkeit – hilflos – bedroht – Knochenstück – Gier – Schwächeren – stark 3. Wenn Wolf und Storch Menschen wären, könnte jeder aus dieser Begebenheit lernen. Benutze die folgenden Textstellen aus der Fabel um für Wolf und Storch je zwei Lehren zu ziehen. a. mit gieriger Hast . b. Was willst du? Einen Lohn? . c. zu zeigen, welcher geschickter Arzt er sei . d. du den Hals gerettet hast aus meinem Schlund . . 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 4 4. Stell dir vor, der Storch begegnet ein paar Tage später wieder einem stärkeren Tier, das in Not geraten ist und um Hilfe bittet. Schreibe in direkter Rede, was der Storch diesem Tier wohl antworten könnte. Rabe und Fuchs Aesop Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen, flog damit auf einen Baum und wollte dort seine Beute in Ruhe verzehren. Da es aber der Raben Art ist, beim Essen nicht schweigen zu können, hörte ein vorbeikommender Fuchs den Raben über dem Käse krächzen. Er lief eilig hinzu und begann den Raben zu loben: »O Rabe, was bist du für ein wunderbarer Vogel! Wenn dein Gesang ebenso schön ist wie dein Gefieder, dann sollte man dich zum König aller Vögel krönen!« Dem Raben taten diese Schmeicheleien so wohl, daß er seinen Schnabel weit aufsperrte, um dem Fuchs etwas vorzusingen. Dabei entfiel ihm der Käse. Den nahm der Fuchs behend, fraß ihn und lachte über den törichten Raben. Beantworte die Fragen Wie kommt der Rabe zum Käse? Wie merkt der Fuchs, dass der Rabe Käse hat? Wie begrüsst der Fuchs den Raben? Was muss der Fuchs einsehen, wenn er vom Raben den Käse will? Womit gewinnt der Fuchs die Aufmerksamkeit des Raben? Worauf fällt der Rabe herein? Warum gefallen dem Raben die Schmeicheleien? Wer siegt? Warum ist der Rabe der Dumme? Was ist die Botschaft/Moral der Fabel? Warum lacht der Fuchs? Was wird bestraft? 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 5 Zwei Fabeln im Vergleich Das Pferd und der Esel Der Wolf und das Lamm Ein Bauer trieb ein Pferd und einen Esel, beide gleichmäßig beladen, zu Markte. Als sie schon eine gute Strecke vorwärts gegangen waren, fühlte der Esel seine Kräfte abnehmen. Ach, bat er das Pferd kläglich: Du bist viel größer und stärker als ich, und doch hast du nicht schwerer zu tragen, nimm mir einen Teil meiner Last ab, sonst erliege ich. Hartherzig schlug ihm das Pferd seine Bitte ab: Ich habe selbst meinen Teil, und daran genug zu tragen. Keuchend schleppte sich der Esel weiter, bis er endlich erschöpft zusammenstürzte. Vergeblich hieb der Herr auf ihn ein, er war tot. Es blieb nun nichts weiter übrig, als die ganze Last des Esels dem Pferde aufzupacken, und um doch etwas von dem Esel zu retten, zog ihm der Besitzer das Fell ab und legte auch dieses noch dem Pferde oben auf. Zu spät bereute dieses seine Hartherzigkeit. Mit leichter Mühe, so klagte es, hätte ich dem Esel einen kleinen Teil seiner Last abnehmen und ihn vom Tode retten können. Jetzt muss ich seine ganze Last und dazu noch seine Haut tragen. Hilf zeitig, wo du helfen kannst. Hilf dem Nachbarn löschen, ehe das Feuer auch dein Dach ergreift. (Äsop) Der Starke hat immer recht. Das werden wir sogleich sehen. Ein Lamm löschte seinen Durst in einem klaren Bache. Dabei wurde es von einem hungrigen Wolf überrascht. Wie kannst du es wagen, rief er wütend, mir meinen Trank zu trüben? Für diese Frechheit musst du bestraft werden! Ach, mein Herr, antwortete das Lamm, seien Sie bitte nicht böse. Ich trinke ja zwanzig Schritte unterhalb von Ihnen. Daher kann ich Ihnen das Wasser gar nicht trüben. Du tust es aber doch! sagte der grausame Wolf. Und außerdem weiß ich, dass du im vergangenen Jahre schlecht von mir geredet hast. Wie soll ich das wohl getan haben, erwiderte das Lamm, ich war da ja noch gar nicht geboren. Wenn du es nicht tatest, dann tat es dein Bruder! Ich habe aber keinen Bruder. Dann war es eben irgendein anderer aus deiner Familie. Ihr habt es überhaupt immer auf mich abgesehen, ihr, eure Hirten und eure Hunde. Dafür muss ich mich rächen. Mit diesen Worten packte der Wolf das Lamm, schleppte es in den Wald und fraß es einfach auf. Vergleicht die beiden Fabeln in Bezug auf Figuren, deren Verhältnis zueinander, den Aufbau a) Welche Gemeinsamkeiten findet ihr? b) Weisen die Fabeln auch Unterschiede auf? c) Zusatz: Was lehrt uns die Fabel vom Wolf und Lamm? 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 6 Auftrag • Wählt zu zweit zwei Fabeln aus. • Lest sie zuerst genau und schlagt unbekannte Wörter in einem Wörterbuch nach. • Bereitet das Vorlesen der Fabeln gut vor: z.B. direkte Rede Erzählteil. • Beantwortet die Fragen: Welche Tiere kommen in der Fabel vor? Welche Charaktere/Eigenschaften haben die Tiere? Welche Moral/Lehre steckt in der Fabel? Der Wolf und das Schaf Gotthold Ephraim Lessing Der Durst trieb ein Schaf an den Fluß, eine gleiche Ursache führte auf der andern Seite einen Wolf herzu. Durch die Trennung des Wassers gesichert und durch die Sicherheit höhnisch gemacht, rief das Schaf dem Räuber hinüber: »Ich mache dir doch das Wasser nicht trübe, Herr Wolf? Sieh mich recht an, habe ich dir nicht etwa vor sechs Wochen nachgeschimpft? Wenigstens wird es mein Vater gewesen sein.« Der Wolf verstand die Spötterei; er betrachtete die Breite des Flusses und knirschte mit den Zähnen. Es ist dein Glück, antwortete er, daß wir Wölfe gewohnt sind, mit euch Schafen Geduld zu haben, und ging mit stolzen Schritten weiter. Der alte Löwe Ein alter Löwe lag kraftlos vor seiner Höhle und erwartete den Tod. Die Tiere, deren Schrecken er bisher gewesen war, bedauerten ihn nicht. Sie freuten sich richtig, dass sie ihn nun bald los sein würden. Einige von ihnen, die noch immer das Unrecht schmerzte, das er ihnen einmal angetan hatte, wollten nun ihren alten Hass an ihm auslassen. Der arglistige Fuchs kränkte ihn mit beißenden Reden. Der Wolf sagte ihm die ärgsten Schimpfworte. Der Ochse stieß ihn mit den Hörnern. Das Wildschwein verwundete ihn mit seinen Hauern. Selbst der träge Esel gab ihm einen Schlag mit seinem Huf. Das edle Pferd allein blieb schweigend stehen und tat ihm nichts, obgleich der Löwe seine Mutter zerrissen hatte. «Willst du nicht», fragte der Esel, «dem Löwen auch eins hinter die Ohren geben?» Das Pferd antwortete: «Ich halte es für niederträchtig, mich an einem Feinde zu rächen, der mir nicht mehr schaden kann,» 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 7 Der Fuchs und der Storch La Fontaine Eines Tages hatte der Fuchs den Storch zum Mittagessen eingeladen. Es gab nur eine Suppe, die der Fuchs seinem Gast auf einem Teller vorsetzte. Von dem flachen Teller aber konnte der Storch mit seinem langen Schnabel nichts aufnehmen. Der listige Fuchs indessen schlappte alles in einem Augenblick weg. Der Storch sann auf Rache. Nach einiger Zeit lud er seinerseits den Fuchs zum Essen ein. Der immer hungrige Fuchs sagte freudig zu. Gierig stellte er sich zur abgemachten Stunde ein. Lieblich stieg ihm der Duft des Bratens in die Nase. Der Storch hatte das Fleisch aber in kleine Stücke geschnitten und brachte es auf den Tisch in einem Gefäß mit langem Halse und enger Öffnung. Er selbst konnte mit seinem Schnabel leicht hineinlangen. Aber die Schnauze des Fuchses passte nicht hinein. Er musste hungrig wieder abziehen. Beschämt, mit eingezogenem Schwanz und hängenden Ohren schlich er nach Hause. Wer betrügt, muss sich auf Strafe gefasstmachen. (La Fontaine) Vom Fuchs und Hahn Ein hungriger Fuchs kam einstmals in ein Dorf und fand einen Hahn; zu dem sprach er also: »O mein Herr Hahn, welche schöne Stimme hat dein Herr Vater gehabt! Ich bin darum zu dir hierher gekommen, daß ich deine Stimme hören möchte. Darum bitt ich dich, daß du mir singst mit lauter Stimme, damit ich hören möge, ob du eine schönere Stimme habest oder dein Vater.« Da erschwang der Hahn sein Gefieder, und mit geschlossenen Augen fing er an, auf das lauteste zu krähen. Indem sprang der Fuchs auf und fing ihn und trug ihn in den Wald. Als das die Bauern gewahr wurden, liefen sie dem Fuchs nach und schrien: »Der Fuchs trägt unsern Hahn fort!« Als der Hahn das hörte, sprach er zu dem Fuchs: »Hörst du, Herr Fuchs, was die groben Bauern sagen? Sprich du zu ihnen: Ich trage meinen Hahn und nicht den euern.« Da ließ der Fuchs den Hahn aus dem Maule und sprach: »Ich trage meinen Hahn und nicht den euern.« Indem flog der Hahn auf einen Baum und sprach: »Du lügst, Herr Fuchs, du lügst, ich bin des Bauern, nicht dein.« Da schlug der Fuchs sich selbst mit den Händen aufs eigene Maul und sprach: »O du böses Maul, wieviel schwätzest du? Wie viel redest du Unnützes? Hättest du jetzt nicht geredet, so hättest du deinen Raub nicht verloren.« Die wilde Ziege und der Weinstock Aesop Eine wilde Ziege flüchtete sich, von Hunden verfolgt, in einen Weinberg und verbarg sich unter den Blättern eines Weinstockes. Die Hunde stürzten vorbei, und sie entging ihren Verfolgern. Kaum glaubte sie sich außer Gefahr, als sie sich auch schon über die Reben hermachte und die Blätter fraß, die kurz vorher sie so treulich versteckt hatten. Dieses Geräusch machte den Jäger aufmerksam, der etwas zurückgeblieben war. Er entdeckte auch bald die Ziege und erlegte sie. Ach! seufzte sie sterbend, mit Recht habe ich diese Strafe verdient, weil ich meinen Beschützer mit schnödem Undank belohnte. Es ist das größte Unrecht, Wohltaten mit Übel zu vergelten; der Undankbare entgeht selten der verdienten Strafe. 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 8 Drei Stiere und der Löwe Aesop Drei Stiere schlossen miteinander ein Bündnis, jede Gefahr auf der Weide mit vereinten Kräften abzuwehren; so vereinigt, trotzten sie sogar dem Löwen, daß dieser sich nicht an sie wagte. Als ihn eines Tages der Hunger arg plagte, stiftete er Uneinigkeit unter ihnen. Sie trennten sich, und nach nicht acht Tagen hatte er alle drei, jeden einzeln, angegriffen und verzehrt. Eintracht gibt Stärke und Sicherheit, Zwietracht bringt Schwäche und Verderben. Das Hähnchen, die Katze und das Mäuschen Jean de La Fontaine Ein junger Mäuserich hatte zum ersten Mal das Nest verlassen und war auf Wanderschaft gegangen. Ganz aufgeregt kehrte er zu seiner Familie zurück und sprudelte über von Neuigkeiten. Ich habe viele Berge übersprungen, ein großes Meer durchschwommen und einen langen Tunnel unter einer riesigen Mauer gegraben. Da stand ich auf einmal mitten in herrlich duftenden Kräutern. Als ich sie kosten wollte, störte mich ein seltsames Schnurren. Neugierig pirschte ich mich näher und linste vorsichtig hinter einem dicken Stein hervor. Da sah ich ein großes, hübsches Tier, das mit sanften Sprüngen einem kleinen Tierchen in der Luft nachjagte. Das große Tier hatte ein ganz weiches Fell und einen schönen, langen Schwanz und so freundlich leuchtende Augen, dass es mir sehr gefiel. ‚Ein großer Freund ist immer gut, sagte ich mir und wollte mit dem hübschen Tier Freundschaft schließen. Gerade wollte ich meinen neuen Freund begrüßen, da brauste ein anderes, grässliches Tier herbei. Es hatte seine flattrigen Arme weit ausgebreitet und schlug mit ihnen kraftvoll auf und ab. Auf seinem Kopf wackelte ein blutroter Lappen grimmig hin und her. Sein Schwanz war viel zu kurz für den dicken Körper und sehr struppig. Das Schrecklichste an diesem hässlichen Tier war die Stimme. Denkt euch, in welcher Gefahr ich geschwebt habe. Mit grellen Schreien lief dieses furchtbare, zweibeinige Wesen plötzlich auf mich zu und wollte mich töten. Ich musste sofort fliehen. Schade, dass ich das hübsche, sanfte Tier nicht näher kennen gelernt habe. Du dummes Kind, rief die Mausemutter entsetzt aus, dein hübsches, sanftes Tier war eine Katze, unser ärgster Feind. Sie verfolgt uns, wo sie uns nur findet, und tötet uns auf grausame Art. Das Tier aber, vor dem du dich gefürchtet hast, war ein Hahn, der uns nichts tut. Er hat dir dieses Mal das Leben gerettet. Du darfst niemals danach urteilen, wie jemand aussieht. Oft verbirgt sich hinter einem sanften, schönen Gesicht ein boshafter Heuchler, der nur dein Verderben will. 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 9 Der Fuchs und die Trauben Aesop Eine Maus und ein Spatz saßen an einem Herbstabend unter einem Weinstock und plauderten miteinander. Auf einmal zirpte der Spatz seiner Freundin zu: Versteck dich, der Fuchs kommt, und flog rasch hinauf ins Laub. Der Fuchs schlich sich an den Weinstock heran, seine Blicke hingen sehnsüchtig an den dicken, blauen, überreifen Trauben. Vorsichtig spähte er nach allen Seiten. Dann stützte er sich mit seinen Vorderpfoten gegen den Stamm, reckte kräftig seinen Körper empor und wollte mit dem Mund ein paar Trauben erwischen. Aber sie hingen zu hoch. Etwas verärgert versuchte er sein Glück noch einmal. Diesmal tat er einen gewaltigen Satz, doch er schnappte wieder nur ins Leere. Ein drittes Mal bemühte er sich und sprang aus Leibeskräften. Voller Gier huschte er nach den üppigen Trauben und streckte sich so lange dabei, bis er auf den Rücken kollerte. Nicht ein Blatt hatte sich bewegt. Der Spatz, der schweigend zugesehen hatte, konnte sich nicht länger beherrschen und zwitscherte belustigt: Herr Fuchs, Ihr wollt zu hoch hinaus! Die Maus äugte aus ihrem Versteck und piepste vorwitzig: Gib dir keine Mühe, die Trauben bekommst du nie. Und wie ein Pfeil schoß sie in ihr Loch zurück. Der Fuchs biß die Zähne zusammen, rümpfte die Nase und meinte hochmütig: Sie sind mir noch nicht reif genug, ich mag keine sauren Trauben. Mit erhobenem Haupt stolzierte er in den Wald zurück. Die Ziege und der Ziegenhirt Aesop Ein Ziegenhirt musterte seine Ziegen, bevor er sie austrieb. Eine derselben hatte es sich gut schmecken lassen und sehr viel gefressen. Sie ging daher langsamer als die andern und blieb zurück. Der Hirt ärgerte sich über ihre Langsamkeit, und da er nicht lange auf sie warten wollte, hob er einen Stein auf und warf nach ihr. Unglücklicherweise traf er das eine Horn, daß es abbrach. Kaum geschehen, bereute er seine Unvorsichtigkeit und bat die Ziege, doch ja nichts ihrem Herrn zu klagen. Sei doch gescheit, antwortete die Ziege, wenn ich auch nichts davon sagen wollte, so würde doch das fehlende Horn dich anklagen. Wo Taten sprechen, lässt sich das einmal Geschehene nicht verhehlen. Die alten und die jungen Frösche Abraham Sancta Clara Die jungen Frösche haben einmal bei warmer Sommerzeit nächst einer Lache über allen Maßen gequackt und geschrien, also zwar, daß ein alter Frosch selbst über diese abgeschmackte Musik verdrüssig geworden und die Jungen nicht wenig ausgefilzt hat. Schamt euch, ihr grünhosenden Fratzen! sagte er, ihr wilden Lachendrescher, ihr hupfenden Spitzbuben, schamt euch, daß ihr so ein verdrießlich Geschrei vollführt! Wenn ihr aber doch wollt lustig sein und frohlocken, so singt aufs wenigst wie die Nachtigall, welche auf diesem nächsten Ast sitzt. Ihr großmaulenden Narren, könnt ihr denn nichts anderes als nur das Qua-Qua-Qua? Vater, antworteten die Frösche, das haben wir von dir gelernt. 7. Real Deutsch 2007 Fabeln 10 Vom Hunde Martin Luther Es lief ein Hund durch einen Wasserstrom und hatte ein Stück Fleisch im Maul. Als er nun aber den Schatten des Fleisches im Wasser sah, wähnte er, es sei auch Fleisch, und schnappte gierig danach. Da er aber das Maul auftat, entfiel ihm das Stück Fleisch, und das Wasser führte es weg. Also verlor er beides, Fleisch und Schatten. Der Fuchs Martin Luther Der Löwe hatte viele Tiere zu sich in die Höhle geladen, darinnen es gar übel roch und stank. Als er nun den fragte, wie es ihm gefiele in seinem königlichen Hause, da sprach der Wolf: „Oh, es stinkt übel herinnen. Da fuhr der Löwe zu und zerriss den Wolf. Danach als er den Esel fragte, wie es ihm gefiele, und der arme Esel sehr erschrocken war über des Wolfs Tod und Nord, da wollte er aus Furcht heucheln und sprach: „Oh, Herr König, es riecht wohl allhier. Aber der Löwe fuhr über ihn her und zerriss ihn auch. Als er nun den Fuchs fragte, wie es ihm gefiele und wie es röche in seiner Höhle, da sprach der Fuchs: „Oh, ich habe jetzt den Schnupfen, ich kann nichts riechen. Denn er wurde mit andrer Leute Schaden klug, dass er sein Maul hielt. Spatzen Martin Luther Eines Tages wurde die Nachtigall krank und sang nicht mehr. Da sagten die Spatzen: „Sie ist nicht krank, sondern faul! Das verletzte die Nachtigall, und sie begann wieder zu singen. „Hatten wir nicht recht?, sagten die Spatzen. Aber die Nachtigal vergeudete ihre letzten Kräfte und starb. Da sagten die Spatzen: „Warum singt sie denn, wenn sie krank ist? Der Wolf als Doktor Abraham Santa Clara Zu einem Pferd, das spät am Abend noch auf der Weide stand, kam ein Wolf aus dem nahen Forst herübergetrabt, wünschte einen guten Abend und begehrte zu wissen, warum es denn mit den anderen Rossen nicht nach Hause gegangen sei. Das Pferd merkte die Bosheit des Wolfes und erwiderte, dass es einen kranken Fuss habe, denn es sei unlängst in einen spitzen Nagel getreten. Er wisse aber auch, fuhr es fort, dass er, der Herr Wolf, ein guter und erfahrener Medikus oder Arzt sei, weshalb es ihn um Hilfe bitte. Es solle sein Schaden nicht sein. Dem Wolf gefiel das nicht übel. Er könnte nicht leugnen, sagte er, dass er wirklich ein guter Arzt sei, doch müsse er sich den Schaden zunächst einmal genauer besehen. In Wahrheit gedachte er, das Pferd zunächst einmal beim Fuss zu erwischen, um es dann gänzlich zu seiner Beute zu machen. Aber das Pferd war schlauer als er. Es versetzte dem Wolf mit dem Fuss, der mit einem starken Hufeisen versehen war, einen solchen Streich in den Rachen. dass er halbtot zu Boden stürzte. „Mein Wolf, „ rief es, „weil du mir einen guten Abend gewünscht, so wünsche ich dir nun eine gute Nacht!, und galoppierte nach Hause. So geschieht es: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. 7. Real Deutsch 2007