Arbeitsblatt: Pilatussee-Sage

Material-Details

Sage des Pilatussees im Originaltext und dazu die zu erzählende Geschichte.
Geschichte
Schweizer Geschichte
5. Schuljahr
4 Seiten

Statistik

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780
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05.03.2014

Autor/in

Giacomo Sorbelli
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Die Sage um den Pilatussee Die Oberalp blieb durch Jahrhunderte totenstill und berüchtigt. Mancher Senn getraute sich nicht, dort sein Vieh zu sommern. Wenn von ihr die Rede war, bemächtigte sich vieler eine unerklärliche Angst; denn Wettertannen umstanden auf einer flachen Anhöhe drei Bergseen. Es waren hässliche Sümpfe, die Schrecken verbreiteten. Unwetter brauten sich hier zusammen, so dass Überschwemmungen und namenloses Elend daraus folgten. Man verfocht die Meinung, wer laut riefe oder mutwillig Steine, Holz und Erde in den Bergsee würfe, würde dadurch Unheil stiften. Grausame ungestüme Gewitter, Hagel und Windstösse waren das Ergebnis. In diesem garstigen Alpenpfuhl lag nämlich die Leiche des römischen Landpflegers Pilatus aus Palästina. Hier hatte sie endlich ihr Grab erhalten, nachdem sie an ändern Orten, in Italien, in Frankreich und bei Lausanne nicht mehr geduldet worden war. Aber niemand durfte die Totenstätte aufsuchen, den Leichnam belästigen oder ihn durch den Wurf eines Gegenstandes stören. Sonst brach der Geist gereizt hervor, um heftige Stürme in das Unterland zu senden und es zu verwüsten. Er zersprengte Viehherden, jagte sie in alle Täler hinein und hetzte die Tiere über Felsen in die Schluchten. Er liess stechendes Ungeziefer und Schmeissfliegen auf die entsetzten Hirten los, um sie aus der Umgebung zu vertreiben. Aus der Ferne hatte man die Seele schon erspäht. Es war eine Erscheinung wie die eines Geistes, mit wallendem, taubengrauem Haar und Bartsträhnen. Der struppige Geist sass manchmal auf einem Sessel mitten im Sumpf. Er war bekleidet mit einem weissen Hemd oder wie ein Fürst von einem purpurnen Gewand umhüllt und träumte aus hohlen Augen in die Runde. Er versuchte jeweils, die blutbefleckten Hände im Teich zu waschen. Bald hockte er vermummt und gelangweilt auf einem Stein am Uferbord, bald tappte er ruhelos und von Groll durchdrungen im Föhrenwald umher. Bisweilen raffte sich das Gespenst auf, erstieg den Berg und kauerte auf einer Felsplatte hoch über dem Moor. Dort brütete er vor sich hin. Diese Platte wackelte nachher noch während vieler Jahre. Deswegen nannte man den Gipfel Gnepf- oder Gnappstein. Gnappen bedeutet wackeln. Der Blitz spaltete einst die Steintafel, so dass sie in den Abgrund stürzte. Auf dem Berg trifft man jetzt nur noch Blockwerk an.Jener Geist trieb sein Unwesen jahrhundertelang. In Luzern erliess man ein Verbot, den Alpensee zu besuchen. Die Verordnung lautete: Die Sennen, Handknaben und alle jene, die bei ihnen sind, werden verpflichtet, «gar niemandt uff den berg, noch zum see wandlen ze lassen». Wer sich ohne ausdrückliche Erlaubnis des Rates der Stadt hinaufbegab, wurde bestraft. Im Jahre 1564 legte man zwei Männer in den Turm, warf sie also ins Gefängnis, weil sie heimlicherweise den See betrachtet hatten und danach Gewitter losgebrochen waren. Als aber die Seelein verlandeten und nur noch glucksende Pfützen waren, hob man das Verbot Im Jahre 1594 auf. Die Sennen wurden des Eides entbunden. Man befahl ihnen, «diesen sew (See) oder güllen (Mistwasser oder Jauche) uszugraben». Binsen wuchsen ja bereits heraus, und die Lachen durchwatete man, ohne den Geist herauszufordern. Der Name des Geistes aber hat sich auf die ganze Bergkette übertragen. Der Gebirgsstock hiess vorher Brochenberg oder «fractus mons». Man verwandelte das Wort in «Fräkmünt». Heute erinnern noch zwei Alpgüter an den ursprünglichen Namen Fräkmünt. SELBSTMORD DES PILATUS Im Jahr Christi 41 hat Landpfleger Pilatus, durch viele Bedrängungen vom Kaiser Cajus zerknirscht, sich selbst umgebracht, und wie sein Körper in die Tiber geworfen worden, da haben die bösen Geister, seinen Körper an sich reißend, bald in jenen Gewässern Überschwemmungen veranlaßt, bald in der Luft durch zusammengetriebene Wolken mit Blitz und Gewitter, Hagel und Donnerschlägen die Menschengemüter erschreckt. Daher ward sein Körper aus dem Tiber genommen und bei Vienne in den Rhodanus (Rhone) geworfen. Die Einwohner dieser Stadt aber, welche die Sturmluft und der bösen Geister Unwesen nicht aushalten konnten, haben den obenauf schwimmenden Körper von sich getan und in den benachbarten Alpen in irgendeinen tiefen Brunnen gesenkt. Anmerkung: Angeblich soll Pilatus im Pilatussee am Pilatus bei Luzern in der Zentralschweiz versenkt worden sein. Im Mittelalter war es verboten, sich diesem See zu nähern. Falls es doch geschehen sollte, das jemand ohne Erlaubnis des Luzerner Rates dort hinaufzusteigen wagte, war ihm die Strafe, einige Tage im Turm, gewiss. Angeblich soll der Geist des Pilatus wütend werden, wenn man ihm in seiner Ruhe störe, indem man Steine in den See warf. Kurz nach dieser Tat soll immer ein Gewitter über Luzern kommen. Doch gegen Ende des Mittelalters wurde es immer mehr als Aberglaube interpretiert. Bereits im 16.Jahrhundert schrieb Renward Cysat, der Luzerner Stadtschreiber, dass dies ein alter Aberglaube sei. Es ist aber noch anzumerken, das Cysat ein moderner, der Wissenschaft aufgeschlossener Mensch war. Die meisten Menschen, viele auch des Rates glaubten noch zu dessen Zeit an den Geist, warscheinlich Cysat selbst auch ein wenig, obwohl er es nicht zugab. Er sammelte zu seiner Zeit sehr viele Sagen zusammen, welche heute in Vergessenheit gekommen wären. Der See aber wurde, nachdem der Rat sich vergewisserte dass nichts passiere, gesenkt. Heute steht nur noch ein Moor an dessen Stelle. Noch in der Zeit um 1842 kamen (wenn auch selten) Pilger von Rom nach Luzern um diesen See und den Berg zu sehen. Die Pilatussage Im Jahr Christi 41 hat Landpfleger Pilatus, durch viele Bedrängungen vom Kaiser Cajus zerknirscht, sich selbst umgebracht. Der Kaiser ließ seinen Leichnam in den Tiberfluß werfen. Aber da gab es in Rom Ungewitter und böse Seuchen aller Art, bis man den Leichnam wieder aus dem Tiber holte. Nun führte man den toten Pilatus nach Frankreich und versenkte ihn bei der Stadt Lyon in die Rhone. Doch auch da ging bald zu wie in der Hölle, also daß man den Leichnam wieder herausfischte und nach Lausanne verbrachte, um deren Mauern die Veilchen so süß duften. Aber auch im schweizerischen Waadtlande kam der Tote nicht zur Ruhe. Tag und Nacht pfiffen die Ungewitter um die geängstigte Stadt. Jetzt hatte man aber genug. Man wollte den unruhigen Geist einmal an den richtigen Ort bringen. So trug man denn den toten Pilatus auf die rauhen Alpen des Frakmunts bei Luzern, wo man ihn in einen kleinen Bergsee warf. Doch auf dem Berge, den die Leute nun Pilatusberg nannten, trieb es der böse Geist schrecklicher als jemals. Zwar lag der kleine Bergsee meistens finster und schweigsam da, und nie gefror er zu. Aber unversehens regte der böse Geist die Wasser in ihrer Tiefe auf. Dann stieg er heraus, von finsterem Nebel umgeben, und ließ Schmeißfliegen und stechendes Ungeziefer auf die entsetzten Hirten und ihre Herden los. Und um Mitternacht begann er oft in seinem See zu toben. Hochauf fuhren die Wasser, und auf einmal stürmte er heraus und jagte das weidende Vieh in alle Tobel und Schluchten hinein. Im Vorfrühling aber kämpfte er mit dem König Herodes in den Lüften und warf mit Lawinen nach ihm, die dann tosend zu Tal rasten. Die Sennen und die Umwohner des Berges sahen nur mit Schrecken an dem finstern Berg hinauf, dessen Haupt fast immer in einer schwarzen Nebelkappe steckte. Sie versuchten alles, um den bösen Geist zur Ruhe zu bringen, doch alle Beschwörungen wollten nichts helfen. Da kam einmal ein fahrender Schüler in die Stadt Luzern. Der anerbot sich, das gespensternde Ungetüm für immer in den See zu bannen. Er bestieg die höchste Spitze des Pilatusberges, das Mittagsgüpfi, und begann die Beschwörung. Aber trotz der fürchterlichen Beschwörung wich der böse Geist keinen Zoll. Die Felsen wankten unter dem fahrenden Schüler, daß er fürchten mußte, sie fallen mit ihm ab. Da begab er sich aufs Feld. Hier nahm er den Kampf nochmals auf. Wie es da schrecklich zugegangen sein muß, zeigt heute noch der für immer und ewig versengte Rasen, auf dem kein grünes Gräslein mehr gerät. Jedoch hier wurde der fahrende Schüler des widerspenstigen Pilatus Meister. Er bannte den bösen Geist bis zum Jüngsten Tag in sein Seelein zwischen dem Mittagsgüpfi und dem Gnappenstein. Auf einem Dämon in Roßgestalt fuhr Pilatus in das unheimliche Wasser hinein. Nur einmal im Jahre, am Karfreitag, und dann nur auf kurze Zeit, tauchte er dann auf einem Richterstuhl mitten im Seelein aus der Flut, vom Teufel an einer eisernen Kette gehalten. Er trug blutrote Amtstracht, seine Haare waren katzgrau und der Bart schneeweiß. Und da versuchte er dann immer die blutbefleckten Hände im Wasser zu waschen, aber umsonst. Wehe dem einsamen Gemsjäger und Hirten, der ihn so erblickte! Er mußte innert Jahresfrist sterben. Pilatus aber durfte nur so lange über dem Seelein verweilen, als in der Kirche zu Luzern die Messe abgehalten wurde. Kaum war sie vorüber, versank er wieder für ein Jahr in die schwarze Flut. Seither verhielt er sich ruhiger. Nur wenn man mit Steinen ins Seelein warf, ließ er schwere Ungewitter aufsteigen. Oft noch sahen die Hirten den bösen Geist plötzlich als wildes Roß oder als großen Hund oder gespenstiges Kalb vor sich stehen, wenn sie etwas Unrechtes im Sinne hatten. Noch lange Zeit blieb der Pilatus ein unheimlicher Berg, denn wenn es in Luzern zunachtete, sah man aus seinen Wolken feurige Drachen über den See nach dem Rigiberg und nach dem Bürgenstock fliegen. Heute noch schauen die Jungen und Mägdlein aus der schönen Stadt Luzern gar oftmals an dem hochragenden Pilatusberg hinauf, denn er ist ihr Wetterprophet geworden, und da wissen sie folgendes Sprüchlein zu sagen: Hat der Pilatus einen Hut, ist das Wetter fein und gut. Trägt er aber eine Kappe, fängt das Wetter an zu gnappe (schwanken). Hat er einen Degen, gibt es sicher Regen. SAGEN MYTHEN Seit Urzeiten umhüllen geheimnisvolle Sagen und Mythen den schroffen Felsen hoch über Luzern: Im Mittelalter glaubten die Menschen, ein heilbringender Drache und Geister hausten in den kahlen Klüften. Im ehemaligen Pilatus See, so erzählte man sich, habe einst die rastlose Seele des römischen Feldherrn Pontius Pilatus die letzte Ruhe gefunden. Deshalb war es lange verboten, den Pilatus zu besteigen. Denn: Wehe dem, der Pilatus störte!