Arbeitsblatt: Kurzfilm Spielzuegland

Material-Details

Kurzfilm zum Thema "Verantwortung der Bürger während des Nationalsozialismus"
Geschichte
Neuzeit
9. Schuljahr
2 Seiten

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27
05.06.2014

Autor/in

Ronny Graber
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

F l S pe i l i t v Re t n „Spielzeugland Abb. 1: David und Heinrich – eine Freundschaft vor und nach dem Holocaust in dem Kurzfilm „Spielzeugland von 2007. Ein Kurzfilm im Geschichtsunterricht Der mit einem „Oscar prämierte Kurzfilm „Spielzeugland des deutschen Regisseurs Jochen Alexander Freydank behandelt auf subtile Weise die Rettung eines jüdischen Jungen vor der Deportation in die Vernichtungslager. Der Film ermöglicht die Auseinandersetzung mit dem Verhalten der „ganz normalen Deutschen zwischen Mittun, Wegschauen und Helfen. Von Klaus Fieberg Die Handlung Filminfo: Spielzeugland, Kurzfilm, Deutschland 2007, 14 Minuten, Regie: Jochen Alexander Freydank, Drehbuch: Johann A. Bunners, Jochen Alexander Freydank, Kamera: Christoph Nicolaisen; Darsteller: u.a. mit Julia Jäger und Gregor Weber. Oscar in der Kategorie „Bester Kurzfilm 2009. Diverse andere Filmpreise. DVD-Version siehe unter Literatur. Hinweis: Es dürfen nur DVDs mit dem Recht zur nichtgewerblichen öffentlichen Vorführung im Unterricht benutzt werden. Serviceinfo: VISION KINO informiert und berät zum Thema schulischer Film- und Medienbildung, ist zudem Initiator der bundesweiten SchulKinoWochen. VISION KINO gGmbH, Große Präsidentenstr. 9, 10178 Berlin. www.visionkino.de 48 Der Kurzfilm spielt in Berlin Anfang des Jahres 1942. Der 6-jährige Heinrich, der allein mit seiner Mutter lebt, und der gleichaltrige David, Sohn der jüdischen Familie Silberstein, sind befreundet und üben gern gemeinsam das Klavierspiel. Als die Deportation der Silbersteins bevorsteht, erzählt Frau Meißner ihrem Sohn Heinrich, David und seine Eltern müssten ins „Spielzeugland reisen. Obwohl die Mutter es ihm verbietet und David beteuert, es gebe gar kein Spielzeugland, macht sich Heinrich unbemerkt auf, um seinen Freund zu begleiten. Dies gelingt ihm zwar nicht, denn er wird beim Abtransport der Silbersteins als Nicht-Jude erkannt und weggeschickt. Die Mutter aber vermisst ihn und sucht nach ihm. Als sie am Bahnhof, von dem aus die Juden deportiert werden, den SS-Leuten von ihrem vermissten Sohn erzählt, öffnen diese den fraglichen Güterwaggon. Frau Meißner rettet nun David vor der Deportation in den Tod, indem sie ihn vor der SS-Wachmannschaft als ihr eigenes Kind ausgibt. So couragiert die Mutter den Moment des Zögerns überwindet und sich für die Rettung Davids entscheidet, so feige, aggressiv und unmenschlich verhalten sich Nachbarn, die Polizei und die SS-Leute. Damit spiegelt der Film, Foto: picture-alliance/dpa wie die Mehrheit der Deutschen in der NS-Zeit durch bewusste Verdrängung und Verleugnung der menschenverachtenden Vernichtungspolitik die Ermordung ihrer jüdischen Mitbürger nicht nur hinnahm, sondern erst ermöglichte. Der Hintergrund Nach dem Pogrom vom 08./09.11. 1938 verschärfte sich die Lage der jüdischen Bevölkerung im Reich dramatisch. Die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben vom 12.11.1938 „legalisierte die „Arisierung der Wirtschaft. Für jeden sichtbar wurde die Politik der Ausgrenzung und Stigmatisierung mit der Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 01.09.1941, durch die alle als „Volljuden definierten Personen (inklusive Kinder ab sechs Jahren), gezwungen wurden, den „Judenstern zu tragen. Während in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten Osteuropas bereits die Vernichtungsmaschinerie angelaufen war, begannen ab dem 18.10.1941 auch von Berlin aus Deportationen, die in mehreren Wellen ins Lodzer Ghetto, nach Kowno, Riga und Minsk, später auch in das Warschauer Ghetto und nach Theresienstadt führten. Unterrichtseinsatz Neben der Frage von Schuld, Verantwortung und Menschlichkeit sowie der Thematisierung von großen und kleinen Lügen während der NS-Diktatur besticht der Film durch seine komplexe Erzählstruktur. Erklärende Hin- weise zu den wechselnden Zeit ebenen können das Verständnis erleichtern. Eingefasst wird die Handlung durch eine erzählerische Klammer, die am Anfang und am Ende je vier Hände beim Klavierspiel zeigt: am Anfang spielen die beiden Kinder, am Ende die inzwischen alt gewordenen Männer, die überlebt haben und Freunde geblieben sind. Der Film eignet sich gut als Ergänzung für eine Unterrichts sequenz zum Holocaust. Er ermöglicht die Vertiefung der Frage, was die Deutschen über den Massenmord wussten. Die Schülerinnen und Schüler können diskutieren, welche Handlungsspielräume die „normale Bevölkerung möglicherweise hatte und wie sie in die Verbrechen verstrickt war. Eine Urteilsbildung sollte aber berücksichtigen, dass heutige Maßstäbe für eine Bewertung des Handelns der Zeitgenossen nur bedingt tragen und es eine individuelle Risikoabwägung war, zu helfen. Tipp: Man kann den Film vor der Rettung Davids anhalten und die Schüler das mögliche Ende skizzieren lassen. i e at r L n s Bauer, C./Meyer, P. (Hrsg.): Spielzeugland. Originaldrehbuch, Bonus-Material und DVD. Merzig 2010 Gellately, R.: Hingeschaut und weggesehen. Hitler und sein Volk. München 2002 Longerich, P.: „Davon haben wir nichts gewusst! Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933–1945. München 2006 Landesbildstelle Berlin (Hrsg.): Die Grunewald-Rampe. Die Deportation der Berliner Juden. 2., korrigierte Auflage, Berlin 1993 chronicles.html.de Praxis geschichte 52012 AR EITSMATERIA 1 Auf der Suche nach Heinrich Frau Meißner, Heinrichs Mutter, im Gespräch mit dem Blockwart und einer Nachbarin, Szene aus dem Film „Spielzeugland (2007) Foto: picture-alliance/dpa o py „S i el e g a d M 2 Berichte von Augenzeugen 2.1 Hildegard Henschel, die Frau des damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Berlin, berichtet: „Am 16. Oktober 1941 begann am Vormittag die so genannte ‚Ausschleusung aus dem Sammellager‘ und die Verbringung der Transportteilnehmer nach dem Bahnhof Grunewald 5 bei strömendem Regen. Die SS hatte ihre offenen Lastwagen vorfahren lassen, teils waren es Steh-Trucks, diese Lastwagen durften aber nur Schwache und Kinder benutzen, alle anderen mussten in einem langen Zuge durch die 10 Stadt laufen. () Der 13. Januar 1942, ein Sonntag, der sibirisch kalt war, sah den ersten Transport von 1000 Personen mit einem der Gemeinde unbekannten Ziel in Viehwagen, die vom Bahnhof 15 Grunewald abgingen. Die Kälte war unerträglich, das Resultat langer Verhandlungen der Gemeinde mit der Gestapo war die Erlaubnis, die Viehwagen mit Matratzen, Eimern, Matten, Decken, Karbidlampen einigermaßen auszustat20 ten, aber alle Mühe war vergebens, es blieb ein Massenmord, gegen den niemand einschreiten konnte. Eisenbahnbeamte haben später erzählt, wieviele Menschen auf diesem Transport gestorben sind, die Zahl habe ich vergessen, sie ist 25 auch nicht so wichtig, wie die Tatsache selbst. 2.2 Günter Goldberg: „Was mich enorm beeindruckt hat und heute noch beeindruckt, ist, dass die Verwaltung, die damals eigentlich auch aus normalen Menschen bestand, nach der Propaganda der Na5 tionalsozialisten es dann schon als normal ansah, dass politische Gegner oder jüdische Menschen oder rassisch nicht herpassende Menschen in Möbelwagen verschleppt und in Eisenbahngüterwagen eingesperrt und in KZ 10 transportiert wurden, man ihnen die Haare abschnitt, man ihnen die goldenen Zähne herauszog. All dies war verwaltungstechnisch ein dann schon als normal angesehener Akt. Und ich wundere mich auch heute noch darü15 ber und habe keine Ahnung, wie es eigentlich kommen konnte, dass die Mehrzahl der Durchschnittsbürger (.) diese Verwaltungstätigkeit akzeptiert und auch durchgeführt hat (.). Die Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber die20 sen Aktivitäten, die sie ja deutlich vor Augen hatten, die hat mich eigentlich am meisten erschreckt und erschüttert (.). Quelle: Interview mit Günter Goldberg. In: der lange marsch, Nr. 85, Juso-Info Wilmersdorf. Berlin o.J., S. 26 Quelle: Hildegard Henschel: Aus der Arbeit der Jüdischen Gemeinde Berlin während der Jahre 1941–1943. Zeitschrift für die Geschichte der Juden, 9. Jg., Heft 1/2. Separatdruck Tel Aviv 1972, S. 36, S. 39 Praxis geschichte 52012 3 NS-Verbrechen und Kollaboration Der kanadische Historiker Robert Gellately (geb. 1943) schreibt 2003 über die Mitwirkung der „gewöhnlichen Deutschen: „Noch bis vor kurzem betonte die Geschichtswissenschaft die Passivität der deutschen Bürger im Dritten Reich und tat so, als sei der nationalsozialistische »Polizeistaat« dermaßen 5 allgegenwärtig gewesen, dass er der Initiative der Bürger über Zeremonien und Rituale hinaus wenig Spielraum gelassen habe. Heute wissen wir, dass vielleicht nicht alle Bürger mit allem einverstanden waren, auch was be10 stimmte Aspekte der Verfolgung von Juden und Fremdarbeitern in Deutschland betraf, dass aber das Regime keine Mühe hatte, die Bevölkerung zur Denunziation von Verstößen gegen das rassistische System zu animieren. Das Liefern von Informationen an Polizei 15 oder Partei gehörte zu den wichtigsten Beiträgen des staatsbürgerlichen Engagements im Dritten Reich. Immerhin war es eine Sache, neue Gesetze und Verordnungen zu erlassen 20 und die Bestimmungen von oben her zu verkünden, aber eine ganz andere, sie in der Gesellschaft () durchzusetzen. Es war ein charakteristisches Merkmal des Dritten Reiches (durch das es sich zum Beispiel vom faschistischen Ita25 lien unterschied), dass das Regime keine Mühe hatte, sich die Kollaboration normaler Bürger zu sichern. Die Menschen kooperierten, wenn es darum ging, den Antisemitismus und die rassischen Maßnahmen gegen Fremdarbeiter 30 durchzusetzen (). Quelle: Robert Gellately: Hingeschaut und weggesehen. Hitler und sein Volk. Bonn 2003, S. 362 aufgaben Ordnen Sie das Foto (M 1) in den Handlungsverlauf des Films „Spielzeugland ein. Formulieren Sie Thesen zum Verhalten der beteiligten Personen. Fassen Sie die Textquellen (M 2) mit eigenen Worten zusammen. Finden Sie Beispiele im Film, die die Aussagen Goldbergs (M 2.2) untermauern oder sie relativieren. Formulieren Sie die Kernaussage Gellatelys (M 3). Interpretieren Sie den Film „Spielzeugland vor dem Hintergrund von Gellatelys Ausführungen. Diskutieren Sie insbesondere das Verhalten der verschiedenen Personen des Films und deren Motive. Betrachten Sie die Filmszene am Güterwaggon. Interpretieren Sie das Verhalten der Eheleute Silberstein und Frau Meißners. Formulieren Sie ihre eigenen Gedanken und Schlussfolgerungen aus dieser Szene. 49