Arbeitsblatt: Gedichte
Material-Details
Gedichtsammlung zu den 4 Jahreszeiten
Deutsch
Leseförderung / Literatur
klassenübergreifend
5 Seiten
Statistik
133549
640
7
26.06.2014
Autor/in
Mirjam Arnold
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
HERBST: Im Nebel (Hermann Hesse) Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den anderen, Jeder ist allein. Voll von Freunden war mir die Welt, Als noch mein Leben licht war; Nun, da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar. Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unentrinnbar und leise Von allem ihn trennt. Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein. Herbstklage (Joseph Eichendorff) Herbstnebel ziehn über den Weiher, Das ist recht des Todes Bild! Und tagelang sinnet der Reiher Am Ufer dort einsam wild. Mein Liebchen hat mich verlassen, Die Freunde sind alle weit, Und Garten und Wälder erblassen, Und singen von tiefem Leid. Verschneit liegt bald alles danieder, Wir selber wir werden alt, Und kennen einander nicht wieder, Verkümmert, zerstreut und kalt. Zum Wald denn! da raset lautschallend Das Horn durch des Windes Schrein, Da krachen die Wipfel und fallen Zum Abgrund Strom, Baum und Stein. Und Schneewolken jagt übern Weiher, Die Windsbraut singt ihren Gruß, Rasch stürzt in den Sturm sich der Reiher Ach, daß ich hier stehen muß! Herbsttag (Rainer Maria Rilke) HERR: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, Und auf den Fluren lass die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; Gib ihnen noch zwei südlichere Tage, Dränge sie zur Vollendung hin und jage Die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, Wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben Und wird in den Alleen hin und her Unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. (Herbst 1902) WINTER: Verschneit liegt rings die ganze Welt (Joseph von Eichendorff) Verschneit liegt rings die ganze Welt, Ich hab nichts, was mich freuet, Verlassen steht ein Baum im Feld, Hat längst sein Laub verstreuet. Der Wind nur geht bei stiller Nacht und rüttelt an dem Baume, Da rührt er seine Wipfel sacht Und redet wie im Traume. Er träumt von künftger Frühlingszeit, Von Grün und Quellenrauschen, Wo er im neuen Blütenkleid Zu Gottes Lob wird rauschen. Winterlandschaft (Friedrich Hebbel) Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche, bis auf den letzten Hauch von Leben leer; die muntern Pulse stocken längst, die Bäche, es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr. Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise, erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab, und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise, so gräbt er, glaub ich, sich hinein ins Grab. Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend, wirft einen letzten Blick auf öde Land, doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend, trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand. FRÜHLING: Nur einmal bringt des Jahres Lauf (Richard von Wilpert) Nur einmal bringt des Jahres Lauf uns Lenz und Lerchenlieder. Nur einmal blüht die Rose auf, und dann verwelkt sie wieder; nur einmal gönnt uns das Geschick so jung zu sein auf Erden: Hast du versäumt den Augenblick, jung wirst du nie mehr werden. Drum lass von der gemachten Pein um nie gefühlte Wunden! Der Augenblick ist immer dein, doch rasch entfliehn die Stunden. Und wer als Greis im grauen Haar vom Schmerz noch nicht genesen, der ist als Jüngling auch fürwahr nie jung und frisch gewesen. Nur einmal blüht die Jugendzeit und ist so bald entschwunden; und wer nur lebt vergangnem Leid, wird nimmermehr gesunden. Verjüngt sich denn nicht auch Natur stets neu im Frühlingsweben? Sei jung und blühend einmal nur, doch das durchs ganze Leben! Frühlings Ankunft (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben) Grüner Schimmer spielet wieder Drüben über Wies und Feld. Frohe Hoffnung senkt sich nieder Auf die stumme trübe Welt. Ja, nach langen Winterleiden Kehrt der Frühling uns zurück, Will die Welt in Freude kleiden, Will uns bringen neues Glück. Seht, ein Schmetterling als Bote Zieht einher in Frühlingstracht, Meldet uns, dass alles Tote Nun zum Leben auferwacht. Nur die Veilchen schüchtern wagen Aufzuschaun zum Sonnenschein; Ist es doch, als ob sie fragen: »Sollt es denn schon Frühling sein?« Seht, wie sich die Lerchen schwingen In das blaue Himmelszelt! Wie sie schwirren, wie sie singen Über uns herab ins Feld! Alles Leid entflieht auf Erden Vor des Frühlings Freud und Lust – Nun, so soll auch Frühling werden, Frühling auch in unsrer Brust! Frühling (Theodor Fontane) Nun ist er endlich kommen doch In grünem Knospenschuh; Er kam, er kam ja immer noch, Die Bäume nicken sich zu. Sie konnten ihn all erwarten kaum, Nun treiben sie Schuss auf Schuss; Im Garten der alte Apfelbaum, Er sträubt sich, aber er muss. Wohl zögert auch das alte Herz Und atmet noch nicht frei, Es bangt und sorgt: Es ist erst März Und März ist noch nicht Mai. schüttle ab den schweren Traum Und die lange Winterruh: Es wagt es der alte Apfelbaum, Herze, wag auch du. SOMMER: An die Sonne (Ingeborg Bachmann) Schöner als der beachtliche Mond und sein geadeltes Licht, Schöner als die Sterne, die berühmten Orden der Nacht, Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen Und zu weit Schönrem berufen als jedes andere Gestirn, Weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne. Schöne Sonne, die aufgeht, ihr Werk nicht vergessen hat Und beendet, am schönsten im Sommer, wenn ein Tag An den Küsten verdampft und ohne Kraft gespiegelt die Segel Über dein Aug ziehn, bis du müde wirst und das letzte verkürzt. Ohne die Sonne nimmt auch die Kunst wieder den Schleier, Du erscheinst mir nicht mehr, und die See und der Sand, Von Schatten gepeitscht, fliehen unter mein Lid. Schönes Licht, das uns warm hält, bewahrt und wunderbar sorgt, Dass ich wieder sehe und dass ich dich wiederseh! Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein. Nichts Schönres als den Stab im Wasser zu sehn und den Vogel oben, Der seinen Flug überlegt, und unten die Fische im Schwarm, Gefärbt, geformt, in die Welt gekommen mit einer Sendung von Licht, Und den Umkreis zu sehn, das Geviert eines Felds, das Tausendeck meines Lands Und das Kleid, das du angetan hast. Und dein Kleid, glockig und blau! Schönes Blau, in dem die Pfauen spazieren und sich verneigen, Blau der Fernen, der Zonen des Glücks mit den Wettern für mein Gefühl, Blauer Zufall am Horizont! Und meine begeisterten Augen Weiten sich wieder und blinken und brennen sich wund. Schöne Sonne, der vom Staub noch die größte Bewundrung gebührt, Darum werde ich nicht wegen dem Mond und den Sternen und nicht, Weil die Nacht mit Kometen prahlt und in mir einen Narren sucht, Sondern deinetwegen und bald endlos und wie um nichts sonst Klage führen über den unabwendbaren Verlust meiner Augen. Gefunden (Johann Wolfgang von Goethe) Ich ging im Walde So für mich hin, Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn. Im Schatten sah ich Ein Blümchen stehn, Wie Sterne leuchtend, Wie Äuglein schön. Ich wollt es brechen, Da sagt es fein: Soll ich zum Welken Gebrochen sein? Ich grub mit allen Den Würzlein aus. Zum Garten trug ich Am hübschen Haus. Und pflanzt es wieder Am stillen Ort; Nun zweigt es immer Und blüht so fort.