Arbeitsblatt: Kurzgeschichten
Material-Details
sieben Kurzgeschichten als Einstieg oder zur sonstigen Verwendung
Deutsch
Vorlesen / Vortragen / Erzählen
4. Schuljahr
3 Seiten
Statistik
177540
957
18
30.12.2017
Autor/in
Lemming (Spitzname)
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Geschichten für den Montagmorgen oder anderes Die Geschichte mit dem Hammer Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschliesst unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüsste er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es sofort. Warum gibt er es mir nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Er bildet sich auch noch ein, ich sei auf ihn angewiesen, bloss weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht es mir aber wirklich! So stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er Guten Tag stammeln kann, schreit ihn unser Mann an: Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Kamel! Der Krieg blieb aus Als der Krieg zwischen den beiden benachbarten Völkern unvermeidlich war, schickten die feindlichen Feldherren Späher aus, um zu erkunden, wo man am leichtesten in das Nachbarland einfallen könnte. Die Kundschafter kehrten zurück und berichteten ungefähr mit den gleichen Worten ihren Vorgesetzten, es gäbe nur eine Stelle an der Grenze, um in das andere Land einzubrechen. Dort aber, sagten sie, wohnt ein braver kleiner Bauer in einem kleinen Haus mit seiner anmutigen Frau. Sie haben einander lieb, und es heisst, sie seien die glücklichsten Menschen auf der Welt. Sie haben ein Kind. Wenn wir nun über das kleine Grundstück in Feindesland einmarschieren, dann würden wir das Glück zerstören. Also kann es keinen Krieg geben. Das sahen die beiden Feldherren denn wohl oder übel ein, und der Krieg unterblieb, wie jeder Mensch begreifen wird. Der Mann mit dem Elefant Ein Mann klatscht alle zehn Sekunden in seine Hände. Als der Polizist des Dorfes vorbeikommt und ihn fragt, warum er das tue, meint dieser Mann nur: Ich verscheuche die Elefanten! Aber, mein Herr, es hat ja gar keine Elefanten hier, erwidert der Polizist. Na, sehen Sie, es wirkt schon! Schwarz und Weiss Es war einmal ein Mann. Der hatte eine seltsame Gewohnheit. Jeden Morgen nahm er ein grosses, weisses Blatt Papier. Darauf schrieb er im Verlaufe des Tages alle schlechten und bösen Nachrichten und Berichte, die er den ganzen Tag sah und hörte. Jeden Tag war das Blatt beinahe schwarz geschrieben. Diese dunklen Blätter, jeden Tag, machten den Mann ganz traurig. Er lebte ohne Freude und Fröhlichkeit. Bis ihm eines Tages die weissen Blätter ausgingen. Da musste er neue kaufen. Im Laden bediente ihn ein Kind. Das sagte zu dem Mann: „Weisse Blätter haben wir keine mehr. Aber nehmen Sie doch schwarze! Der Mann antwortete: „Wie soll ich auf schwarzes Papier schreiben? Das Kind sagte: „Nehmen Sie doch weisse Tinte. Hier hat es! Der Mann kaufte beides. Zu Hause überlegte der Mann lange. Am nächsten Tag nahm er ein schwarzes Blatt Papier und weisse Tinte. Damit begann er die guten und freudigen Nachrichten und Berichte, alles Gute und Schöne, das er den ganzen Tag sah und hörte aufzuschreiben. Am ersten Tag war es wenig. Aber jeden Tag wurden die Blätter weisser und heller. Bis sie nach Wochen am Abend ganz weiss waren. Beinahe weiss. Kleine Flecken blieben, das war nicht zu übersehen. Der Mann war ganz anders geworden. Zuhören Ein Mann, der andauernden Streitigkeiten mit seiner Frau nicht länger ertragen konnte, bat einen Meister um Rat: Kaum macht einer von uns den Mund auf, unterbricht ihn der andere schon. Ein Wort, dann haben wir gleich wieder Streit miteinander, und jeder von uns ist mürrisch und schlecht gelaunt, sagte der Mann. Dabei lieben wir uns doch, aber so kann es nicht weitergehen. Ich weiss einfach nicht mehr, was ich machen soll. Du musst lernen, deiner Frau zuzuhören, sagte der Meister. Und wenn du sicher bist, dass du diese Regel beherrscht, dann komm wieder zu mir. Nach drei Monaten sprach der Mann wieder beim Meister vor und erklärte, er habe jetzt gelernt, auf jedes Wort, das seine Frau sagt zu hören. Gut, sagte der Meister mit einem Lächeln. Wenn du in einer glücklichen Ehe leben willst, musst du jetzt noch lernen, auf jedes Wort zu hören, das sie nicht sagt. Der Blinde und die Milch Einer, der von Geburt an blind war, fragte einen Sehenden: „Von welcher Farbe ist die Milch? Der Sehende sagte: „Milch hat die gleiche Farbe wie leeres Schreibpapier. Der Blinde sagte: „Ach, so ist das Weisse, dass es unter den Händen wie Papier knistert? Der Sehende entgegnete: „Nein, Milch ist weiss, wie Mehl weiss ist. Der Blinde fragte: „Ach so, das Weisse stäubt wie Mehl? Der Sehende meinte: „Nein, es ist weiss, wie ein Schneehase weiss ist! Der Blinde fragte: „Also flaumig und ebenso weich wie ein Hasenfell ist das Weisse? Der Sehende sagte: „Nein, nein, nur einfach weiss ist das Weisse wie Schnee! Der Blinde fragte: „Aha, also kalt wie Schnee! Und so viele Beispiele der Sehende auch vorbrachte, der Blinde konnte nicht fassen, was das Weisse der Milch ist. Die Blinden und der Elefant In Indien lebten in einem Dorfe lauter blinde Menschen. Eines schönen Tages sassen einige Männer beisammen um den Brunnen des Dorfplatzes. Da sprach einer: Ich habe gehört, dass ein Mann mit einem Elefanten in unser Dorf kommen will. Alle horchten auf. Ein alter Mann sagte: Ich will diese Gelegenheit nicht verpassen und mir den Elefanten genau ansehen! Mit Ansehen meinte er natürlich Betasten, denn er war ja blind. Ein junger Bursche erhob sich und meinte: Kommt, wir ziehen dem Elefanten entgegen! Sie fassten einander an den Händen und machten sich auf den Weg. Ich bin ganz aufgeregt, sagte der Älteste von ihnen. Sind wir wohl auf dem richtigen Weg?, fragte der Jüngste. Ein Mann mittleren Alters ärgerte sich über das Gerede. Schweigt und tut nicht wie kleine Kinder! rief er. Da hörten sie grossen Lärm, und sie wussten, dass der Mann mit dem Elefanten heranzog. Du, Mann mit dem Elefant, rief einer der Blinden, warte, wir wollen den Elefanten sehen! Da hielt der Mann sein Tier an und packte einen Blinden an der Hand. Komm, sagte er, berühre ihn mit deinen Händen. Der Blinde gehorchte. Und wir anderen, fragten die übrigen blinden Männer, dürfen wir den Elefanten auch berühren? Es wurde allen gestattet. Der eine betastete eines der dicken Beine, der andere das flatternde Ohr, der dritte den gewaltigen Bauch, der vierte den kräftigen und geschmeidigen Rüssel. Da sprach der erste: Ich weiss jetzt, was ein Elefant ist. Es ist eine gewaltige, dicke Säule. Unsinn, sprach der zweite, es ist ein weicher, warmer Lappen. Da wehrte sich der dritte und sprach: Nein, es ist eine mächtige, behaarte Mauer! Ihr habt alle geschlafen, rief der vierte, es ist ein bewegliches Rohr! So gerieten sie in Streit, weil jeder überzeugt war, dass er wusste, was ein Elefant sei.