Arbeitsblatt: Industrialisierung Skript (5 Lektionen)
Material-Details
Ein Skript zur Industrialisierung in fünf Lektionen. Stufe Sek II.
Geschichte
Neuzeit
10. Schuljahr
14 Seiten
Statistik
180701
1068
37
19.04.2018
Autor/in
Simon Müller
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Industrialisierung industrielle Revolution Industrialisierung Industrielle Revolution 1. Übersicht zur Industrialisierung Gesellschaft Produktion Folgen Industrialisierung Schlüsselereignisse Probleme Vorindustrielle Zeit Wirtschaft 1 Industrialisierung industrielle Revolution 2. Schlüsselereignisse Aufgabe a) Lesen sie den Text und analysieren Sie die Grafik zur Bevölkerungsentwicklung. Besprechen sie die Folgen einer solchen Bevölkerungsexplosion in der Gruppe. Bestimmen Sie jemanden, welcher den Inhalt des Textes, sowie die von Ihnen notierten Folgen der Klasse anschliessend kurz wiedergibt. Bevölkerungswachstum zwischen 1800-1900 70 60 50 40 30 20 10 0 1750 1820 1850 1900 Grossbritannien Deutschland Frankreich 1910 Die Gründe für das Bevölkerungswachstum, oder gar die «Bevölkerungsexplosion» zwischen 1800 und 1900 sind vielseitig. Bim 18. Jahrhundert zeigt sich in der Demografie verschiedenster europäischer Länder eine hohe Sterberate. Speziell die Kindersterblichkeit war extrem hoch, verursacht durch mangelnde Hygiene, schlechte medizinische Versorgung und Nahrungsmittelknappheit. Deshalb zeichnete sich eine hohe Geburtenrate ab, um die Sterberate zu kompensieren. Werden nun die Faktoren der hohen Sterblichkeitsrate eliminiert, indem die Hygiene und Medizin verbessert, sowie die Nahrungsmittelproduktion erhöht wird, so sinkt die Sterberate – die Geburtenrate bleibt jedoch gleich. Erst nach einer Weile sinkt auch die Geburtenrate. Bis zu dem Zeitpunkt wächst die Bevölkerung rasant an und man spricht von einer «Bevölkerungsexplosion». Der Beginn dieses Phänomens zeichnete sich bereits vor 1800 in sämtlichen europäischen Ländern ab. In einer Bauernfamilie konnte nur der älteste oder jüngste Sohn den Hof übernehmen und heiraten, die andern Söhne blieben als Knechte auf dem Hof. Die Heimarbeit im Verlagswesen, welche etwa im Gebiet der Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert aufkam, ermöglichte nun mehr Familien auf demselben Hof ein Einkommen. So konnten weitere Kinder heiraten. Schon vor der technischen Entwicklung setzte in West- und Mitteleuropa ein Bevölkerungswachstum ein. Diese zusätzlichen Menschen konnten sich dank einer «Agrarrevolution» ernähren: Statt der Dreifelderwirtschaft mit einem festen Ablauf der Produktion von Winter- und Sommergetreide begannen die Bauern, die Zelge aufzuteilen und neue Produkte, insbesondere Kartoffeln, Mais, Gemüse und Futter- bzw. Zuckerrüben, anzupflanzen; die nährstoffreichen neuen Produkte waren eine Folge der Entdeckungsfahrten. Die bisher gemeinsamen Weideflächen (Allmend) teilten die Bauern auf, zäunten sie ein und verbesserten den Ertrag durch Bewässerung und die Ansaat von Klee. So konnten die Kühe im Stall gefüttert und ihr Mist gezielt zur Düngung der eigenen Äcker verwendet werden. Allerdings führte die Agrarrevolution auch zur Teilung der Dorfgemeinschaft: Wer sich die notwendigen Investitionen leisten konnte, stieg zum Grossbauern auf; die anderen mussten sich als Tagelöhner oder Heimarbeiter durchschlagen. (Boesch, Josef, et al (2014): Weltgeschichte. Von 1500 bis zur Gegenwart. Zürich: Orell Füssli, S. 298) 2 Industrialisierung industrielle Revolution Aufgabe b): Lesen sie den Text. Besprechen Sie in der Gruppe die Folgen der Dampfmaschine und der Mechanisierung. Was bedeutete dies für die Produktion? Bestimmen Sie jemanden, welcher den Inhalt des Textes, sowie die von Ihnen notierten Folgen der Klasse anschliessend kurz wiedergibt. Ohne sie hätte es die industrielle Revolution nicht gegeben. Die Dampfmaschine ist der Initialzünder dieser Entwicklung. Erfunden wurde sie natürlich von James Watt 1769 – falsch! Dass Watt die Dampfmaschine erfunden hatte, ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Die Dampfmaschine wurde genau genommen auch nicht «erfunden», sondern über Jahrzehnte hinweg entwickelt, bis sie James Watt 1769 nach einer weiteren Verbesserung patentieren liess. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts verliess man sich auf Wind-, Wasser- und Muskelkraft. Diese konnten nun jedoch den Kräftebedarf nicht mehr decken und genügten nicht, die immer vielfältigeren Arbeitsmaschinen anzutreiben. Betroffen war vor allem der Bergbau, deren Minen immer tiefer in den Boden hinunterreichten. Mit den vorhandenen Kraftquellen konnte man das Wasser nur schlecht abpumpen, denn Wind ist unzuverlässig und Wasserkraft kann man nur an Flüssen schöpfen, während die grossen Bergbaugebiete aber meist abseits von Wasserquellen lagen. Es blieb also die Muskelkraft, dessen grösste Schwäche die schnelle Erschöpfung ist. Die frühen Prototypen von Dampfmaschinen wurden noch vor 1700 gebaut, funktionierten in der Praxis aber nur schlecht bis gar nicht. Erst 1712 gelang es dem Engländer Thomas Newcomen, eine erste richtig funktionierende Dampfmaschine zu entwickeln – James Watt war noch nicht einmal geboren. Newcomens Maschine war trotzdem wenig effizient. Der Wirkungsgrad lag gerademal bei 1% (sprich: 99% der Kohle, die durch die Maschine gewonnen wird, wird sogleich als Brennmaterial verwendet). Für alle anderen Industriebereiche war sie demnach ungeeignet. Hier kam dann James Watt ins Spiel: Er bekam den Auftrag, die Newcomensche Maschine zu verbessern. Durch das Hinzufügen eines Kondensators gelang dies auch. Watt liess seine Dampfmaschine patentieren und ebnete den Weg der Serienproduktion von Dampfmaschinen, was den Startschuss der Industrialisierung bedeutete. Plötzlich konnten Maschinen, welche zuvor von Mensch, Tier oder Wind angetrieben wurden, durch die extrem überlegene Dampfmaschine betrieben werden. Vieles, was zuvor von Hand gemacht wurde, konnte nun durch Maschinen erledigt werden. Die Mechanisierung hat begonnen. 3 Industrialisierung industrielle Revolution 3. England als Mutterland der Industrialisierung Aufgabe a) Notieren Sie sich so viele im Video gezeigte Gründe, weshalb England das Mutterland der Industrialisierung ist, wie sie können. Falls Ihnen noch weitere Gründe in den Sinn kommen, notieren Sie diese ebenfalls! Video: TheSimpleHistory: Industrialisierung Industriellen Revolution: England als Mutterland der Industrialisierung 4 Industrialisierung industrielle Revolution Aufgabe b) Versuchen Sie mit dem Nachbarn die notierten Begriffe in Kategorien zu ordnen. Das Ziel ist es, dass wir zusammen ein «Schema» oder eine «Liste» mit Voraussetzungen für eine Industrialisierung schaffen. 5 Industrialisierung industrielle Revolution 4. Die Industrialisierung in der Schweiz Aufgabe a) Benutzen Sie die in der letzten Lektion erstellten «Checkliste» und schauen Sie sich die Situation um 1800 in der Schweiz an. Welche Voraussetzungen sind erfüllt? Und welche nicht? (Einzelarbeit/Partnerarbeit, 5min) Aufgabe b) Welche Veränderungen geschehen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts in der Schweiz, welche entweder die Industrialisierung förderten oder durch die Industrialisierung verursacht wurden? (Einzelarbeit/Partnerarbeit, 5min) GB um 1800 Geografie Flach Insel, viele Häfen Rohstoffe (Kohle, Eisen, etc.) Wirtschaft/Politik Keine Binnenzölle Gute Landwirtschaft Überseehandel Politisch Stabil Starke, zentrale Regierung Gute Infrastruktur Grundherrschaft/Zunftzwang Lange Friedensperiode Weltmacht/Kolonien Grosse Flotte «Equipment» Erfindergeist Moderne, mech. Maschinen Eisenbahn, Dampfschifffahrt Maschinen für Landwirtschaft Viele Arbeitskräfte Gute Unternehmermentalität Bevölkerungswachstum CH um 1800 Veränderungen in der Schweiz während der Industrialisierung 6 Industrialisierung industrielle Revolution 5. Luzern: Industrialisierung der anderen Art Aufgabe a) Lesen Sie den untenstehenden Text zur Geschichte des Fremdenverkehrs in Luzern. Anschliessend schauen Sie sich die drei Karten (S. 7/8) an. Markieren Sie mit einem farbigen Stift alle Unterschiede, deren Ursache Sie der Industrialisierung zuschreiben! (Einzelarbeit, 10min) 1845 organisiert Thomas Cook in England die erste Pauschalreise und eröffnet somit eine neue Art des Reisens: Der Tourismus. Reisen per se war nicht neu, war aber mit erheblichem Aufwand verbunden und der gesellschaftlichen Elite vorbehalten. Zudem war die Form der „Erlebnisreise neu. Mit dem zunehmenden Wohlstand der Bürger und dem technischen Fortschritt der Eisenbahn wurde das Reisen somit einem breiteren Publikum zugängig. Thomas Cook hatte Erfolg: Reisen wurde populär. Das Reisefieber verbreitete sich zuerst in England, doch schon 1855 bietet Cook auch Reisen ins Ausland an. Das Geschäft expandiert sich rasant, sodass in den 1870 bereits in vielen Ländern Reisebüros entstanden sind. Die Schweiz, insbesondere Luzern, wurde bereits früh von diesem neuen Wirtschaftszweig beeinflusst. Um 1800 fehlt es Luzern an wirtschaftlichem Wachstum. Erst mit dem Aufkommen des Fremdenverkehrs entwickelte sich die Stadt weiter und wurde zu dem, was sie heute ist. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee. Während zuvor mehrheitlich Güter transportiert wurden, wechselte man nun auf die Reisenden. In den 1850er Jahren wurde Luzern ans nationale und internationale Eisenbahnnetz angeschlossen. Gerade die Eisenbahn war massgebend für den Erfolg Luzerns als Touristenstadt. Die Einwohnerzahl wuchs rasant – wahren es um 1800 noch 4400 Einwohner, zählte Luzern 1850 bereits 10‘000, 1890 sogar 20‘000 Einwohner. Entsprechend der Bevölkerungszunahme wurde die Stadt dementsprechend Ausgebaut. Mehrere neue Quartiere entstanden. Es wurden Hotels gebaut und die Seeufer aufgeschüttet. Luzern veränderte sich massgeblich, denn es wurde nicht nur gebaut, sondern auch fleissig abgerissen und erneuert. Stadtplan von Luzern von 1765 7 Industrialisierung industrielle Revolution Stadtplan von Luzern von 1840 Stadtplan von Luzern von 1912 8 Industrialisierung industrielle Revolution Aufgabe b) Notieren Sie sich fünf Veränderungen, welche Sie bei Aufgabe a) festgestellt haben, welche mit der Industrialisierung zusammenhängen (Einzelarbeit, 5min) 1. 2. 3. 4. 5. Aufgabe c) Lesen Sie die untenstehenden Quellen (drei Ausschnitte aus Zeitungsartikeln). Was können Sie daraus schliessen? Welche Elemente aus Aufgabe b) erkennen sie? (Plenum, 5min) «Zukunftsideen wurden an der Sitzung des Grossen Stadtrates vom 14. November mehrfach laut. Bei Besprechung des neuen Reusssteges wurde von verschiedener Seite auf die nahe bevorstehende Zeit hingewiesen, da die Kapellbrücke weichen müsse, eine Ansicht, die immer mehr an Boden gewinnt und die auch in diesem Blatte schon öfter geäussert worden ist.» (Luzerner Tagblatt, 16.11.1898) «Der alte schwarze Holzkasten [] lädt den Luzerner, dessen Schönheitssinn sich so gerne an Wahrzeichen seiner Stadt klammert, ahnen, dass es doch an der Zeit wäre, mit diesem garstigen Möbel abzufahren. Wenn der Reusssteg erstellt sein wird, welcher dem Verkehr viel bequemere und mehr Verbindungen bieten wird, dürfte sich die krumme Holzbrücke erst recht als überflüssig erweisen.» (Centralschweizer Demokrat, 22.06.1889) «Die englische Presse befasst sich lebhaft mit der projektierten Zerstörung der Kapellbrücke in Luzern. Es werden zahlreiche Unterschriften gesammelt und in einigen Tagen wird von Manchester aus eine grossartige Bittschrift um Erhaltung der Brücke an den Luzerner Stadtrat abgeschickt werden. Wenn sie nur nicht zu spät kommt. [] Müssen sie fort, weil unsere modernen Luzerner glauben, die Brücke in ihrem einfachen Gewande sei nicht mehr vornehm genug für das nächste Jahrhundert?» (Neue Zürcher Zeitung, 12.12.1889) 9 Industrialisierung industrielle Revolution 6. Die Folgen der Industrialisierung Aufgabe a) Schreiben Sie für ihre Mitschüler eine kurze und prägnante These zu einer der Folgen der Industrialisierung. Eine These hat eine Länge von 1-3 Sätzen und beinhaltet die wichtigsten Punkte dieses Themas. Primäres Hilfsmittel sind die vorhandenen Quellen. Nutzen Sie zudem das bereits erarbeitete Wissen oder durchsuchen Sie das Internet nach Zahlen Fakten, um ihrer These zusätzlichen Halt zu geben und/oder stellen Sie gezielte Fragen an die Lehrperson. (Partnerarbeit, 10min) Aufgabe b) Setzen Sie sich in der Gruppe mit den anderen Schülern zusammen, welche das gleiche Thema bearbeitet haben und üben Sie Quellenkritik an den vorhandenen Quellen ihres Themas. Um was für eine Art Quelle handelt es sich? Wie wann entstand die Quelle? In welchem Kontext entstand sie und woher kommt sie? Was lesen Sie aus den Quellen? Besprechen Sie die Quellen und deren Inhalt und machen Sie eine Quellenkritik! (mündlich) (Expertengruppen, 5min) Aufgabe c) Tauschen Sie sich in der Expertengruppe gegenseitig aus und bestimmen Sie eine einzige These, welche später dem Rest der Klasse präsentiert wird. Ergänzen und bearbeiten Sie diese These nach Belieben. (Expertengruppen, 10min) Aufgabe d) Die Expertengruppen teilen sich erneut in Gruppen auf, sodass es jeweils 3er Gruppen mit Vertretern von sämtlichen Themas gibt. Tragen Sie nacheinander die in den Expertengruppen erstellen Thesen einander vor und fassen Sie zudem die gelesen Quellen kurz zusammen. Stellen Sie dem Experten Fragen zum Thema und woher das erarbeitete Wissen stammt. (Expertengruppen, 15min) 10 Industrialisierung industrielle Revolution 7. Folgen der Industrialisierung: Arbeitsbedingungen Massenarmut Aufgabe a) Folgende Fragen sollen in der These beantwortet werden: Inwiefern verursacht die Industrialisierung eine Massenarmut, obwohl in den Fabriken neue Arbeitsplätze geschaffen werden? Was unterscheidet den Pauperismus von der gewöhnlichen, seit langem bekannten, Massenarmut? Worin bestehen die schlechten Arbeitsbedingungen? Was verhindert eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen? Pauperismus Der Begriff Pauperismus wurde um 1800 in England für die Armut als Massenerscheinung bzw. für die Armen als gesellschaftliches Kollektiv geprägt. Ausschlaggebend für die Begriffsbildung war eine neue Form der Armut, indem nun als «pauper» galt, wer sich auch durch seine Arbeit kein ausreichendes Einkommen verschaffen konnte. Aus dem Englischen wurde der Begriff ins Französische und Deutsche übernommen, wo er allmählich den Ausdruck Massenarmut ablöste und teilweise synonym mit Proletariat verwendet wurde. Erst nach der Mitte des 19. Jh. wendete man im deutschsprachigen Raum Proletariat ausschliesslich auf die Arbeiter in Industrie und Gewerbe an. In einem grösseren Rahmen sind der Pauperismus und der dazugehörige Diskurs im Zusammenhang mit der «Sozialen Frage» zu sehen. Ausschlaggebend für eine breitere öffentl. Diskussion des Phänomens in der Schweiz die Massenarmut gab es indes schon seit langem waren ausgeprägte Notzeiten zu Beginn des 19. Jh, die Folgen eines seit dem 2. Drittel des 18. Jh. intensiven Bevölkerungswachstums und die Auswirkungen der zunehmenden Industrialisierung. Historisches Lexikon Schweiz Schlechte Arbeitsbedingungen: «Im Maschinenraum beginnt unser Rundgang. Eine 400pferdekräftige Dynamo, ein Maschinenkoloß, geht hier in majestätischer Ruhe seinen Gang. Sie und drei Turbinen, die je 100 Pferdekräfte repräsentiren, treiben die 8000 Spindeln in den fünf bis sechs Sälen Wie der Flachs vom Bauer kommt, so wandert er büschelweise in eine Maschine die unter furchtbarer Staubentwicklung die erste Rechung selbstthätig besorgt. Als wir, aus der frischen Luft kommend, in den Saal traten, verschlug es mir den Athem und Hustenreiz stellte sich ein, so dick ist die Luft in diesem Saale mit den unendlich feinen Stäubchen erfüllt. Wenn man eintritt, ist es, als ob der Saal von dichtem Nebel erfüllt wäre. Schon im ersten Saale erscheint alles Grau in Grau. Der Fußboden, die wagrechten Maschinenflächen und die Menschen haben eine Farbe. Alles ist mit einer dicken Staubkruste überdeckt. Ein Genosse, der an der Straße wohnt und alle Arbeiter kennt, sagte mir: Wenn ein Dienstbote vom Land frisch und gesund in die Fabrik kommt, in vierzehn Tagen merkt man den Unterschied. Es geht rapid abwärts mit dem Menschen.» Arbeiterzeitung, Bericht von Journalist Max Winter über Besuch in Flachsspinnerei, 1899 11 Industrialisierung industrielle Revolution 8. Folgen der Industrialisierung: Kinderarbeit Aufgabe a) Folgende Fragen sollen in der These beantwortet werden: Wie sieht der Arbeitsalltag eines Kinderarbeiters aus? Weshalb gibt es Kinderarbeit in der Industrie, wo es doch eine hohe Anzahl arbeitsloser Erwachsener gibt? Wie verteidigen die Befürworter die Kinderarbeit? Was könnten die Folgen einer solchen Ausbeutung einer ganzen Generation für die Zukunft sein? «In den Kohlen- und Eisenbergwerken arbeiten Kinder von vier, fünf, sieben Jahren; die meisten sind indes über acht Jahre alt. Sie werden gebraucht, um das losgebrochene Material von der Bruchstelle nach dem Pferdeweg oder dem Hauptschacht zu transportieren und um die Zugtüren, welche die verschiedenen Abteilungen des Bergwerks trennen, bei der Passage von Arbeitern und Material zu öffnen und wieder zu schliessen. Zur Beaufsichtigung dieser Türen werden meist die kleinsten Kinder gebraucht, die auf diese Weisezwölf Stunden täglich im Dunkeln einsam in einem engen, meist feuchten Gange sitzen müssen. Der Transport der Kohlen und des Eisensteins dagegen ist eine sehr harte Arbeit, da dies Material in ziemlich grossen Kufen ohne Räder über den holprigen Boden der Stollen fortgeschleift werden muss, oft über feuchten Lehm oder durch Wasser, oft steile Abhänge hinauf und durch Gänge, die zuweilen so eng sind, dass die Arbeiter auf Händen und Füssen kriechen müssen. Zu dieser anstrengenden Arbeit werden daher ältere Kinder und heranwachsende Mädchen genommen. Je nach den Umständen kommt entweder ein Arbeiter auf die Kufe oder zwei jüngere, von denen einer zieht und der andre schiebt. Die gewöhnliche Arbeitszeit ist elf bis zwölf Stunden, oft länger, in Schottland bis zu 14 Stunden, und sehr häufig wird doppelte Zeit gearbeitet, sodass sämtliche Arbeiter 24, ja nicht selten 36 Stunden hintereinander unter der Erde und in Tätigkeit sind. Feste Stunden für Mahlzeiten sind meist unbekannt, sodass die Leute essen, wenn sie Hunger und Zeit haben.» Friedrich Engels, 1845 «Wer aber kann auch verkennen, wie sehr eine zweckmässige Beschäftigung der Kinder einerseits dem müssigen Umherlaufen und Betteln entgegenwirke, andrerseits durch angemessene Vermehrung des Verdienstes den Wohlstand der Arbeiterfamilie erhöhe und das wirksamste Gegenmittel gegen ein Überhandnehmen des ledigen Standes darbiete?» Brockhaus-Lexikon, 1844 12 Industrialisierung industrielle Revolution 9. Folgen der Industrialisierung: Wohnsituation Aufgabe a) Folgende Fragen sollen in der These beantwortet werden: Wie entsteht die Wohnungsnot? Wie sieht die Wohnsituation für eine durchschnittliche Arbeiterfamilie aus? Welche Massnahmen gibt es, um die Wohnsituationen zu verbessern? Was wiederum verhindert eine Verbesserung der Wohnungssituation? Ein Deutscher Politiker beschreibt 1890 die Wohnsituation einer Arbeiterfamilie: «Der [Außer einem Bett fand sich] nur wenig ärmlicher Hausrat in dem unwohnlichen Raum. Auf der kleinen eisernen Kochmaschine standen ein paar Töpfe den einzigen Tisch bedeckten ein paar Teller und Gläser, Zeitungsblätter, Kamm, Bürste, Seifenschale . und andere Gegenstände. Der geringe Kleidervorrat der Familie hing an den Wänden; ein paar verblasste Familienbilder und ungerahmte Holzschnitte aus einer illustrierten Zeitung bildeten den einzigen Schmuck. Außer der Frau und ihrem Manne lebten in dieser Küche noch drei Kinder . In der Wohnung hausten sie schon über sechs Monate: Das sogenannte „Zimmer war abvermietet worden, die Küche kostete ihnen danach noch ungefähr 8 bis 9 Mark im Monat. Wie die Familie schlief? Mann und Frau in dem einzigen Bett. Die Kinder wurden auf ausgebreiteten Kleidungsstücken untergebracht und durften erst dann ins Bett kriechen, wenn Vater und Mutter — gewöhnlich vor 5 Uhr morgens — aufgestanden waren. Den ganzen Hausstand musste das 14-jährige Mädchen besorgen, das stundenweise als Ausläuferin (Botin) beschäftigt war.» Aus: J. Flemming u. a. (Hg.), Quellen zur Alltagsgeschichte der Deutschen, 1997 Wer Glück hatte, der arbeitete in einer Fabrik, dessen Besitzer für seine Arbeiter günstige Arbeiterwohnungen bauen liess. Diese bestanden meist aus einem oder zwei Zimmern, in welchen ganze Familien wohnten. Eine Toilette gab es im Glücksfall ein Mal auf zwei Etagen. In Berlin gab es 1895 über 27 00 solcher Einzimmerwohnungen, in denen jeweils sechs oder mehr Personen lebten. 13 Industrialisierung industrielle Revolution 10. Antworten auf die Soziale Frage Aufgabe a) Die Missstände, welche sich im Zuge der Industrialisierung offenbarten, wurden zunehmend zu einem ernsten Problem für die Arbeiterklasse. Welche Möglichkeiten haben Sie als einfacher Arbeiter, sich im Betrieb oder gar politisch zur Wehr zu setzen? Die untenstehenden Bilder geben ihnen Hinweise auf die Antwort(en) der Sozialen Frage. 1 2 3 4 14