Arbeitsblatt: Balladen

Material-Details

keine
Deutsch
Leseförderung / Literatur
10. Schuljahr
9 Seiten

Statistik

181792
824
8
13.06.2018

Autor/in

Helmut Volken
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Der Knabe im Moor schaurig ist, übers Moor zu gehn, wenn es wimmelt vom Heiderauche, sich wie Phantome die Dünste drehn und die Ranke häkelt am Strauche, unter jedem Tritte ein Quellchen springt, wenn aus der Spalte es zischt und singt schaurig ist, übers Moor zu gehn, wenn das Röhricht knistert im Hauche! Fest hält die Fibel das zitternde Kind und rennt, als ob man es jage, hohl über die Fläche sauset der Wind Was raschelt drüben am Hage? Das ist der gespenstische Gräberknecht, der dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind! hinducket das Knäbelein zage. Vom Ufer starret Gestumpf hervor, unheimlich nicket die Föhre. Der Knabe rennt, gespannt das Ohr, durch Riesenhalme wie Speere; Und wie es rieselt und knittert darin, das ist die unselige Spinnerin, das ist die gebannte Spinnlenor, die den Haspel dreht im Geröhre! Voran, voran, nur immer im Lauf, Voran als woll es ihn holen; vor seinem Fuße brodelt es auf, es pfeift ihm unter den Sohlen wie eine gespenstische Melodei; Das ist der Geigenmann ungetreu, das ist der diebische Fiedler Knauf, der den Hochzeitsheller gestohlen! Da birst das Moor, ein Seufzer geht hervor aus der klaffenden Höhle; Weh, weh, da ruft die verdammte Magret: Ho, ho, meine arme Seele! Der Knabe springt wie ein wundes Reh, wär nicht Schutzengel in seiner Näh, seine bleichenden Knöchelchen fände spät ein Gräber im Moorgeschwele. Da mählich gründet der Boden sich, und drüben, neben der Weide, die Lampe flimmert so heimatlich, der Knabe steht an der Scheide. Tief atmet er auf, zum Moor zurück noch immer wirft er den scheuen Blick: Ja, im Geröhre war fürchterlich, schaurig war in der Heide! Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) Nis Randers Krachen und Heulen und berstende Nacht, Dunkel und Flammen in rasender Jagd Ein Schrei durch die Brandung! Und brennt der Himmel, so sieht mans gut: Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut; Gleich holt sichs der Abgrund. Nis Randers lugt und ohne Hast Spricht er: »Da hängt noch ein Mann im Mast; Wir müssen ihn holen.« Da faßt ihn die Mutter: »Du steigst mir nicht ein! Dich will ich behalten, du bliebst mir allein, Ich wills, deine Mutter! Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn; Drei Jahre verschollen ist Uwe schon, Mein Uwe, mein Uwe!» Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach! Er weist nach dem Wrack und spricht gemach: »Und seine Mutter?« Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs: Hohes, hartes Friesengewächs; Schon sausen die Ruder. Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz! Nun muß es zerschmettern.! Nein, es blieb ganz!. Wie lange? Wie lange? Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer Die menschenfressenden Rosse daher; Sie schnauben und schäumen. Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt! Eins auf den Nacken des andern springt Mit stampfenden Hufen! Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt! Was da? Ein Boot, das landwärts hält Sie sind es! Sie kommen! Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt. Still ruft da nicht einer! Er schreits durch die Hand: »Sagt Mutter, ist Uwe!« von Otto Ernst (1862-1925) Der Erlkönig Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind; Er hat den Knaben wohl in dem Arm, er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlenkönig, mit Kron und Schweif! Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. -! Du liebes Kind, komm geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel ich mit dir, Manch bunte Blumen sind an dem Strand, meine Mutter hat manch gülden Gewand. Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht was Erlenkönig mir leise verspricht? Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind; In dürren Blättern säuselt der Wind. Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Meine Töchter sollen dich warten schön; meine Töchter führen den nächtlichen Reihn, und wiegen und tanzen und singen dich ein. Mein Vater, mein Vater und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düsteren Ort? Mein Sohn, mein Sohn! Ich seh es genau! Es scheinen die alten Weiden so grau! Ich liebe dich! Mich reizt deine schöne Gestalt; und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt. Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan! Den Vater grauset, er reitet geschwind, er hält in den Armen das ächzende Kind, erreicht den Hof mit Müh und Not; in seinen Armen das Kind war tot. Johann Wolfgang von Goethe Der Zauberlehrling Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister auch nach meinem Willen leben. Seine Wort und Werke merkt ich und den Brauch, und mit Geistesstärke tu ich Wunder auch. Walle! walle manche Strecke, daß, zum Zwecke, Wasser fließe und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße. Und nun komm, du alter Besen, nimm die schlechten Lumpenhüllen! Bist schon lange Knecht gewesen: nun erfülle meinen Willen! Auf zwei Beinen stehe, Oben sei ein Kopf, Eile nun und gehe mit dem Wassertopf! Walle, walle manche Strecke, daß, zum Zwecke, Wasser fließe und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße. Seht, er läuft zum Ufer nieder, Wahrlich! ist schon an dem Flusse, Und mit Blitzesschnelle wieder ist er hier mit raschem Gusse. Wie das Becken schwillt! Wie sich jede Schale voll mit Wasser füllt! Stehe! stehe! denn wir haben deiner Gaben vollgemessen! Ach, ich merk es! Wehe! wehe! hab ich doch das Wort vergessen! Ach, das Wort, worauf am Ende er das wird, was er gewesen. ach, er läuft und bringt behende! Wärst du doch der alte Besen! Immer neue Güsse bringt er schnell herein, ach, und hundert Flüsse stürzen auf mich ein. Nein, nicht länger kann ich lassen: Will ihn fassen. Das ist Tücke! Ach, nun wird mir immer bänger! welche Miene! welche Blicke! O, du Ausgeburt der Hölle! Soll das ganze Haus ersaufen? Seh ich über jede Schwelle doch schon Wasserströme laufen. Ein verruchter Besen, der nicht hören will! Stock, der du gewesen, steh doch wieder still! Willsts am Ende gar nicht lassen? Will dich fassen, will dich halten und das alte Holz behende mit dem scharfen Beile spalten. Seht, da kommt er schleppend wieder! Wie ich mich nur auf dich werfe? Gleich, Kobold, liegst du nieder. Krachend trifft die glatte Schärfe. Wahrlich, brav getroffen! Seht, er ist entzwei! Und nun kann ich hoffen, und ich atme frei! Wehe! wehe! Beide Teile stehn in Eile schon als Knechte völlig fertig in die Höhe! Helft mir, ach! ihr hohen Mächte! Und sie laufen! Naß und nässer wird im Saal und auf den Stufen; Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister! hör mich rufen! Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los! In die Ecke, Besen! Besen! seid gewesen. Denn als Geister ruft euch nur, zu seinem Zwecke, erst hervor der alte Meister. Johann Wolfgang von Goethe Silvesternacht Das Dorf ist still, still ist die Nacht, Die Mutter schläft, die Tochter wacht, Sie deckt den Tisch, sie deckt für zwei, Und sehnt die Mitternacht herbei. Wem gilt die Unruh? wem die Hast? Wer ist der mitternächtge Gast? Ob ihr sie fragt, sie kennt ihn nicht, Sie weiß nur, was die Sage spricht. Die spricht: Wenn wo ein Mädchen wacht Um zwölf in der Silvesternacht, Und wenn sie deckt den Tisch für zwei, Gewahrt sie, wer ihr Künftger sei. Und hätt ihn nie gesehn die Maid, Und wär er hundert Meilen weit, Er tritt herein und schickt sich an, Und isst und trinkt, und scheidet dann. – Zwölf schlägt die Uhr, sie horcht erschreckt, Sie wollt, ihr Tisch wär ungedeckt, Es überfällt sie Angst und Graun Sie will den Bräutigam nicht schaun. Fort setzt der Zeiger seinen Lauf, Niemand tritt ein, sie atmet auf, Sie starrt nicht länger auf die Tür, – Herr Gott, da sitzt er neben ihr. Sein Aug ist glüh, blass sein Gesicht, Sie sah ihn all ihr Lebtag nicht, Er blitzt sie an, und schenket ein, Und spricht: »Heut Nacht noch bist du mein. Ich bin ein stürmischer Gesell, Ich wähle rasch und freie schnell, Ich bin der Bräutgam, du die Braut, Und bin der Priester, der uns traut.« Er fasst sie um, ein einzger Schrei, Die Mutter hört und kommt herbei; Zu spät, verschüttet liegt der Wein, Tot ist die Tochter und – allein. Theodor Fontane Der Schatzgräber Arm am Beutel, krank am Herzen, Schleppt ich meine langen Tage. Armut ist die größte Plage, Reichtum ist das höchste Gut! Und zu enden meine Schmerzen, Ging ich, einen Schatz zu graben. Meine Seele sollst du haben! Schrieb ich hin mit eignem Blut. Und so zog ich Kreis um Kreise, Stellte wunderbare Flammen, Kraut und Knochenwerk zusammen: Die Beschwörung war vollbracht. Und auf die gelernte Weise Grub ich nach dem alten Schatze Auf dem angezeigten Platze: Schwarz und stürmisch war die Nacht. Und ich sah ein Licht von Weitem, Und es kam, gleich einem Sterne, Hinten aus der fernsten Ferne, Eben als es zwölfe schlug. Und da galt kein Vorbereiten. Heller ward mit einem Male Von dem Glanz der vollen Schale, Die ein schöner Knabe trug. Holde Augen sah ich blinken Unter dichtem Blumenkranze; In des Trankes Himmelsglanze Trat er in den Kreis herein. Und er hieß mich freundlich trinken; Und ich dacht: Es kann der Knabe Mit der schönen, lichten Gabe Wahrlich nicht der Böse sein. Trinke Mut des reinen Lebens! Dann verstehst du die Belehrung, Kommst mit ängstlicher Beschwörung Nicht zurück an diesen Ort. Grabe hier nicht mehr vergebens! Tages Arbeit! Abends Gäste! Saure Wochen! Frohe Feste! Sei dein künftig Zauberwort. Johann Wolfgang von Goethe Loreley Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Die Luft ist kühl und es dunkelt, Und ruhig fließt der Rhein; Der Gipfel des Berges funkelt Im Abendsonnenschein. Die schönste Jungfrau sitzet Dort oben wunderbar, Ihr goldnes Geschmeide blitzet, Sie kämmt ihr goldnes Haar. Sie kämmt es mit goldnem Kamme, Und singt ein Lied dabey; Das hat eine wundersame, Gewaltige Melodey. Den Schiffer, im kleinen Schiffe, Ergreift es mit wildem Weh; Er schaut nicht die Felsenriffe, Er schaut nur hinauf in die Höh. Ich glaube, die Wellen verschlingen Am Ende Schiffer und Kahn; Und das hat mit ihrem Singen Die Loreley getan. Heinrich Heine