Arbeitsblatt: TRANSGENDER

Material-Details

Kurzbeschrieb und Artikel aus NZZ
Lebenskunde
Anderes Thema
8. Schuljahr
2 Seiten

Statistik

192306
865
11
14.12.2019

Autor/in

Marmei (Spitzname)
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

TRANSGENDER Die Vielfalt der geschlechtlichen Merkmale Vereinigung Transsexuelle Menschen Das Geschlecht, das Geschlechtswissen, das geschlechtliche Wesen steht über allem. Darunter angesiedelt sind die geschlechtlichen Körpermerkmale (Sexus) mit Gonaden, Genitalien, Hormone, Gesichtszüge, Statur, Behaarungsmuster, der rechtliche Geschlechtseintrag und letztlich die psychosozialen Geschlechtsmerkmale (Gender), zu welchem Geschlecht fühle ich mich zugehörig, meine Kleidung, mein Verhalten, meine Sprache. Transmann: Eine Person, die sich als Mann identifiziert, obwohl ihr bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugeordnet wurde. «Endlich ganz ich selbst» Der Gynäkologe Niklaus Flütsch berät am Zürcher Triemlispital transsexuelle Menschen. Dabei kann er auf eine reiche Erfahrung zurückgreifen: Flütsch ist selber Transmann und hatte mit 45 Jahren sein Comingout. NZZ, Rebekka Haefeli, 22.02.2013 Niklaus Flütsch ist ein attraktiver Mann und ein Experte auf seinem Gebiet. Im vergangenen Herbst hat der Gynäkologe in Zug seine eigene Praxis eröffnet, daneben ist er an der Frauenklinik des Zürcher Stadtspitals Triemli beschäftigt. Hier leitet er seit gut drei Jahren die gynäkologische Sprechstunde für transsexuelle Menschen – und das mit gutem Grund. Niklaus Flütsch ist äusserlich als Mädchen zur Welt gekommen. Er kennt den Lebens- und Leidensweg von Transsexuellen aus eigener Erfahrung. Ständige Zerrissenheit «Ich war etwa vier Jahre alt, als mir zum ersten Mal bewusst wurde, dass ich mit den falschen Geschlechtsorganen zur Welt gekommen bin», berichtet er im Buch «Die Geschichte der Seele – Transmenschen erzählen», das vor kurzem im ElsterVerlag erschienen ist. In seinem kindlichen Denken, so Flütsch, sei er überzeugt gewesen, dass man das korrigieren könne. «Ich liess mir die Haare bubenhaft kurz schneiden, in der Hoffnung, dass mir deswegen ein Penis wächst. Leider wurde ich vom Leben eines Besseren belehrt.» Alles in allem sei seine Kindheit aber zunächst unbeschwert verlaufen, erinnert sich Flütsch weiter. Er sei von seinen Eltern sehr fortschrittlich erzogen worden. «Darum hielten sich die Probleme mit meinem Anderssein in Grenzen.» Erst mit den körperlichen Veränderungen in der Pubertät habe er seiner Weiblichkeit nicht mehr ausweichen können. Wegen psychischer Probleme habe er sich eine Zeitlang behandeln lassen. Bis er der Ursache auf den Grund kam, sollte es noch eine Weile dauern: «Das Phänomen Transsexualität oder Transidentität, wie es korrekter heisst, begegnete mir erst später im Medizinstudium.» Flütsch stürzte sich in die Arbeit, trieb viel Sport und begann, sich für Spirituelles und Meditation zu interessieren. Die eigene körperlich-seelische Zerrissenheit konnte er damit aber nicht verdrängen. Mit 45 Jahren entschloss er sich zum Comingout als Transmann, es folgten Operationen und Hormonbehandlungen. Angst und Unverständnis In dieser Zeit entschied sich Flütsch, aus der Gemeinschaftspraxis, in der er damals als Gynäkologe tätig gewesen war, auszuscheiden. Er nahm eine Stelle als Oberarzt an der Frauenklinik des Zürcher Stadtspitals Triemli an. «Wir haben ihn als Mann kennengelernt», sagt die Chefärztin der Frauenklinik, Stephanie von Orelli. Flütsch habe zunächst dieselben Aufgaben wie alle andern Gynäkologen übernommen; dazu gehören Geburtshilfe, gynäkologische Kontrollen und Operationen. Nach einigen Monaten habe er von sich aus die Idee geäussert, eine niederschwellige gynäkologische Sprechstunde für transsexuelle Menschen aufzubauen. Sie habe der Initiative sofort zugestimmt, sagt von Orelli. «Die Sprechstunde entwickelte sich schon nach kurzer Zeit zum Renner.» Die Angebote für transsexuelle Menschen am Universitätsspital Zürich habe man damit nicht konkurrenzieren wollen, sagt von Orelli. «Wir sehen unsere Sprechstunde als Ergänzung. Der Bedarf nach Beratung ist gross.» Flütsch ergänzt, auf der einen Seite hätten viele praktizierende Ärzte und Ärztinnen Angst, sich mit Transsexualität beziehungsweise Transidentität auseinanderzusetzen. Zudem fehle den meisten die Erfahrung. Auf der anderen Seite fühlten sich Betroffene von den Ärzten oft unverstanden oder seien zu gehemmt, um überhaupt eine Praxis aufzusuchen. «Ich gehe davon aus, dass deshalb viele von ihnen ärztlich unterversorgt sind.» In der Sprechstunde am Stadtspital Triemli in Zürich und in seiner eigenen Praxis in Zug behandelt er mittlerweile rund hundert Betroffene aus der ganzen Schweiz und aus Süddeutschland. Dabei gehe es häufig um sehr viel mehr als nur um medizinische Themen, erzählt Flütsch. «Viele der Betroffenen tragen eine Menge Ballast mit sich herum. Sie haben Probleme mit ihrem Comingout im Privatleben oder am Arbeitsplatz, stellen Fragen zu möglichen Operationen oder zu Hormonbehandlungen. Andere brauchen rechtliche Beratung oder Unterstützung bei schwierigen Verhandlungen mit ihrer Versicherung.» Einheit von Körper und Seele Niklaus Flütsch hält fest, er wolle mit seinem Beitrag im Buch dem Thema Transidentität zu mehr Akzeptanz verhelfen. «Unsere Anliegen sind in unserer Gesellschaft immer noch zu stark tabuisiert. Wenn wir daran etwas ändern wollen, müssen wir selber die Kastanien aus dem Feuer holen.» Nun, da er jetzt endlich auch äusserlich ein Mann sei, passe sein Körper zu seiner Seele. In diesem Sinne sei es für ihn unwichtig geworden, sich einem Geschlecht zuordnen zu können. Im Buch sagt Flütsch dazu: «Ich habe mich nie als Frau gefühlt und fühle mich jetzt nicht als Mann. Dafür bin ich endlich ganz ich selbst.» Das Buch «Das Geschlecht der Seele – Transmenschen erzählen» vereint Text- und Bildporträts mehrerer Transsexueller und zeigt deren unterschiedliche Lebensentwürfe. Von Ursula Markus (Fotografie) und Tanja Polli (Text), Elster-Verlag, Fr. 39.80.