Arbeitsblatt: Leseverständnis drei Wünsche

Material-Details

Leseverständnis inkl. Wortschatz
Deutsch
Textverständnis
6. Schuljahr
2 Seiten

Statistik

193365
2526
143
06.02.2020

Autor/in

Carole Simonet
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Drei Wünsche (Textverständnis) 1 2 3Ein junges Ehepaar lebte vergnügt und glücklich zusammen und hatte den 4einzigen Fehler, der in jeder menschlichen Brust daheim ist: Wenn man es gut 5hat, dann hätte man es gerne noch besser. Aus diesem Fehler entstehen so 6viele törichte Wünsche, und daran fehlte es unserem Hans und seiner Liese 7nicht. Bald wünschten sie sich die Äcker der Familie Schulz, bald das Geld des 8Löwenwirts, bald des Meyers Haus und Hof und Vieh, bald einmal 9hunderttausend Millionen Taler kurzweg. 10Eines Abends aber, als sie friedlich am Ofen sassen und Nüsse aufklopften kam 11durch die Kammertür ein weisses Weiblein herein, nicht mehr als eine Elle lang, 12aber wunderschön, und die ganze Stube war voll Rosenduft. Das Licht löschte 13aus, aber ein Schimmer wie zartes Morgenrot strahlte von dem Weiblein aus 14und überzog alle Wände. Zuerst erschrak unser gutes Ehepaar, es erholte sich 15doch bald wieder, als das kleine Fräulein mit wundersüsser, silberreiner Stimme 16sprach: „Ich bin eure Freundin, die Bergfee Gundula, die im kristallenen Schloss 17mitten in den Bergen wohnt. Ich streue mit unsichtbarer Hand Gold in den 18Rheinsand und über siebenhundert Geister gehorchen meinen Befehlen. Drei 19Wünsche dürft ihr tun; drei Wünsche werden euch daraufhin erfüllt. Hans 20drückte den Ellenbogen an den Arm seiner Frau, als ob er sagen wollte: Das 21klingt nicht übel. Seine Frau hingegen war schon im Begriff, ihren Mund zu 22öffnen und etwas von ein paar Dutzend goldbestickten Kappen, seidenen 23Halstüchern und dergleichen zur Sprache zu bringen, als die Bergfee sie mit 24erhobenem Zeigefinger warnte: „Acht Tage lang, sagte sie, „habt ihr Zeit. 25Überlegt euch eure Wünsche gut und übereilt ja nichts. Das ist eine gute Idee, 26dachte der Mann und legte seiner Frau die Hand auf den Mund. Das 27Bergfräulein aber verschwand. Die Lampe brannte wie vorher, aber statt des 28Rosendufts zog eine Rauchwolke von der Öllampe in der Ecke durch die ganze 29Stube. 30So glücklich unser Paar nun auch war, so übel waren sie doch dran. Vor lauter 31Ideen wussten sie nicht, was sie sich wünschen sollten, sie hatten kaum den 32Mut, richtig über ihre Wünsche nachzudenken geschweige denn, davon zu 33sprechen, aus Furcht, es möchte sofort für gewünscht passieren, ehe sie es sich 34genug überlegt hätten. „Nun, sagte die Frau, „wir haben ja noch Zeit bis am 35Freitag. 36Am andern Abend, während die Röschti zum Nachtessen in der Pfanne 37brutzelte, standen beide, Mann und Frau, vergnügt am Feuer und sahen zu, wie 38kleine Flammen an der russigen Pfanne hin und her züngelten. Beide träumten 39von ihrem künftigen Glück. Als sie in ihren Tellern die wunderbar goldbraune 40Röschti anrichteten, und ihnen der Geruch lieblich in die Nase stieg, sagte die 41Frau in aller Unschuld und ohne an etwas anderes zu denken: „Wenn wir jetzt 42ein gebratenes Würstlein dazu hätten Oh weh, da war der erste Wunsch 43getan. Schnell wie ein Blitz erhellten sich die Wände wieder wie im Morgenrot, 44Rosenduft machte sich breit, und auf der Röschti lag die schönste Brat- 45wurst. Wie gewünscht, so war es geschehen. Wer sollte sich über einen solchen 46Wunsch und seine Erfüllung nicht ärgern? Welcher Mann würde da nicht böse 47über eine solche Unvorsichtigkeit seiner Frau? „Wenn dir doch nur die Wurst an 48der Nase angewachsen wäre, sprach auch er in aller Unschuld und ohne lange 49darüber nachzudenken. Und wie gewünscht, so wars geschehen. Kaum war 50das letzte Wort gesprochen, so sass die Wurst an der Nase des guten Weibes 51fest, wie angewachsen im Mutterleib, und hing zu beiden Seiten hinab wie ein 52Schnauzbart. 53Nun war die Not der armen Eheleute gross. Zwei Wünsche waren bereits getan 54und vorüber und noch waren sie um keinen Taler und um kein Weizenkorn, 55sondern nur um eine böse Bratwurst reicher. Noch war ein Wunsch übrig, aber 56was half nun aller Reichtum und alles Glück, wenn die arme Frau nun fortan so 57herumlaufen musste? Wohl oder übel mussten sie die Bergfee bitten, mit 58unsichtbarer Hand der Frau Liese die Wurst wieder von der Nase zu zaubern. 59Die armen Eheleute sahen sich gegenseitig an, sie waren immer noch derselbe 60Hans und dieselbe Liese, nichts hatten sie gewonnen und die schöne Bergfee 61kam niemals wieder. 62Nun merke: Wenn dir einmal die Bergfee erscheinen sollte, so sei nicht geizig, 63sondern wünsche dir: 64Verstand, damit du weisst, was du dir wünschen sollst, um glücklich zu 65werden. Und solltest du trotzdem etwas wählen, was sehr unklug wäre, so 66wünsche dir Zufriedenheit und keine Reue über etwas, was Du falsch gemacht 67hast. Merke dir auch: 68Es hilft nichts, einen Haufen Gelegenheiten zu haben, glücklich zu werden, 69wenn man nicht genügend Grips hat, etwas Kluges daraus zu machen. Frei nach Johann Peter Hebel