Arbeitsblatt: John Giaever: Ein Schlittenhund und zwei Menschen

Material-Details

Kurzgeschichte: Zwei Menschen pflegen unterschiedliche Beziehungen zu ihren Hunden
Deutsch
Textverständnis
8. Schuljahr
5 Seiten

Statistik

194082
1199
34
10.03.2020

Autor/in

Danielle Wenger
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Deutsch Texte lesen Schlittenhund John Giaever: Ein Schlittenhund und zwei Menschen Liss trabte mit schlaffer Leine vor dem Schlitten her. Sie dachte nicht daran zu ziehen, während die anderen Hunde des Gespanns sich so ins Zeug legten, dass in der frostklaren Luft eine weisse Dampfwolke über ihnen stand. Die anderen, das waren 5Trym, Storm, Bamse und Geisha, und die vier gehörten zu den fröhlichsten Zughunden des Polarlandes. Sie brachen am Morgen im wilden Galopp auf, trabten tagsüber schon gleichmäßig dahin und legten ihre ganze Kraft in einen rasenden Endspurt, sobald sie in der Abenddämmerung eine neue Fanghütte witterten. Liss war von anderer Art. Sie lief nur mit und gab sich nicht einmal den Anschein, als 10ob sie arbeite, wie das so mancher andere Faxenmacher zu tun pflegt. Liss faulenzte ganz unverhohlen. Schade, dachte der Mann auf dem Schlitten. Er hiess Henry und war ein alter Tierfänger und Hundefahrer. Schade, dass man mit einem so schönen Hund eine solche Enttäuschung erleben muss! 15Denn Liss war schön, glänzend schwarz mit weisser Brust und weissen Pfoten. Eine kleine Dame im Sonntagsstaat. Sie war gut gebaut und hatte herrliche Bewegungen. Eine kleine grönländische Schönheit, aber ohne die rechte Laune, dachte Henry. Nicht gerade träge und verschlafen, aber viel zu ernst. Ein junger Hund von knapp einem Jahr hat fröhlich und verspielt zu sein. 20Henry war ein Mann mit einer einfachen Lebensphilosophie. Er arbeitete und schuftete hart und verlangte dasselbe von den anderen Menschen und den Hunden. Das war gleichsam eine Forderung, die das Polarleben an Tier und Mensch stellte. Ob Moschusochse, Renntier, Hase oder Wiesel, die das welke Gras unter dem Schnee hervorscharren müssen, ob Fuchs, Wolf oder Bär, die ihrer Beute meilenweit 25nachjagen, oder das Schneehuhn, das von einer aperen Stelle zur anderen fliegt, um die dürren Knospen der Polarweide zu pflücken: Alle fuhren sie einen harten Kampf um ein karges Dasein in der arktischen Wildnis. Und das hatte auch Henry gelernt. Deshalb ärgerte es ihn, mit ansehen zu müssen, wie Liss im Geschirr faulenzte. Eine widerliche Sache, fand er. 30„Aber nun, meine schöne Dame, hast du eine ehrliche Chance gehabt zu beweisen, wofür du taugst. Man sagt von Henry Wold, dass er seine Hunde nie schlägt, aber es soll ihm keiner nachsagen können, er sei den ganzen Winter mit einem launischen Luxushund vor seinem Schlitten umherkutschiert. Du bekommst noch eine Frist bis zum zwanzigsten Januar, bis wir bei unserem Freund Nils Bakke am Kap James sind. 35Wenn du dich bis dahin nicht gebessert hast, machen wir Fausthandschuhe aus deinem Fell. Schade wäre es freilich trotz allem. Niemand weiss, was ein Hund denkt. Vielleicht dachte Liss überhaupt nichts, wenn sie vor dem Schlitten hersprang und die Leine hinter ihr schlaff durchhing. Von einem Schlittenhund verlangt man ja keine grosse Gehirntätigkeit. Er ist dazu da, dass er 40zieht, und er tut gern. Ausserdem befindet sich hinten auf dem Schlitten ein Wille, der das Nötige bestimmt. Es kommt jedoch vor, dass plötzlich unter den Schlittenhunden eine Persönlichkeit steht. Dazu braucht es keinen ungewöhnlichen Verstand — nur Charakter. Vor kurzem noch war Liss eine verspielte, zutrauliche Welpe gewesen und hatte gern 45gesungen. Wenn ihr das Herz vor Freude überging oder vielleicht auch der Magen leer war, wenn die Mücken zu lästig waren oder die Schneeammer, die sie jagte, sich nicht fangen liess, dann setzte sie sich auf ihr Hinterteil und jaulte vor Freude, Zorn oder Kummer. Sie sang schrill und falsch, wie die meisten Welpen, aber mit desto mehr Gefühl. D. Wenger-Oetiker 2pq/2014 Deutsch Texte lesen Schlittenhund 50Auf Henrys Station am Copelandsfjord war es jedoch nicht erlaubt zu singen. Die Hunde hatten die Schnauze zu halten, und das wurde ihnen früh genug beigebracht. Auch Liss musste es lernen. Sie hielt ihre Zunge im Zaum und schwieg still. Doch damals wurde sie so ernst. Ein Hund hat natürlich einen Willen und eine Seele. Im übrigen aber wissen wir nicht 55viel über ihn. Deshalb kann wohl auch niemand die Veränderung erklären, die Liss durchmachte. Der ganze Henry Wold liess sie einfach kalt. Sie frass sein Futter und trank von dem Wasser, das er ihr gab. Sonst aber war er ein unwichtiges Geschöpf auf zwei komischen dicken Beinen. Vielleicht passte es Liss nicht, plötzlich eine sonnige Laune an den Tag zu legen und 60mit dem Schwanz zu wedeln, bloss weil der Mann gerade einmal in der Stimmung war, mit ihr zu spielen und sie zu streicheln. Man verlangt ja von einem Hund, dass er für solche Aufmerksamkeiten dankbar ist, selbst wenn man ihn aus dem tiefsten Schlaf aufgescheucht hat. Doch Liss reagierte überhaupt nicht. Sie sass still und ernst da und liess sich streicheln. Und schliesslich zeigte es sich, dass sie auch nichts davon hielt, 65den Schlitten zu ziehen. Das war merkwürdig: ein Grönländer, der sich nicht sofort mit gekrümmtem Rücken und wedelndem Schwanz ins Geschirr wirft — also eine beklagenswerte Ausnahme von der Regel. Vielleicht eine starrsinnige, selbständige kleine Dame, stur und trotzig; vielleicht aber auch nur klug und charakterfest. Eine, die sich einfach weigert, den Forderungen des Landes, ihrer Rasse und der Menschen 70gerecht zu werden. Henry grübelte lange darüber nach. „Entweder bist du dumm, sagte er, „oder zu gescheit. Doch ich bin nicht nach Grönland gekommen, um solche Probleme zu lösen. Das eine oder das andere wird wohl sein, und einstweilen kannst du ruhig die Sphinx spielen. Henry erreichte Kap James, wie vorausgesagt, am zwanzigsten Januar. Nils und er 75sassen den ganzen Abend beisammen und schwatzten. Auf diesen Breitengraden ist es ein Erlebnis einen Menschen zu treffen. Und zuletzt war es so weit, dass Henry sein Urteil über Liss fällte. Nun sollte also alles ein Ende haben. „Willst du mir den Gefallen tun und das Nötige unternehmen, sobald ich morgen wieder abgefahren bin? Henry war ein wenig nachdenklich und starrte zur Decke 80hinauf. „Um die Wahrheit zu sagen: schön finde ich es nicht. Irgendwie ist es nicht recht. Siehst du, der Hund ist ja in jeder anderen Hinsicht ein Musterstück. Ich ahne, dass da irgendwas nicht stimmt, aber ich komme damit nicht klar. Also muss es wohl sein. Du tust es doch für mich, wie? Du kennst sie ja nicht. Nils antwortete nicht gleich. Die Sache war nämlich die, dass er noch einen Hund 85brauchte. Er hatte nur drei, und sein Distrikt war schwer zu befahren. Hier an der Küste schichtete sich im Winter das Eis oft auf und zwang ihn, über kahle, sturmgepeitschte Berge zu fahren. Ein Hund mehr im Gespann würde bedeuten, dass er sich nicht mehr selber mit Schnaps, Maggie und Buster zusammen vor den Schlitten zu spannen brauchte. Aber er kannte Henry. Der war störrisch wie ein alter 90Esel. Man konnte ihm höchstens mit einer List beikommen. „Naja, antwortete Nils. „Aber hast du dir das auch wirklich gut überlegt? Ich hätte Lust, es mit dem Vieh zu versuchen. Du bekommst einen Eisfuchs dafür. Ich nehme das Risiko auf mich. Unter Polarleuten ist es fast eine Beleidigung, durchblicken zu lassen, ein Hundefahrer 95könnte bei der Dressur einen Fehler begangen haben, und noch taktloser ist es anzudeuten, dass man es selbst besser gemacht hätte. Es haben sich schon aus geringerem Anlass Männer im Mondschein geprügelt. Henrys Gesicht lief auch vor Zorn rot an. „Nie im Leben, sagte er abgehackt. D. Wenger-Oetiker 2pq/2014 5Deutsch Texte lesen Schlittenhund „Naja, aber es ist nun einmal so, dass ich hier im Gebirge auf alle Fälle noch einen 100Hund brauche. Das weisst du ja selbst. Und bevor ich sie erschiesse, könntest du michs doch versuchen lassen. Wenn der Hund in Ordnung wäre, würdest du ihn mir bestimmt gegeben haben, wenn ich dich darum gebeten hätte. Sie kann sich noch herausmachen, hier wo sie fremd ist — wer weiss? Ein Hund hat mehr in seinem Schädel, als du und ich sagen können. 105„Ja, das ist wohl wahr. Du brauchst noch einen Hund? Nun, das ist was anderes. Du wirst bestimmt bloss Ärger mit ihr haben, aber du kannst es ja versuchen . Unter zwei Bedingungen. „Und die wären? „Erstens musst du versprechen, dass du sie nie schlägst. 110„Das verspreche ich. „Und zweitens wollen wir mit der Bezahlung so halten: Wenn du den Hund abrichten kannst, gebe ich dir einen Eisfuchs. Wenn dir die Dressur aber nicht gelingt, nehme ich mir den schönsten Blaufuchs, der im April in deiner Fellkammer hängt. Einverstanden? 115„Abgemacht! sagte Nils. Polarnacht. Klirrende Kälte, dass es in den Hüttenwänden knackt. Die Flut schichtet das Eis auf, und den Strand entlang hallen die unheimlichsten Laute — Jammern, Stöhnen, Klagen und Getöse, und ab und zu blubbert es wie in einem Riesenkochtopf. Unter den Sternen spritzt das Nordlicht von Berg zu Berg. Ein verwunschenes 120Traumland liegt da glitzernd im blauen Mondlicht. Maggie erwacht im Schnee. Sie erhebt sich auf steifen Beinen, streckt sich, gähnt klagend und schüttelt sich kräftig. Dann sitzt sie da und wittert in den kalten Wind, der aus dem Osten, vom Meer her kommt. Sie horcht auf das Krachen des Eises, sie sieht den Mond an. 125Wenn Maggie den Mond betrachtet, wird sie melancholisch. Das liegt bei ihr in der Familie. Sie wirft den Kopf mit einem Ruck in die Luft. „Uhuu! sagt sie schwermütig und sitzt still. Aber der Mond ist noch genauso gelb und leuchtet ohne Wärme. „Uhuu! heult sie bekümmert. Auch das hilft nichts. Da senkt sie die Schnauze tief auf den Schnee nieder und hebt sie langsam wieder, 130bis sie genau in den Himmel zeigt. Das Heulen beginnt im tiefen Bass, steigt höher und höher, und als die Schnauze senkrecht steht, liegt es stetig und unbeirrbar auf ihrer individuellen Tonhöhe. Es ist ein tiefer, langer und unendlich weicher Ton. Schnaps und Buster fahren aus dem Schlaf. Ja freilich, nun wird gesungen! Hurtig und munter setzen sie sich zurecht, beeilen sich, ihre Schnauzen in die richtige Stellung zu 135bringen und in Gang zu kommen: Uhü, uhuu, uhuuuhuuuü, huu-hu — uuuuuuuu . Na endlich! Nachtgesang — ruhig, weich und eintönig, phantastisch und entrückt. Die meisten Menschen hassen ihn, aber manch einer liebt ihn, weil dieser Gesang in den wenigen mondblauen Polarnächten so wild und zugleich so märchenhaft unirdisch ist. 140Auch die beiden Männer wachen auf und horchen. „Hol der Henker!, sagt Henry. „Jetzt ist die Nacht beim Teufel. Dass du sie so grölen lässt! Nun hör dir bloss diese Schweinepelze an! „Ja, hör nur, sagt Nils und lächelt. „Ist das nicht wunderbar? Henrys Hunde krochen näher zusammen und blieben im Schnee liegen. Es sollte 145keiner sagen können, sie hätten mit dieser Verrücktheit etwas zu schaffen, so sehr sie auch Lust hatten, mitzusingen. Nur Liss sass aufgerichtet da, den Kopf auf die Seite D. Wenger-Oetiker 2pq/2014 Deutsch Texte lesen Schlittenhund gelegt. Sie hörte nur zu, aber wer weiss, was in ihr vorging. Wir müssen wohl annehmen, dass der neue Mensch Liss in Erstaunen setzte. Sie kannte bisher nur einen einzigen Menschen auf der Welt, und Henry war ein steifer, 150schweigsamer Herr. Nils hingegen sass auf dem Schlitten und schrie und sang. Die Hunde liebten ihn. Er rief sie an, und sie antworteten ihm. Manchmal hielt er an, um zu rauchen. Da drängten sie sich an ihn und wollten gestreichelt werden. Liss trottete wie gewöhnlich mit und sah zugleich neugierig und enttäuscht drein. 155So kamen sie aufs Packeis hinaus. Nils mußte vorangehen und den Weg suchen. Liss trödelte so weit hinter den andern her, daß sie neben dem Schlitten lief. Der Mann plauderte die ganze Zeit mit den Hunden. Sie folgten ihm hart auf den Fersen, und oft schnappten sie vorsichtig nach seiner Fellhose. Das war etwas ganz Neues. Liss fand die Sache immer interessanter. Sie bekam Lust, 160nach vorn zu springen und dem Manne die Schnauze in die Hand zu strecken, aber Nils ging sie nichts an, und er redete auch nicht mit ihr. Nils war das Eigentum der anderen Hunde. Er gehörte ihnen, und sie war eine Fremde. Sie begann, eifersüchtig zu werden. Am dritten Tag der Reise kamen sie an offenes Wasser unter steilen Felsen. Sie 165mußten weit landwärts ausweichen, um es auf der Westseite zu umgehen. Weiter im Norden lag Neueis unter dem Steilhang; und sie fuhren über eine spiegelblanke Fläche. Die Arbeit war ein Spiel, ein gefährliches Spiel. Aber der letzte Tagesmarsch von Kap Macken zum Kap Young ist schwer, und im Januar ist da oben im Norden der Tag nicht lang. Für ein paar Stunden nur ist der Südrand des Himmels messinggelb, 170und er verblaßt bald. Als die Dunkelheit anbrach, hatte Nils noch gute zehn Kilometer bis zur Hütte. An diesem Tage war jedoch folgendes geschehen: Nils hatte eine Rast eingelegt und saß mit einer Zigarette in der Hand auf dem Schlitten. Die Hunde lagen ausgestreckt vor ihm im Schnee und ruhten sich aus. Nur Liss saß aufrecht und sah ihn an, und 175zwar deshalb, weil Nils pfiff, so gut es mit den froststarren Lippen gehen wollte. Er war eben eine fröhliche Seele. Ab und zu sah er zu Liss hinüber. Das gefällt ihr, dachte er. Es ist so etwas wie ein Lächeln in den Augen dort. Er sagte: „Liss! und streckte ihr die Hand entgegen. Und sie kam . vorsichtig. Er streichelte ihr den Kopf und pfiff eine lustige Melodie. Nun beginnen wir, einander zu verstehen, 180dachte Nils. In ein paar Tagen liegst du stramm im Geschirr. Als sie um die Bucht fuhren, war es Nacht, und nur von dem tiefstehenden roten Mond ging ein schwacher Lichtschein aus. Aber das machte nichts, denn der schwarze Punkt dort vorn in der Ebene war die Hütte. Nils stapfte das letzte Stück voraus, um einen guten Weg zum Strand zu finden. Da brach, knapp vor dem Land, das Eis unter 185ihm und den Hunden. Er sank tief nach unten und schluckte beißend kaltes Salzwasser. Dann trieb er wieder nach oben und bekam den Rand des Eises zu fassen, konnte sich aber nicht daran hochziehen. Die Fellkleider waren steif und schwer, und die Hunde kletterten ihm auf die Schultern und drückten ihn hinunter. 190Nun ist es aus! dachte Nils. Wie lächerlich das ist, so nahe bei der Hütte und bei so schönem Wetter ersaufen zu müssen! Dort, wenige Meter entfernt, auf festem, trockenem Eis stand der Schlitten. Und dort stand auch Liss und starrte herüber. Aber was hatte er davon! Hinter ihm, im Eisloch, planschten die anderen. Er tastete den Rand des Eises nach einem Halt für die Hände 195ab und bekam eine Zugleine zu fassen. Vielleicht, vielleicht konnte er sich an ihr hochziehen. Er versuchte es vorsichtig, aber der Schlitten kam auf ihn zugerutscht. „O Herrgott! stöhnte er. D. Wenger-Oetiker 2pq/2014 Deutsch Texte lesen Schlittenhund Da begann Liss zornig zu kläffen und mit dem Schwanz zu wedeln. „Ja!, stieß Nils hervor. „Ja, Liss. Gott segne dich. Los, marsch! He, Liss, hei! 200Und Liss drehte sich um und zog. Sie hatte verstanden, und nun wollte sie auch. Sie zog aus Leibeskräften, strampelte sich ab und winselte vor Eifer. Das genügte, um den Schlitten zu halten. Nils lag auf der Pritsche und döste in der Wärme. Es roch nach feuchten, dampfenden Kleidern und nach drei klatschnassen Hunden, die ganz nahe beim Ofen saßen. Unter 205der Pritsche lag Liss und betrachtete die anderen. Sie war ja trocken. Nils schmunzelte und sah schläfrig zu den dreien hinüber. Die rösteten sich ordentlich. „Idioten, brummte er und grinste, „haben nicht begriffen. Wollten mich statt dessen auch noch ersäufen. Lausige Köter! Einzig Maggie machte winselnd einen Einwand. „Nein, freilich nicht, gab Nils zu. „Es 210war ja wirklich nicht so einfach. In so einem schwarzen, kalten Eisloch kann der Beste den Kopf verlieren. Ein Glück, daß wir beide uns nicht aus der Fassung bringen ließen, was, Liss? Er tastete mit der Hand unter der Pritsche umher, um sie zu streicheln, aber er reichte nicht ganz hinunter und war zu faul, sich hinauszubeugen. Er ließ den Arm hängen. Da 215spürte er, wie sich eine kalte Nase gegen seine Handfläche drückte und sie leckte und leckte. Nils lachte, daß es ihm nur so gluckste. „Genau das — ja, genau das war es. Nun hast du deine Wette verloren, mein lieber Henry; einen Blaufuchs hast du verloren und einen Eisfuchs und einen Hund, der 220Grütze im Kopf hat. Du hast nicht besser verdient. Nils Bakke aber wird nun fahren wie ein König, und wir werden gut haben alle miteinander. Herrgott, ist das Leben schön! Und im Grunde ists doch auch ganz einfach. Bleibt nur noch zu sagen, daß Liss ein ausgezeichneter Leithund und eine große Sängerin unter Grönlands Mond und Sternen wurde. Sie lernte später noch viele 225Menschen kennen, aber Nils Bakke stand hoch über ihnen allen. Sie war ein Hund, wie ihn Männer da oben im Polarland sich erträumen, ein Hund, wie sie ihn alle einmal haben möchten. Doch das ist nur wenigen beschieden. 10D. Wenger-Oetiker 2pq/2014