Arbeitsblatt: lesen durch schreiben

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Reichenschen Methode "Lesen durch Schreiben"
Deutsch
Anderes Thema
1. Schuljahr
437 Seiten

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26.03.2009

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Einleitung Zu „Lesen durch Schreiben gibt es mittlerweile viel Wissen, aber auch viel Halb-Wissen, NichtWissen, Missverständnisse, Vor-Urteile und sogar Verleumdungen. Daher heißt die erste Frage: Was ist „Lesen durch Schreiben? Ist es eine Methode des Schriftspracherwerbs? Ist es (Stichwort: Werkstattunterricht) eine Didaktik des Grundschulunterrichts? Ist es ein lernpsychologisches Konzept des impliziten (selbstgesteuerten) Lernens? Ist es eine pädagogische Anthropologie (oder gar Philosophie)? Peinlicherweise weiß ich es selber nicht. Wahrscheinlich spielt alles oben Aufgeführte (und noch einiges mehr) eine Rolle, ist doch das Ganze eine Mischung von „Theorie und „Praxis. Zu „Lesen durch Schreiben gibt es theoretische Begründungen, Hinweise zu einem pädagogischen Verhaltensrepertoire der LehrerInnen, praktische Empfehlungen für einen kindgemäßen Unterricht und didaktisches Material als Lernangebote für Kinder. Im Alltag benutzte ich bislang zumeist den Ausdruck „Leselehrgang, doch das ist ungenau, missverständlich oder gar falsch. Das Missverständnis kommt daher, dass man allgemein den Begriff „Leselehrgang auf das lernende Kind bezieht, während ich es an die LehrerInnen adressiert haben möchte. In der sog. „wissenschaftlichen Literatur zum Schriftspracherwerb und zum Unterricht in der Grund-schule wird „Lesen durch Schreiben zwar erwähnt, meistens aber nur mit dem ursprünglichen Kommentar-Text, der 1982 beim sabe-Verlag in Zürich veröffentlicht wurde (und der im Moment vergriffen ist). Andere aus meiner Sicht ebenso relevante Texte wie „Sachunterricht und Sach-begegnung, „Hannah hat Kino im Kopf sowie das Lernpaket „Lara und ihre Freunde scheinen in den Hochschulen nicht bekannt zu sein, jedenfalls bleiben sie im allgemeinen unerwähnt. Auch in den drei großen „Fachzeitschriften (Grundschule, Grundschulunterricht, Grundschulzeitschrift) bleibt das Thema „Lesen durch Schreiben ausgespart. Der Grundlagenband „Sachunterricht und Sachbegegnung wurde vor Jahren lediglich in der Grundschulzeitschrift rezensiert (als die Grundschulzeitschrift noch nicht zum Verlagsgiganten Klett gehörte), „Hannah hat Kino im Kopf sowie das Lernpaket „Lara und ihre Freunde wurden nirgendwo besprochen. Zwar bestehen viele weitere Veröffentlichungen zu „Lesen durch Schreiben, doch sind diese weitgehend unbekannt, weil sie in speziellen Zeitschriften erschienen, nur behördenintern kursierten oder gar nicht publiziert werden konnten. Damit Studierende (und Interessierte) nun aber trotzdem Zugang zu diesen verstreuten bzw. unveröffentlichten Aufsätzen, Interviews und Erfahrungsberichten bekommen, haben wir uns entschlossen, eine Sammlung der wichtigsten Texte hier vorzulegen. Viele dieser Texte sind älteren Datums, denn damals, als „Lesen durch Schreiben neu war, wurde darüber viel diskutiert. Inzwischen scheint „Lesen durch Schreiben allgemein bekannt, man weiß: das ist die Arbeit mit einer Anlauttabelle. Diese Verkürzung schmerzt mich, ich gebe es offen zu. „Lesen durch Schreiben ist viel mehr und im Kern etwas entscheidend anderes als „die Arbeit mit einer Anlauttabelle dies erfährt man u.a. aus den hier vorgelegten Texten, die daher nachwievor hochaktuell sind. Jürgen Reichen, August 2007 Inhalt Anmerkung Innerhalb des Zeitraums, in dem die hier versammelten Texte entstanden, wurde die deutsche Rechtschreibung „reformiert und mehrfach geändert. Zudem war und ist die Rechtschreibung in Deutschland und in der Schweiz verschieden (die Schweiz kennt z.B. kein ß). Es wäre daher zuviel Aufwand gewesen, die Texte alle auf den heutigen Stand zu bringen. Die Texte stehen hier in der Form von Rechtschreibung, die bei ihrer Entstehung gültig war. Seite Text 4 A01 1981 Reichen 14 A02 1984 Reichen 21 A03 1984 Reichen 26 A04 1986 Reichen 29 A05 1988 Reichen 35 A06 1990 Reichen 44 A07 1990 Reichen Zur „Psychologie des Erstleselehrgangs ‘Lesen durch Schreiben Zur Situation der Leseerziehung in der deutschsprachigen Schweiz Vugs und Edwi Wie kleine Kinder Schrift verwenden 51 A08 1990 Reichen Plädoyer für einen Paradigmenwechsel im Erstleseunterricht 59 A09 1990 Reichen Werkstattunterricht: Gemeinsam statt einsam lernen 66 A10 1991 Reichen 73 A11 1991 Reichen 90 A12 1992 Reichen 96 A13 1993 Reichen 99 A14 1994 Reichen „Lesen durch Schreiben in der Sonderschule: Nicht anders, als in der Regelschule anwendbar Schulversagen das Versagen der Schule oder: Warum kann Markus L. nicht lesen? „Lesen durch Schreiben der einzige Leselehrgang mit wirklich emanzipatorischem Anspruch Aus Fehlern lernen Gegen die ‘Rotstift-Kultur in der Institution Schule Werkstattunterricht: Zwischenbilanz 101 A15 1994 Reichen Wie lernen Kinder lesen? 106 A16 1994 Reichen Rettet die Mathematik macht Sachunterricht! 111 A17 1994 Reichen Einige Bemerkungen zum Thema „Hausaufgaben 113 A18 1995 Reichen Grundschule im Umbruch 119 A19 1996 Reichen 140 A20 1998 Reichen „Lesen durch Schreiben im Werkstattunterricht Ein pädagogisch-didaktischer Beitrag zum Hessischen Modellversuch „Neukonzeption des Schulanfangs Lesen und Schreiben von Anfang an Nein !!! 151 A21 1999 Reichen 154 A22 2001 Reichen 160 A23 2003 Reichen 175 A24 2007 Reichen 180 B01 1992 Reichen Von Pädagräueln und Didadogmen Plädoyer für einen Paradigmenwechsel Sachunterricht und Werkstatt Interview mit Dr. Basil Schader 182 B02 1994 Reichen Interview mit Frauke Langhorst 193 B03 1994 Reichen Ein „Brief-Interview mit Ulrike Bersch 199 B04 1994 Reichen Interview mit Kristin Meinzer Vierzehn Fragen rings um die Rechtschreibung Lesen durch Schreiben Zur didaktischen Konzeption eines neuen Leselehrganges Die neue Erstlesemethode „Lesen durch Schreiben «Lesen durch Schreiben» als Beitrag zur psycholinguistischen Grundlegung der Rehabilitation funktionaler Analphabeten LESEN DURCH SCHREIBEN „Die Zukunft lernt im Kindergarten Tatsache oder nur Wunschdenken? Lesen durch Schreiben „Entstehungsgeschichte der Methode Das Geheimnis der Bauecke Seite Text 210 B05 1995 Reichen Interview mit Markus Peschel 227 B06 1998 Reichen ua. 268 C01 1982 Süess u.a. 277 C02 1982 Inspektorat Schwyz 281 C03 1984 285 C04 1986 Inspektorat Solothurn Borchardt Lesen durch Schreiben Arbeitskreis Itzehoe Schlussgespräch Lesen durch Schreiben, Ein neues Leselernwerk von J. Reichen und Mitarbeitern Einführung des Leselehrganges Lesen durch Schreiben im Kanton Schwyz Zwischenbilanz zum Leselehrgang Lesen durch Schreiben 288 C05 1987 Offermann 291 C06 1987 Mayer LESEN DURCH SCHREIBEN ein neuer Anfang im 1.Schuljahr Erfahrungen mit „Lesen durch Schreiben im Förderunterricht für ausländische Kinder Der Leselehrgang Lesen durch Schreiben 299 C07 1987 Freinetgruppe HH Nicht nur eine neue Lesemethode 310 C08 1988 Buser/Moser Lesen durch Schreiben 313 C09 1989 Simon Lesen durch Schreiben 320 C10 1990 Rohner Sutter 340 C11 1991 Leibenath Erprobung des Lehrmittels Lesen durch Schreiben an Sonderklassen Meine Erfahrungen mit „Lesen durch Schreiben 342 C12 1991 Wohlwendt Lesen durch Schreiben: Erst recht in der Förderschule! 347 C13 1991 ELK Erstleselehrgänge Berichte aus der Praxis 352 C14 1991 Eberbach-Klemenz Lesen durch Schreiben an der Sprachheilschule 355 C15 1992 Busch 357 C16 1993 Stahlschmidt 365 C17 1993 Weiß 369 C18 1993 Wünnenberg 380 C19 1994 Kammler 383 C20 1994 Noll Das Vertrauen wird auf eine harte Probe gestellt Lehrerfortbildung bei „Lesen durch Schreiben in Hamburg Darstellung, Analyse und Kritik des Leselehrwerks Lesen durch Schreiben von Jürgen Reichen „Lesen durch Schreiben Erfahrungsbericht einer Erstklasslehrerin Welche Auswirkungen hat die neue Lernmethode Lesen durch Schreiben auf das Rollenverständnis von Schüler und Lehrer Lesen durch Schreiben mit geistig behinderten Kindern Erfahrungsbericht Ein Brief 386 C21 1995 Rieder-Oberleitner Es geht auch ohne Fibel Ein Bericht aus Südtirol 390 C22 1995 Elternmeinungen Lesen durch Schreiben im Urteil von Eltern aus Magdeburg 395 C23 1998 M. P. Theisen Max Ein Brief aus Luxembourg 397 D01 1985 ED Kt. Zürich ERSTLESEMETHODE UND RECHTSCHREIBKOMPETENZ 400 D02 1992 Bonenkamp 405 D03 1992 Brügelmann Werkstattunterricht Mein ganzheitliches Lehr- und Lernkonzept Man kann diesen Unterricht guten Gewissens praktizieren 412 D04 1994 Brügelmann u.a. Richtig schreiben durch freies Schreiben? 421 D05 1999 Wünnenberg Über das Qualifizierte Nichtstun 432 D06 1999 Hövel Jürgen Reichen und die Freinetpädagogik Text-A01 Jürgen Reichen Lesen durch Schreiben Zur didaktischen Konzeption eines neuen Leselehrganges erschienen in: schweizer schule, Heft 18 1981 Seit Arthur Kern in den 30er Jahren die Ganzwortmethode begründete, war die Erstlesedidaktik praktisch während 40 Jahren durch den allseits bekannten Methodenstreit zwischen Analytikern und Synthetikern gekennzeichnet. Da dieser Streit wissenschaftlich nie entschieden werden konnte keine der beiden Methoden liess sich gegenüber der andern als überlegen nachweisen kam es zu der verhängnisvollen Auffassung, im Bereich des Erstlesens sei die Methode als solche überhaupt unwichtig. Unter Lehrern verbreitete sich die fatale Überzeugung, gleichgültig welche Methode man wähle, die Kinder würden das Lesen so oder so erlernen. Lesenlernen wurde als Aufgabe gesehen, die Kinder auf jeden Fall bewältigen unabhängig um die Art des Unterrichts, der Art der Methode und der Art des Lehrmittels, was indirekt dazu führte, dass der Erstleseunterricht als mehr oder weniger unproblematisch betrachtet wurde. Erst als im Verlauf der Jahre zunehmend mehr Schüler mit dem Lesenlernen Schwierigkeiten zeigten und sogenannte Leseund Rechtschreibeschwächen aufwiesen, wurde man sich langsam bewusst, dass möglicherweise die Didaktik des Erstleseunterrichtes doch mehr Probleme stelle als bisher angenommen wurde. Die Folge war, dass sich seit den 70er Jahren die internationale Forschung zunehmend den Problemen des Lesens zuwandte mit dem Erfolg, dass die ausgiebige Erörterung methodischer Spitzfindigkeiten aufgegeben wurde zugunsten einer Betrachtungsweise, die das lernende Kind in den Mittelpunkt rückte. Man erkannte, dass alle bisherigen Lesemodelle zu einseitig waren, indem sie entweder lernpsychologisch oder informationstheoretisch oder linguistisch orientiert waren und wies nach, dass ein Lesemodell um so besser ist, je eher es ihm gelingt, alle genannten Aspekte gleichmässig zu berücksichtigen, weil nur auf diese Weise auch für das Kind Methodenfreiheit, möglich ist. Dies aber ist deshalb von grundlegender Bedeutung, weil nur dadurch jedes Kind seinem persönlichen Lernstil entsprechend lernen kann. Denn genau so wie jeder Erwachsene einen eigenen Arbeitsoder auch Lebensstil entwickelt, so wie jeder Lehrer gemäss seiner eigenen Persönlichkeit einen eigenen Unterrichtsstil zeigt, so hat jedes Kind individuelle Lernstile und im speziellen Fall unseres Themas einen individuellen Lesestil. Selbst bei Gebrauch eines einheitlichen Leselehrmittels lernen Kinder auf individuelle, unterschiedliche Art, was gleichzeitig bedeutet, dass Kinder das im Unterricht Angebotene nur zum Teil realisieren. Entsprechend gibt es denn auch Untersuchungen, welche belegen, dass Kinder um so besser lesen lernen, je grösser die Lernfreiheit ist, die ihnen zugestanden wird und je weniger der Lehrer Vollzugsbeamter einer vorgeschriebenen Methode sein muss. Dieser knappe Hinweis lässt nun die eigentlich grundlegende Entdeckung der neueren Leseforschung verständlich erscheinen, die man als didaktisches Paradox bezeichnen könnte: Es sind in allen bisherigen Leselehrgängen die vermeintlichen didaktischen Hilfen, welche den Lernprozess der Kinder erschweren. Wer als Lehrer den Kindern zuviel hilft, oder wer ein Lehrmittel verwendet, das vom Gedanken der Hilfeleistung ausgeht, schickt den Schüler zwar auf einen geraden, breiten Weg, der am Ende aber nicht zum Ziel, sondern in eine Sackgasse führt (Hofer). Dabei gilt diese Überlegung nicht nur für Hilfen didaktisch-methodischer Art, sondern auch für Hilfen textlicher Natur. Während sich früher Verfasser von Lesefibeln vor allem darum bemühten, möglichst einfache Texte, die mit einem möglichst gleichbleibenden Wortschatz gestaltet werden konnten, zu erfinden, ist es heute geboten, im Bereich des Erstlesens bereits von Anfang an von komplexen Texten auszugehen. Jeder neue Text muss unbedingt auch völlig neue Wörter enthalten, da die früheren Vereinfachungen der Fibeln recht eigentlich Fesseln sind, in deren Netz der Leser hängen bleibt. (Pregel). Vor diesem historischen Hintergrund ist der Leselehrgang „Lesen durch Schreiben weniger eine weitere Lese-Methode, sondern vielmehr der ambitionierte Versuch, dem Ideal eines offenen, kommunikativen und durch den Schüler selbstgesteuerten Unterrichts vom ersten Schultag an den Weg zu ebnen. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht das lesedidaktische Prinzip Lesen durch Schreiben. Lesen und Schreiben (verstanden nicht als motorische Fertigkeit, sondern als geistiger Akt, gesprochene Sprache in Schriftzeichen umzusetzen) sind offensichtlich zusammengehörige Phänomene, welche sich unter einem einheitlichen Gesichtspunkt als analog-gegenläufige Prozesse zeigen, durch welche identische geistige Bedeutungsgehalte entweder vom Medium Sprache ins Medium Schrift oder vom Medium Schrift ins Medium Sprache transportiert werden. Aufgrund dieser prozessualen Zusammengehörigkeit lernen die Schüler im Lehrgang „Lesen durch Schreiben zunächst nicht lesen, sondern ausschliesslich schreiben. Die Fähigkeit zum eigentlichen Lesen stellt sich dann (wie alle bisherigen Erfahrungen gezeigt haben) nach einem halben Jahr des Schreiben-Lernens automatisch ein. Im Prinzip ist dieses Verfahren nicht neu, bereits im Altertum wurde es praktiziert und seither bis ins 19. Jahrhundert immer wieder angewandt. Wegen ungenügender didaktisch-methodischer Umsetzungen blieben die prinzipiellen Vorteile des Verfahrens früher jedoch weitgehend wirkungslos. Nur wenn das lesedidaktische Prinzip „Lesen durch Schreiben in eine spezifische Lernstrategie deren Zentrum das selbständige Lernen des Schülers ist eingebaut wird, lässt es sich erfolgreich verwirklichen. Näheres hierzu wird weiter unten ausgeführt. Das erörterte Verfahren hat zur Konsequenz, dass die Fähigkeit des Schülers, ein beliebiges Wort in seine Lautkette zu zerlegen und danach phonetisch vollständig aufzuschreiben das wesentliche Lernziel darstellt. Entsprechend steht die Hinführung zur Lautstruktur der Sprache im Mittelpunkt der Lernanstrengungen des Anfangsunterrichts. Lautanalyse, Lautdiskrimination und Lautzerlegung haben grundlegende Bedeutung, unterrichtliche Lautierungshilfen unterstützen den Erwerb eines differenzierten Artikulationsbewusstseins. Zum Aufschreiben der Lautketten d.h. phonetisch zergliederter Wörter, steht dem Schüler als zentrales Hilfsmittel eine Buchstabentabelle (vgl. Abb.) zur Verfügung, aus welcher er selbständig die richtige Zuordnung eines jeden Buchstabens zu seinem Lautgehalt ablesen kann. Diese Buchstabentabelle gibt dem Schüler einen Schlüssel in die Hand, mit dem er seinen eigenen Lernprozess aufzuschliessen vermag; mit ihrer Hilfe kann der Schüler alles schreiben, was er schreiben will. Der eigentliche Grundauftrag, den die Schüler im Rahmen dieses Lehrgangs jeweils bekommen, besteht daher stets darin, ein vorgegebenes oder selbstgewähltes Wort (bzw. einen Satz) aufzuschreiben, d.h. von der Sprache in die Schrift zu transportieren. Wie das jeweils konkret verläuft, sei an einem Beispiel kurz erläutert. Der Schüler will z. B. Hut schreiben. Er überlegt sich nun, mit welchem Laut das Wort Hut beginnt. Dann nimmt er die Buchstabentabelle und sucht dort jenen Gegenstand, der mit dem gleichen Laut beginnt, in diesem Falle die Hexe. Nun kann er der Suchstabentabelle den Buchstaben entnehmen und aufschreiben, d. h. abmalen. Danach wiederholt sich der ganze Vorgang mit dem zweiten Laut u, der in der Tabelle durch die Uhr repräsentiert wird. Am Schluss fügt dann der Schüler auf die gleiche Weise noch ein t oder was anfänglich nicht beanstandet werden sollte ein d an. Zunächst scheint dieser Prozess recht umständlich, doch erreichen die Kinder bald einmal, besonders im Umgang mit der Buchstabentabelle, eine erstaunliche Sicherheit und verlieren kaum noch Zeit mit Such-Arbeit. Auf der Basis von Einsicht lernen die Schüler selbständig und selbsttätig. Es steht ihnen frei, welche Wörter sie schreiben. Wer will, kann sogar einfache Sätze oder gar kleinere Geschichten aufschreiben. Schliesslich sind sie auch darin frei, diejenigen Buchstaben, die ihnen besser liegen, zuerst auswendig zu lernen und diejenigen, die ihnen Mühe machen, mit Hilfe der Tabelle zu ermitteln. So können sie die Phasen des gesamten Prozesses individuell durchlaufen: 1. Der Schüler lernt mit der Einführung der Buchstabentabelle das Prinzip des Schreibens und Lesens kennen. Er erfährt: dass gesprochene Wörter aus Lauten zusammengesetzt sind, dass geschriebene Wörter aus Buchstaben zusammengesetzt sind, dass im Prinzip jedem Laut ein Buchstabenzeichen zugeordnet ist und umgekehrt, und schliesslich dass es auch Ausnahmen und Schwierigkeiten zu dieser Grundregel gibt: Verschiedene Laute (kurze und lange Vokale) werden mit dem gleichen Buchstaben geschrieben, andererseits finden sich für einen gleichen Laut (Fisch/Vogel) verschiedene Buchstaben, bestimmte Laute werden durch zwei Buchstaben repräsentiert (eu/ei) etc. 2. Der Schüler entwickelt grundlegende Lautkenntnisse, d. h. er kennt die wichtigsten Laute und kann sie voneinander unterscheiden; er kann Laute aus einem Wort heraushören oder Wörter, die bestimmte Laute enthalten, nennen; und er kann (mit Hilfe der Buchstabentabelle) zu jedem Laut den entsprechenden Buchstaben schreiben/malen. Gleichzeitig erkennt der Schüler die Bedeutung einer deutlichen Artikulation beim Sprechen. 3. Der Schüler kann mit Hilfe der Buchstabentabelle ein beliebiges Wort phonetisch korrekt aufschreiben. Dieses ist die entscheidende Stufe der Methode. Sie zu erreichen setzt voraus, dass der Schüler in der Lage ist, ein Wort in seine Einzellaute zu zerlegen. Wie bisherige Erfahrungen zeigen, ist dies eine Leistung, die vielen Kindern ganz erhebliche Mühe bereitet. 4. Der Schüler kann Sätze und ganze Texte phonetisch korrekt aufschreiben und lernt es (was eine erhebliche Leistung zu sein scheint), beim Schreiben nach jedem Wort eine Lücke auszulassen. Den Übergang vom Schreiben zum Lesen vollzieht der Schüler selber ohne jegliches Zutun des Lehrers. Dieser Prozess ergibt sich beiläufig aus dem Sachzwang, dass sich der Schüler beim Schreiben immer wieder vergegenwärtigen muss, was er bereits geschrieben hat und was noch fehlt. An sich ist diese Vergegenwärtigung natürlich noch kein Lesen im umfassenden Sinn, da keine Sinnentnahme aus den Schriftzeichen erfolgt, sondern eher umgekehrt eine Sinnunterlegung aber gerade dies bereitet dem späteren Lesen den Boden vor. Beispiel: Der Schüler will «Hamster» schreiben. Er beginnt, wird aber an dem Punkt, da er bereits «Ham» geschrieben hat, durch irgendetwas abgelenkt und unterbricht seine Arbeit für einen Moment. Wenn er nun wieder weiterarbeitet, muss er sich vergewissern, wo er aufhörte, d. h. er muss das bereits geschriebene «Ham» erkennen. Um den entscheidenden Prozess des Übergehens vom Schreiben zum Lesen nicht zu stören, darf im Verlauf des Lernprozesses kein Kind jemals gezwungen werden, etwas zu lesen. Aus motivationspsychologischen Gründen und im Hinblick auf Präfigurationsprozesse bietet aber der Unterricht gleichwohl mannigfache Lesemöglichkeiten, z. B. in Form von Überschriften auf Arbeitsblättern, von denen die Kinder dann im Masse ihrer Neugierde zunehmend Gebrauch zu machen beginnen. Zusammenfassung Analysiert man die Grundleistungen, die der Schüler erbringen muss, bis er völlig schreiben und d. h. zugleich lesen kann, dann findet man: er muss das Transformationsprinzip anwenden können, er muss ein Wort in seine Lautstruktur zerlegen können, er muss imstande sein, Buchstaben formgerecht zu «malen» und er muss schliesslich mit der Zeit die Zuordnungen zwischen Lauten und Buchstaben «auswendig» wissen. Nun darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass das vorstehend Ausgeführte eine Vereinfachung darstellt, die wohl im Prinzip zutrifft, nicht jedoch in allen Einzelheiten. Insbesondere gegenüber den erwähnten Phasen 1-4 müssen einige Relativierungen angebracht werden. Dieses Modell suggeriert eine curriculare Abfolge von linearen Lernschritten, die es in dieser Form im wirklichen Lernprozess der Schüler gar nicht gibt, da sich die verschiedenen Phasen stets überlappen. Entsprechend können die einzelnen Übungs- und Lernmaterialien des Lehrganges auch nicht einem chronologischen Einsatzplan zugeordnet werden, sondern verlangen eine flexible und teilweise individuell auf den einzelen Schüler bezogene Handhabung. Das lesedidaktische Prinzip «Lesen durch Schreiben» kann unterrichtlich nur wirksam werden als Teil einer umfassenderen Lernstrategie, die einige spezifische Schwerpunkte aufweist (und die Ursache dafür ist, dass der Lehrgang manch Ungewohntes enthält, was bisher nicht Bestandteil von Leselehrgängen war). «Durch Schreiben» lernt der Schüler das Lesen nur optimal, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 1. Das Lernangebot muss dem Schüler selbsttätiges, selbständiges und selbstgesteuertes Lernen ermöglichen. Nachahmungs- und Übungsprozesse sind so weit als möglich einzuschränken. Es soll den Schülern vor allem ein Lernen ermöglicht werden, das einen aktiven Auseinandersetzungsprozess mit dem Lerngegenstand zulässt und die notwendigen Anteile rein rezeptiven Lernens (Zuschauen, Zuhören, bereits Vorgegebenes Lesen) reduziert. Dies verlangt vom Lehrer allerdings ein partnerschaftliches, freiheitliches, nichtautoritäres Erziehungsverhalten und in didaktischer Hinsicht eine spezifische Form methodischer Zurückhaltung. Der Lehrer soll sich als „Organisator der Lernbedingungen (Gagné) verstehen eine Forderung, deren Einlösung anfangs grosse Mühe bereitet, sind wir es in der unterrichtlichen Arbeit mit Erstklässlern bislang doch kaum gewöhnt, sie einer selbständigen Arbeit zu überlassen und uns als Lehrpersonal aus dem Unterrichtsgeschehen herauszunehmen, uns auf die Rolle des reinen Beraters evtl. Anregers zu beschränken. Soll das hier beschriebene Lehrgangsprinzip in einer Klasse Anwendung finden, kommt diesem Punkt jedoch erhebliche Bedeutung zu. Etwas überspitzt gesagt, muss der Lehrer vor allem darauf achten, „die Schüler bei ihrem Lernen nicht zu stören! 2. Das Lernangebot muss sich soweit als möglich an Transferprozessen orientieren, was bedeutet, dass eine Beschränkung des Leselehrgangs nur auf Lernangebote zum „Lesenlernen im engeren Sinne falsch ist. Zwar können an den Akten des Lesens und Schreibens auf analytischem Wege Einzelfunktionen unterschieden und herausgelöst werden. Ein isoliertes Training solcher Einzelfunktionen bleibt hingegen weitgehend wirkungslos, weil Lesen- und Schreibenkönnen als hochkomplexe Fertigkeiten und Fähigkeiten eingebettet sind in die psychische, insbesondere kognitive Gesamtverfassung der Person des Schülers und daher eine spezifische Ausweitung und Vielfalt der Lernangebote verlangen. Dabei darf man eine Begünstigung des Leselernprozesses nicht nur über vielfältige Formen einer sprachlichen Aktivierung erwarten. Im gleichen Masse, in dem Lesenlernen nicht nur etwas mit Sprache zu tun hat, sondern auch mit Wahrnehmen und Denken, sind vor allem auch vielfältige Formen von Wahrnehmungsübungen und kognitiver Aktivierung erforderlich. Kognitive Aktivierung heisst dabei, die Orientierungsfähigkeit und das Anweisungsverständnis der Schüler im weitesten Sinne zu fördern. Dies verlangt eine umfassende Denkerziehung durch ein vielschichtig variables Lernangebot mit stets neuen Aufgaben, mit einem grossen Anteil an Wahrnehmungsorientierung, mit Ausgriffen ins Mathematische und Sachkundliche, mit Organisationshilfen, Tabellen und Grafiken, mit Übungen zur Begriffsbildung und zur Bildung von Analogien, mit offenen Situationen sowie Problemstellungen mit mehreren Lösungsmöglichkeiten, etc. 3. Das Lernangebot muss möglichst viele Präfigurationsprozesse auslösen, was u. a. heisst, im Sinne begabungsüberschiessender Lernangebote die Schüler gezielt und systematisch „überfordern. Diese leicht missverständliche Formulierung sei etwas näher erläutert: Die Präfigurationstheorie geht von der Annahme aus, dass ein Schüler im Falle der meisten Fähigkeiten und Fertigkeiten, die er sich erwirbt, zwischen jenem Punkt in der Lernentwicklung, an dem er kompetent über diese Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt, und jenem Anfangspunkt, an dem er diesbezüglich noch ohne jegliche Kompetenz ist, eine Art von Zwischenzone durchläuft, wo er erst bzw. bereits über eine partielle Kompetenz verfügt. Einfacher gesagt: Ehe ein Schüler eine bestimmte Sache „ganz kann, kann er sie „halb bzw. „teilweise. In dieser Zwischenzone, die sich weitgehend einem methodisch-didaktischen Direktzugriff entzieht und die wir als Präfigurationsphase ansehen, werden nun Lernleistungen «irgendwie» vorbereitet. Daraus ergibt sich als eine wichtige Konsequenz, dass man nicht länger an die Regel gebunden ist, wonach eine bestimmte Leistung vom Kind zuerst beherrscht werden müsse, ehe man mit der Erarbeitung der nächsthöheren beginnen könne. Man kann auch überlappend vorgehen. Wichtig ist allerdings, dass man auf jeglichen Leistungsdruck verzichtet und durch eine kontinuierliche diagnostische Beobachtung des Entwicklungsstandes der Kinder den Gesamtprozess ihres Lernens annähernd übersieht, d. h. rechtzeitig merkt, wenn man das Präfigurationsprinzip überzieht. Setzt man das Präfigurationsprinzip aber kompetent ein, dann begünstigt man das kindliche Lernen in ganz ausserordentlichem Masse, weil eine bestimmte Menge an Lernlücken oder Lerndefiziten besser: an noch offenen Teillernprozessen im Rahmen eines Gesamtlernprozesses nicht nur verkraftet werden können, sondern diesen durch ein komplexes, dynamisches Zusammenwirken geradezu positiv unterstützen. Es kommt erst dann zu Lernstörungen oder zum Lernversagen, wenn die Menge dieser noch nicht oder erst halb gefestigten Teillernprozesse bzw. -lernschritte zu gross wird, oder wenn Leistungen, die den jeweiligen Leistungsstand des Schülers «überfordern», unter Leistungszwang verlangt werden. Die positiven Möglichkeiten des Präfigurationsprinzips wirken sich also nur aus in einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens ohne Druck und Zwang, in welcher Leistung vom Schüler als etwas Positives, das Selbstbewusstsein Stärkendes empfunden werden kann. 4. Das Lernangebot muss «soziales Lernen» ermöglichen. «Soziales Lernen» meint dabei zweierlei: 4.1 Das Mit-Einanderund Von-Einander-Lernen. Verschiedene Formen von Gruppen- und Partnerarbeiten mit vielfältigen Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten sind hier die Grundlage, während der sogenannte „Werkstattunterricht den unterrichtlichen Rahmen bildet. 4.2 Das Lernen sozialer Tatbestände. Hier wird der Begriff des sozialen Lernens inhaltlich, im Sinne des sogenannten „situativen Curriculums verstanden, d. h. es geht darum, die eigene soziale Situation der Schüler zum Thema und Inhalt des Lernens zu machen. Dies geschieht in den „Rahmenthemen des Lehrgangs, in denen soweit als möglich (u.a. auch durch Vor-Formen von projektartigem Lernen) Bezug genommen wird auf die reale Lebenssituation der Kinder. Zusammenfassend kann man sagen, das „Curriculum hinter dem Lehrgang orientiere sich nicht an einer linearen Systematik, sondern an der Komplexheit des Gesamtlernprozesses des Schülers, welcher unterstützt wird durch Vorgabe eines offenen didaktischen Arrangements. Wesentlich erscheint dabei das Bemühen, „weiterführendes Lernen zu ermöglichen, den weiteren Lernprozess der Schüler offen zu halten und den an sich kumulativen Verlauf eines jeden Lernprozesses zu berücksichtigen. Dies geschieht nicht nur durch eine ausdrückliche Prozessorientiertheit des Lernens, die auf Präfigurations- und Transferprozesse hin angelegt wird, sondern auch durch besondere Beachtung der Motivationsgrundlagen der Schüler. Aus Platzgründen kann jedoch an dieser Stelle nicht mehr auf diesen Punkt eingegangen werden. Stattdessen soll noch kurz etwas über den „Werkstattunterricht gesagt sein: Eine ausführliche Darstellung und didaktische Begründung des „Werkstattunterrichts (sowie ähnlicher Unterrichtsformen) hat Manfred Bönsch bereits 1979 in dieser Zeitschrift vorgelegt. Während die allgemeine Didaktik (verstanden als Wissenschaft vom Unterricht) bisher mehr planerische, festschreibende, quasi-programmierende Elemente des Unterrichtens diskutiert hat, als offene, spontane, nicht exakt-kalkulierbare, ist in den letzten Jahren unter dem Namen „offene Curricula bzw. „kommunikative Didaktik eine didaktische Gegenströmung entstanden. Sie geht aus von Überlegungen, die von einer Vermittlungsdidaktik weg und zu einer Didaktik des Lernarrangements hinführen wollen, welches die Lehrer-Schülerbeziehungen und das zentrale Problem der Festlegung von Lerninhalten und Lernanforderungen neu bestimmt. Offener Unterricht verzichtet auf eine einseitig produktorientierte Prgrammierung des Lernens zu Gunsten eines offenen Arrangements von Lernsituationen und -materialien. Im Rahmen der allgemein vorgegebenen Zielsetzungen sollen dabei auch die Schüler Mitbestimmungsmöglichkeiten hinsichtlich der Methoden und Inhalte des Unterrichts haben Das aber heisst, dass auch Schülerinteressen, -bedürfnisse, -initiativen zum bestimmenden Moment schulischen Lernens werden können. Der Lehrer hat in diesen Fällen seine alles überdeckende Dominanz zurückzunehmen und sollte sich mehr als Berater, Moderator oder Helfer verstehen. Die Schüler andererseits sind zu grösserer Selbständigkeit aufgefordert. Sie sollen selber Entscheidungen treffen und sich kommunikativ und kooperativ mit ihren Kameraden auseinandersetzen. Es ist hier nicht der Ort, ausführliche Vorschläge zur Durchführung von Werkstattunterricht vorzulegen. Nur soviel sei angemerkt: Sowohl der Lehrer als auch die Schüler müssen sich in den Werkstattunterricht einleben. Je mehr der Lehrer den Überblick über den Lehrgang hat und je mehr die Kinder gleichzeitig „schulinformiert sind, das heisst den Schulbetrieb und seine Anforderungen kennen, um so mehr ist Werkstattunterricht möglich. Er beginnt kaum mit der eigentlichen „freien Schülerarbeit, sondern mit Vor-Formen individueller Arbeiten, die der Lehrer den einzelnen Schülern zuweist. Er setzt sich dann fort über einen modifizierten AngebotsUnterricht, bei dem die Schüler unter verschiedenen, vom Lehrer bereitgestellten Lernangeboten auswählen, und erst am Schluss wird er zum wirklich „offenen Unterricht, in dem die Schüler selber ihr Lernen gestalten: Lücken schliessen und an Schwächen arbeiten, Kenntnisse ausbauen und vertiefen sowie „Spezialistentum betreiben. Die meisten Lehrer, die bisher mit dem Lehrgang arbeiteten, stimmten zwar der Idee des Werkstattunterrichts zu, mit seiner Verwirklichung hatten sie jedoch einige Schwierigkeiten. Zum einen bereiten ihnen die Gestaltung und Organisation des Werkstattunterrichts Mühe; zum zweiten sind sie verunsichert, weil sie weniger „Kontrolle über die Kinder haben, weil ihnen der „Überblick fehlt; zum dritten fällt ihnen der Rollenwechsel vom „Regisseur zum „Souffleur des Unterrichts schwer. Dazu kommen Schwierigkeiten auf seiten der Kinder. Gerade am Anfang des Schuljahres haben knapp schulreife Kinder Einstiegsschwierigkeiten nicht beim Verstehen der Lerngehalte, aber im Hinblick auf die sehr hohen Anforderungen, die der Lehrgang an die Arbeitshaltung stellt. Das führt zum Problem, dass der Werkstattunterricht dann gerade bei jenen Kindern, deren Arbeitshaltung eine Stützung am nötigsten hätte, den Aufbau einer seriösen Arbeitshaltung u. U. verzögern kann. Werkstattunterricht setzt auch gewisse Randbedingungen voraus. So lässt er sich beispielsweise nicht realisieren in voneinander streng abgegrenzten 45-Minuten-Lektionen, die womöglich noch streng verfächert sind. Im Anfangsunterricht sind stattdessen Doppelstunden, in denen sowohl sprachliche als auch mathematische Lernangebote nebeneinander zur Bearbeitung vorgesehen werden, sinnvoller. Wichtig sind auch vielfältige Material- und Spielangebote, eine Vielfalt in der Raumnutzung mit Spiel-, Lese- und Arbeitsecken sowie variablen Sitzmöglichkeiten (z. B. Teppiche auf dem Boden). Wo es sich machen lässt, sollte auch der Einbezug von Vorräumen, anderen Räumen oder dem Schulhausgang mit in Betracht gezogen werden. Eine wichtige Massnahme für kommunikativen und offenen Unterricht ist die Öffentlichkeitsarbeit. Die Gefahr des Missverstehens (da wird nur gespielt, was soll schon dabei herauskommen?), Ängste gegenüber Verhaltensweisen, die man vom Schüler nicht erwartet (Kritik, unerschrocken geäusserte Meinungen, ein unerwarteter Grad von Selbständigkeit), sowie Misstrauen (die werden nicht so viel lernen) sind zu erwarten und sollten über eine kommunikativ angelegte und offene Öffentlichkeitsarbeit bei Eltern und Schulbehörden möglichst vermieden werden. Das geschilderte Verfahren hat mehrere prinzipielle Vorteile: 1. Dank der Buchstabentabelle kann von Anfang an mit dem ganzen Alphabet gearbeitet werden, was den Unterricht von den sinnfremden Künstlichkeiten enthebt, die vorab bei der synthetischen Methode durch die vermeintlichen Aufbaufolgen in der Einführung eines Buchstabens nach dem anderen geschaffen werden und in den ersten Phasen des Leseunterrichts den verwendbaren Wortschatz in einer sprachdidaktisch kaum zu rechtfertigenden Weise reduzieren. 2. Die Schüler können selber bestimmen, was sie schreiben wollen, d. h. sie schreiben, was für sie von Interesse und Bedeutung ist. Die informative, kommunikative und expressive Funktion von Texten wird dadurch unmittelbar erlebt und begründet im Schüler das Bewusstsein, dass Geschriebenes Sinn enthält. Gleichzeitig wird Schreiben- und Lesenlernen als ein Prozess erfahren, der ganz eindeutig eigene Kompetenzen erweitert. Hierzu ist freilich erforderlich, dass im Mittelpunkt des Sprachunterrichts vielfältigste Schreibanlässe stehen. Dabei ist es aus motivationspsychologischen Gründen unbedingt notwendig, Schreibaufgaben nicht einfach zu verordnen, sondern in einen Kontext einzubringen, in dem sie als natürlich, notwendig oder lustbetont erfahren werden. Unter diesen Aspekten eignen sich zunächst einmal ganz besonders Schreibanlässe im Hinblick auf kommunikative Funktionen, als Briefe, Mitteilungen u.ä. im Rahmen sozialer Situationen, sowie schriftliche Aufzeichnungen, die als Gedächtnisstützen dienen wie etwa Einkaufslisten, Wunschzettel, Hausaufgaben-Heftchen etc. . Der Lehrer sollte daher jede sich bietende Gelegenheit zu natürlichen Schreibanlässen nutzen und die Kinder zum Schreiben ermutigen. Freilich ist im Auge zu behalten, dass entsprechende Situatuionen nur selten einen Schreibanlass für eine ganze Klasse abgeben. In der Regel handelt es sich bloss um natürliche Schreibgelegenheiten für einzelne Kinder. Des weiteren kommen Schreibaufgaben im Rahmen von Arbeitsblättern und Spielen in Betracht sofern sie funktional begründet sind und nicht bloss Übungscharakter haben. Solche funktional orientierte Aufgabenstellungen sind vor allem zur Festigung der gerade frisch erworbenen Schreib- und Lesekompetenz von grosser Bedeutung. Wenn der Schüler die erste Phase seines Schreiben- und Lesenlernens abgeschlossen hat und sich nun eine erste Stufe von Schreib- und Lesegeläufigkeit aneignen soll, besteht die Gefahr, dass der Lehrer dies unterrichtlich durch häufiges Üben zu erreichen versucht. Erliegt der Lehrerjedoch dieser Gefahr, indem er ein grosses Mass an Übungen in den Unterricht einbringt, dann verringert er damit wahrscheinlich die grundlegende Sensibilisierung der Kinder gegenüber der Sinn- und Bedeutungshaftigkeit von Schrift und Sprache, die gerade bei einem Lehrgang nach dem Prinzip „Lesen durch Schreiben ursprünglich sehr hoch sein dürfte. Es wäre daher wichtig, auf reine Übungsaufgaben so weit als möglich zu verzichten und Übungseffekte gleichsam als beiläufigen Effekt von primär kognitiven oder kreativen Aufgaben zu erzielen. Mittelpunkt der unterrichtlichen Arbeit ab II. Quartal des 1. Schuljahres ist daher das eigene Gestalten von Lesebüchlein, Geschichten, Liedern u. ä. Hierzu finden sich im Lehrgangsmaterial zahlreiche Anregungen. 3. Das Problem der Sinnentnahme entfällt, da der Sinn dessen, was zu schreiben ist, zum vornherein geklärt ist, so dass der Schüler zunächst seine ganze Aufmerksamkeit auf den technischen Umsetzungsprozess richten kann. Damit entfällt auch das Hauptproblem traditioneller Leseverfahren das „Zusammenschleifen. Gleichzeitig werden die Schüler auf selbstverständliche Weise darauf hinorientiert, dass Schreiben informieren und Lesen Sinnentnahme bedeutet. 4. Das Schreiben- und Lesenlernen erfolgt hauptsächlich über aktive und kaum über rezeptive Prozesse, also so, wie psycholinguistische Einsichten es nahelegen. Diese lassen erkennen, dass der Anteil von Nachahmungsleistungen (d. h. der Aneignung und Übernahme von lesetechnischen Verfahrensweisen), im Bereich des Lesenlernens recht gering ist und die Kinder vielmehr durch aktive, innere Gestaltungsprozesse die Kompetenz über die Schrift erwerben. 5. Die Schüler entwickeln von Anfang an ein ausdrückliches Rechtschreibebewusstsein und werden auf Orthographieprobleme hin motiviert und orientiert. Bei traditionellen Leselehrgängen fehlt diese Motivierung zunächst. Da die vorgedruckten oder vorgeschriebenen Wörter und Texte, welche die Kinder in traditionellen Verfahren lesen, stets richtig geschrieben sind, haben die Schüler keinen Anlass, sich dessen bewusst zu werden, dass Wörter auch falsch geschrieben sein könnten. Begrenzt man zudem das eigene Schreiben der Schüler auf den Bestand des bereits bekannten Fibelwortschatzes, den die Kinder fehlerfrei schreiben (in der Meinung, man müsse die Schüler davor bewahren, falsche Wortbilder zu Gesicht zu bekommen), hält man sie künstlich in einem Schonraum, der eine Scheinsicherheit erzeugt und die Entwicklung eines Problembewusstseins für Rechtschreibung unterbindet. Anders bei „Lesen durch Schreiben. Hier bewirkt das Verfahren als solches eine positive Rechtschreibehaltung. Durch den Auftrag, Wörter zu schreiben, steht der Schüler von Anfang an vor der Aufgabe, „richtig zu schreiben, wobei „richtig zunächst nicht orthographische Richtigkeit meint, sondern Verstehbarkeit für einen Leser. Schüler erfahren so von Anfang an, dass Wörter richtig oder falsch geschrieben sein können und dass man sich anstrengen muss, sie richtig zu schreiben dieses Wissen aber präfiguriert eine Grundhaltung, die für Orhographie- Erfordernisse offen ist, so dass man schon recht bald auch eigentliche Orthographie-Hinweise geben kann. 6. Die Selbständigkeit im Lernen verhindert legasthenische Fehlentwicklungen und vermittelt eine besondere Art von Erfolgserlebnissen, sie stärkt das natürliche Selbstbewusstsein der Schüler. Unter pädagogischen Aspekten betrachtet, ist dies der Hauptvorteil des Verfahrens: „Lesen durch Schreiben verschafft dem Schüler die lernmotivierende und selbstbewusstseinshebende Überzeugung, nicht der Lehrer, sondern er selber ganz alleine habe sich das Lesen und Schreiben beigebracht. Abschliessend sei nicht verschwiegen, dass das Verfahren für den Lehrer auch Probleme in sich birgt. Fast alle Lehrer haben am Anfang mehr oder weniger grosse Schwierigkeiten, die sie nur durch erhöhte Anstrengungen bewältigen können: es fehlt ihnen zunächst schlicht die Übersicht über das komplexe, nicht chronologisch angeordnete Lehrgangsmaterial sie müssen sich selber stark umstellen, da die wenigsten in der Ausbildung mit vergleichbaren Konzeptionen bekannt wurden und nun hinsichtlich ihrer Unterrichtsführung und -gestaltung mit etwas Neuem konfrontiert sind sie benötigen viel mehr Zeit zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung ihre pädagogische Präsenz im Unterricht wird stärker gefordert sie werden durch die Schwierigkeiten des Werkstattunterrichts verunsichert es wird ihnen die Übersicht und Kontrolle über die Schüler erschwert sie werden in erhöhtem Mass mit den vielfältigen Begabungsdifferenzen und Leistungsunterschieden zwischen den Kindern konfrontiert und schliesslich wird ihnen ein grosses pädagogisches Zutrauen in die Selbstentwicklungskräfte und Selbstlernfähigkeiten der Kinder abverlangt. Von daher ist die Verwendung des Lehrgangs nicht jedem Lehrer zu empfehlen. Es gilt, was Kurt Meiers im Geleitwort zum Lehrerkommentar ausführte: „Dieses Leselernwerk ist eine didaktische Provokation, durch das die Palette der Leselernwerke ganz entscheidend bereichert wird. Es bleibt zu hoffen, dass es immer in die Hände geschickter Lehrer kommt, die die in ihm liegenden didaktischen Möglichkeiten in pädagogischer Verantwortung zu nutzen wissen. Text-A02 Jürgen Reichen Die neue Erstlesemethode Lesen durch Schreiben erschienen in: Schweiz. Lehrerzeitung Nr. 6 15. März 1984 Da für den Schulanfänger der Leseunterricht im Mittelpunkt des Lerngeschehens der ersten Klasse steht, ist der Erfolg oder der Misserfolg bei diesem Lernprozess für jeden Schüler von entscheidender Bedeutung für sein künftiges Schulschicksal. Im Erstleseunterrieht geht es also um mehr als nur um Lesenlernen, und deshalb ist Lesen durch Schreiben eigentlich erst in zweiter Linie, fast nebenbei, ein ErstleseIehrgang. In erster Linie ist es der Versuch, dem Ideal eines offenen, kommunikativen und selbstgesteuerten Unterrichts den Weg zu bereiten, indem die Schüler nicht nur das Lesen, sondern vor allem das Lernen lernen. Der Lehrgang enthält entsprechend manch Ungewohntes, was bisher nicht Bestandteil von Leselehrgängen war. Er geht von der pädagogischen Grundüberzeugung aus, dass die meisten Kinder aus sich heraus lernfähig und lernbereit sind und viele didaktisch-methodische Massnahmen der Schule das kindliche Lernen wahrscheinlich eher stören als unterstützen. Leitend ist die psycholinguistisehe Hypothese, die besagt, dass der Anteil von Nachahmungsleistungen, d. h. Aneignung und Übernahme von lesetechnischen Verfahrensweisen, im Bereich des Lesenlernens recht gering ist, da Kinder vorab durch aktive, innere Gcstaltungsprozesse die Kompetenz über die Schrift erwerben. Entsprechend ist der Selbstaktivität des Schülers ein Maximum an Spielraum zu lassen, sind die unumgänglichen Anteile rezeptiven Lernens so klein wie möglich zu halten. Hierzu bietet die Methode Lesen durch Schreihen beinahe ideale Voraussetzungen: 1. Dank der Buchstabentabelle (vgl. Abb. 1) kann von Anfang an mit dem ganzen Alphabet, und d. h. zugleich mit einem unbegrenzten Wortschatz, gearbeitet werden. Dies enthebt den Unterricht von den Künstlichkeiten, die vorab bei der synthetischen Methode durch die vermeintlichen Aufbaufolgen in der Einführung eines Buchstabens nach dem andern geschaffen werden und in den ersten Phasen des Leseunterrichts den verwendbaren Wortschatz in sprachdidaktisch kaum zu rechtfertigender Weise reduzieren. 2. Die Schüler können selber bestimmen, was sie schreiben wollen. Entsprechend schreiben sie, was für sie von Interesse und Bedeutung ist. So wird die informative, kommunikative und expressive Funktion von Texten unmittelbar erlebt und festigt im Schüler das Bewusstsein, dass Geschriebenes Sinn enthält. Gleichzeitig wird der Prozess des Schreiben- und Lesenlernens als etwas erfahren, was eigene Kompetenzen erweitert und im Alltag gebraucht werden kann. 3. Das Problem der Sinnentnahme entfällt, da der Schüler weiss, was er schreiben will. Der Schüler kann so zunächst seine ganze Aufmerksamkeit auf den technischen Umsetzungsprozess richten. Damit entfällt auch das Hauptproblem traditioneller Leseverfahren das Zusammenschleifen. Gleichzeitig wird den Schülern auf selbstverständliche Weise bewusst, dass Schreiben informieren und Lesen Sinnentnahme bedeutet. 4. Das Schreiben- und Lesenlernen erfolgt hauptsächlich über aktive und kaum über rezeptive Prozesse. Die Kinder erwerben die Kompetenz über die Schrift ohne Nachahmungslernen, was zu einer besseren langfristigen Verankerung des Gelernten führt. 5. Lernt der Schüler durch Schreiben lesen, dann bleiben ihm Misserfolge beim Lesen weitgehend erspart, da er erst dann im Unterrieht liest, wenn er lesen kann vorher schreibt er. Die hinlänglich bekannnte Situation, in der ein schwacher Schüler zwangsläufig blossgestellt wird, weil er mühsam einen Text vorstottern muss, während die Klasse mehr oder weniger aufmerksam mitliest und die Lehrerin mit Korrekturen hilft, gehört hier der Vergangenheit an. Langweilige Lesestunden gibt es keine mehr, ein Leseverleider schon im 1. Schuljahr wird vermieden. Zudem werden durch diesen Umstand schwache Schüler in einem Masse psychologisch entlastet, welches kaum hoch genug eingeschätzt werden kann. 6. Die Selbständigkeit im Lernen verhindert legasthenische Fehlentwicklungen und vermittelt Erfolgserlebnisse. Dadurch wird das natürliche Selbstbewusstsein der Schüler immer wieder gestärkt. Unter pädagogischen Aspekten betrachtet ist dies der Hauptvorteil des Verfahrens: Lesen durch Schreiben vermittelt dem Schüler die Überzeugung, er selbst habe sich das Lesen und Schreiben beigebracht, nicht die Lehrerin. BEISPIELE Bite nit stören steht in ungelenker Schrift auf einem Zettel, der an Claudias Zimmertüre hängt. Die Mutter, eben im Begriff, Claudia in den Keller zu schicken, stutzt, begreift, lacht in sich hinein und geht selber in den Keller. Eines Morgens findet Lehrer Franz Büchler (Birsfelden, BL) folgenden Brief von Roland auf dem Pult: Yvonne und ihr älterer Bruder Marc streiten sich heftig. Zornentbrannt zieht sich Yvonne an ihren Tisch zurück und beginnt zu schreiben. Kurz darauf stellt sie sich herausfordernd vor Marc hin und hält ihm einen Zettel unter die Nase: Du Arschloch, steht da gross und deutlich. Yvonne leuchtet der Triumph in den Augen. Jetzt hat sie ihrem Bruder gegeben, schriftlich, schwarz auf weiss. In der Klasse von Ursula Bruhin (Merlischachen, SZ) schreiben Kinder ihre Entschuldigungen selber: Als ich in der Klasse von Erika Wirz (Wädenswil, ZH) einen Besuch machte, wurde ich den Schülern von der Lehrerin als der Mann vorgestellt, der den Leselehrgang erfunden habe die Buchstabentabelle und die übrigen Arbeitsblätter. In der Pause unterhielt ich mich mit der Lehrerin und nach der Pause kam ein kleines Mädchen und drückte mir nachstehenden Zettel in die Hand: lch zäichne en Schlumpf, teilt Thomas mit. Nach einiger Zeit, da das entstehende Werk kaum einem Schlumpf ähnelt, interpretiert er die Zeichnung um: Näi, ich zäichne es Huus, Huus vom Samichlaus. Dass Thomas zehn Tage vor dem Bündelitag den Samichlaus erwähnt, überrascht den Lehrer, und er verfolgt die Szene aufmerksam. Sandra fragt ganz arglos: Chuunt de Samichlaus au zu dir? Näi, näi, wehrt Thomas erschreckt ab wobei deutlich wird, dass Thomas ausweicht und Angst hat. (Später stellt sich heraus, dass die Mutter disziplinarische Schwierigkeiten mit Thomas hat, weshalb sie versucht, sich mit massiven Samichlaus-Drohungen bei ihrem Sohn Respekt zu verschaffen.) Der Lehrer merkt, dass Thomas ein Problem hat und schaltet sich ein: Das müsste man hier anschreiben, damit man weiss, dass es das Haus des Samichlaus ist. Aber das wirst du wohl noch nicht können, denn Samichlaus ist ja kein einfaches Wort. Moll, ich cha Samichlaus schriibe, widerspricht Thomas und lässt sich herausfordern. Und tatsächlich gelingt es Thomas, Samichlaus zu schreiben. Lange und offensichtlich befriedigt blickt Thomas auf das selbstgeschriebene Samichlaus dann geht er durch die Klasse und berichtet allen Kameraden: Das heisst Samichlaus. Wer möchte hier am Phänomen der Wortmagie zweifeln? Thomas hat sich mit dem Aufschreiben ganz offensichtlich einer Angst gestellt und diese schreibemächtig verringert. Alle diese Beispiele stammen aus dem 1. Unterrichtsquartal von Kindern, die mit Lesen durch Schreiben unterrichtet wurden. Sie sind für die Methode typisch nicht weil sie belegen, dass die Kinder im Unterricht schreiben lernten, sondern weil sie zeigen, dass die Kinder ihre neuerworbenen Fähigkeiten zu gebrauchen wissen. Schreiben wird zu einem Ausdrucksmittel, das die Kinder individuell verschieden ganz natürlich anwenden. Sie schreiben Mitteilungen und Briefe, sie dichten kleine Geschichten, sie führen Tagebuch, beschriften Zeichnungen, drücken Zu- und Abneigungen aus usw. Sie trennen nicht zwischen Schule und Alltag. Schreiben ist damit nicht etwas, das lediglich zur Schule gehört, sondern etwas, das in den eigenen Alltag einbezogen wird und dadurch einen selbst-aktiven natürlichen Zugang zur Schrift und zum Lesen eröffnet. Diese lehrgangsspezifischen Vorteile ermöglichen einen individualisierenden Unterricht, der Lehrern und Schülern grosse Gestaltungsfreiräume eröffnet, welche ihrerseits auf Sozialklima, Arbeitshaltung und Können der Kinder zurückwirken. Ein freies, friedliches Sozialklima mit deutlich verminderter Aggressivität ist als Folge eines Unterrichts mit Lesen durch Schreiben oft bis ins 4. Schuljahr hinein feststellbar. Die selbständige Arbeitshaltung und offene Lernbereitschaft der Kinder fallen auf. Die Schüler haben Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit; sie haben entsprechende Erfahrungen im Lernen gemacht. Sie sind auf Sprache mit allen dazugehörenden Einzelheiten sensibilisiert, gleichzeitig ist ihre spontane Schreibfreude ungebrochen. Und schliesslich: Sie lesen viel und gerne mit einem erstaunlichen Sinnverständnis. Freilich ist all dies kein automatisches Begleitprodukt der Arbeit mit dem Lehrgang. Lesen durch Schreiben ist kein geschlossenes Lehrsystem, das sich selber als narrensicher versteht. Bei mangelhafter Handhabung des Lehrgangs kann eine Klasse durchaus verunglücken. Da sich der Lehrgang an einer didaktischen Konzeption orientiert, die bisher die wenigsten Lehrerinnen in ihrer Ausbildung kennenlernten, ist ein erfolgreicher Einsatz dieses Lehrgangs nur möglich, wenn Lehrerinnen zum Umdenken bereit sind. Selbst dann noch kommt es häufig zu Phasen der Unsicherheit, die schlaflose Nächte bereiten können. Der wesentlichste Grund hierfür ist im besonderen Lernverständnis zu sehen, von dem der Lehrgang ausgeht. Hinter seiner Lernkonzeption steht die ungewohnte These, Leseunterricht sei um so wirkungsvoller, je unspezifischer er sei. Demgemäss wird zunächst nicht gelesen, und insbesondere gelten die Buchstaben-Lautkenntnisse lediglich als beiläufiges Lernziel. Stattdessen steht eine allgemeine, umfassende Förderung der Sprachkompetenz und einer aufgabenbezogenen Arbeitshaltung im Zentrum des Unterrichts. Hierbei befremdet am meisten die didaktische Geringschätzung der Buchstabenkenntnisse, widerspricht dies doch völlig den Erfahrungen des bisherigen Erstleseunterrichts, welche zu bestätigen scheinen, den Erstklässlern fehlten zum Lesenkönnen vorab die Buchstaben-Lautkenntnisse. Da Lesen ohne diese Kenntnisse nicht möglich ist, müsse die Schule sie vermitteln. Lernpsychologisch ist nun aber gerade die Buchstaben-Laut-Zuordnung sekundär. Nach heutigem Verständnis sind zum Lesenlernen mannigfache syntaktische und semantische Fähigkeiten die viel wichtigeren Voraussetzungen. Da jedoch Schulanfänger einen Teil dieser Voraussetzungen bereits mitbringen, wird weniger offenkundig, dass diese Faktoren die entscheidende Rolle spielen. Dies führt wiederum dazu, dass Lehrerinnen und Laien auch heute noch vielerorts glauben, Kinder würden lesen können, wenn sie die Buchstaben kennen und wissen, wie sie aneinandergehängt werden. Dabei ist unmittelbar einsichtig, dass aneinandergehängte Buchstaben noch keine Wörter, also ohne Information sind. Damit aus aneinandergehängten Buchstaben ein Wort wird, ist ein Sinnstiftender Akt erforderlich, d. h. irgendwoher muss der Schüler das Verständnis entwickeln, was das Wort bedeutet. Dieses Verständnis aber wurzelt das haben neuere Untersuchungen gezeigt im semantischen und syntaktischen Grundwissen des Schülers, nicht in der Buchstabenkenntnis. Neben einem Umdenken in diesem Punkt ist ein erfolgreicher Unterricht mit dem Lehrgang auch nur möglich bei erhöhter Einsatzbereitschaft der Lehrerin, stellt die Methode doch deutlich höhere Anforderungen an sie als traditionelle Verfahren. Vor allem verlangt Lesen durch Schreiben scheinhar Unvereinbares: eine umfassendere, didaktische Vorbereitung und eine stärkere, organisatorisehe Präsenz im Unterricht bei gleichzeitiger Forderung nach didaktischer Zurückhaltung, damit die Selbstentwicklungskräfte und die Selbstlernfähigkeiten der Kinder nicht gestört werden. Ineins damit sind Übersicht und Kontrolle erschwert und dies in einer Lernsituation, welche die Leistungsunterschiede zwischen den Kindern nicht verschleiert, sondern deutlich hervortreten lässt, ja eine Zeitlang sogar noch verschärft, ohne dass die Lehrerin hier eingreifen könnte bzw. sollte. All dies führt dazu, dass u. U. Lehrerinnen von diesem Lehrgang abgeraten werden muss: Wer überzeugt ist, dass Schulanfänger vor allem durch das Gemüt anzusprechen sind, dass ihr Lernprozess aus dem gemüthaften Bereich gespiesen wird und dass der Lehrerin eine stark behütend betreuende Aufgabe zukommt, wird bei Lesen durch Schreiben nicht auf seine Kosten kommen. Wer andererseits von einer linearen Curriculum-Vorstellung überzeugt ist, an die Wirkung systematischer und logisch aufgebauter, sich nacheinander folgender Lernschritte glaubt, stark unmittelbar leistungsorientiert ist und auf Effizienz ausgeht, vom Prinzip des nachahmenden Lernens und der Priorität des Übens überzeugt ist, wird mit diesem Lehrgang ebenfalls Schwierigkeiten haben. Schliesslich sollte auch verzichten, wer zwar einen freiheitlichen und kreativen Unterricht vertritt, nicht aber die Forderung nach einer disziplinierten Arbeitshaltung. Denn in diesem Falle besteht die Gefahr, dass die Hauptforderung von Lesen durch Schreiben unerfüllt bleibt. Ein Lehrer kann nur solche Lehrgegenstände didaktisch erfolgreich vermitteln, die er selber als lehrwürdig erachtet. Vorbehalte der Lehrerin, beispielsweise gegenüber einem Lehrmittel, übertragen sich unweigerlich auf eine Klasse, und echte Wirkungsmöglichkeiten des Lehrmittels werden vertan. Weil zudem ein Lehrmittel wie Lesen durch Schreiben Risiken birgt und es für manche Lehrkräfte zu einer Frage des Mutes wird, ob sie mit diesem Lehrmittel arbeiten wollen oder nicht, wäre es ganz entscheidend, dass die Lehrerin frei wählen kann. Für mich persönlich gibt es in diesem Zusammenhang nichts Unerfreulicheres als eine Bevormundung im Lehrmittelbereich. Ich bedaure die Lehrerinnen, die Lesen durch Schreiben verwenden möchten, doch von den Behörden die Erlaubnis nicht erhalten. Noch mehr aber bedaure ich Kolleginnen, die gegen Lesen durch Schreiben Vorbehalte haben, dessenungeachtet aber mit dem Lehrgang arbeiten sollen. Als Autor freut mich natürlich, wenn Lehrerinnen mit Lesen durch Schreiben arbeiten freiwillig und aus Überzeugung. ***** Lesen durch Schreiben (Kurzbeschreibung) Methode Ausgehend von der Überlegung, dass Lesen und Schreiben prozesshaft zusammengehören, lernen die Schüler im Lehrgang Lesen durch Schreiben zunächst nicht Lesen, sondern ausschliesslich Schreiben, wobei Schreiben nicht als motorische Fertigkeit verstanden wird, sondern als der geistige Akt, Sprache mit Schriftzeichen auszudrücken. Grundaufgabe Das wesentliche Lernziel ist die Fähigkeit des Schülers, ein beliebiges Wort in seine Lautabfolge zu zerlegen und danach phonetisch vollständig aufzuschreiben. Zu diesem Zweck vermittelt der Lehrgang dem Schüler von Anfang an Einsicht in das Prinzip unserer Lautschrift und stellt die Hinführung zur Lautstruktur der Sprache in den Mittelpunkt der Lernanstrengungen des Anfangsunterrichts. Für die praktische Arbeit steht dem Schüler als zentrales Hilfsmittel eine Buchstabentabelle zur Verfügung, aus welcher er die richtige Zuordnung eines jeden Buchstabens zu seinem Lautgehalt ablesen kann. Mit dieser Hilfe kann er prinzipiell alles schreiben, was er schreiben will. Es wird also von Anfang an mit dem gesamten Laut- und Buchstabenbestand gearbeitet, so dass der Wortschatz keinerlei Einschränkungen unterliegt. Hinführung zum Lesen Im Rahmen des Unterrichts wird der Schüler nie zum Lesen gezwungen. Man wartet, bis er von sich aus liest. Um die Lesemotivation des Schülers zu steigern, enthält der Lehrgang viele Leseanreize, vor allem in Form von Überschriften auf Arbeitsblättern und einem begleitenden Leseangebot. Das eigentliche Lesen stellt sich als Begleitprodukt wie von selbst ein. Gestaltung des Unterrichts Damit das lesedidaktische Prinzip Lesen durch Schreiben voll zur Geltung kommt, soll der sprachlichen Eigeninitiative der Schüler grösstmöglicher Spielraum gewährt werden, d. h. die Schüler sollen das Schreiben weitgehend selbständig lernen. Zu diesem Zweck wird das Schreibenlernen der Schüler (1) (2) (3) durch verschiedene lernpsychologisch begründete Unterstützungsmassnahmen (wie z. B. Förderung des Anweisungsverständnisses, kognitive Orientierung, Begünstigung von Präfigurationsprozessen u. ä.) abgerundet; thematisch in Schreibanlässe eingebettet, die für das Kind von unmittelbarer persönlicher Bedeutung sind (z. B. bei projektähnlichem Unterricht) und schulpädagogisch gesehen durch einen Kind-orientierten Unterrichtsstil der Lehrerin begleitet. Lehrgangsmaterial Der Lehrgang geht von der Annahme aus, dass das Lernen von Lesen und Schreiben eine komplexe Leistung von Sprach-, Wahrnehmungs- und Denkprozessen darstellt. Entsprechend enthält der Lehrgang neben eigentlichen Lernangeboten zum Schreiben und Lesen auch solche im Bereich von Sprache, Denken und Wahrnehmen. Inhaltlich gliedert sich das Lehrgangsmaterial nach Art eines Baukastensystems in sogenanntes Basismaterial und vier begleitende Rahmenthemen. Das Basismaterial enthält ein offenes Materialangebot in Form von Arbeitsblättern, didaktischen Spielen sowie Lern- und Übungsprogram men, bei denen das LernKontrollgerät SABEFlX verwendet wird. Die Rahmenthemen bestehen dagegen aus gesamtunterrichtlich ausgearbeiteten Unterrichtsvorschlägen, welche ein Gegengewicht zum Basismaterial bilden. Sie haben Schul- und Alltagssituationen der Schüler zum Thema, bieten Möglichkeiten zu sozialem Lernen und schaffen Erlebnisfelder, in denen zum Ausgleich der individuellen freien Lernsituation die ganze Klasse an einem gemeinsamen Thema arbeitet. Text-A03 Jürgen Reichen «Lesen durch Schreiben» als Beitrag zur psycholinguistischen Grundlegung der Rehabilitation funktionaler Analphabeten erschienen in: Grissemann, H. (Hrsg.): Spätlegasthenie und funktionaler Analphabetismus. Bern/Stuttgart/Toronto 1984) Für die Rehabilitation erwachsener, funktionaler Analphabeten dürfte eine blosse Wiederholung lesedidaktischer Bemühungen, wie sie die betroffenen Kursteilnehmer bereits während ihrer Schulzeit kennenlernten, kaum von Erfolg gekrönt sein. Deshalb wird hier ein neues Verfahren vorgestellt, das sich im Erstleseunterricht von Schulanfängern bewährt hat. Ausgehend von der Überlegung, dass Lesen und Schreiben prozesshaft zusammengehören, lernen die Schüler im Lehrgang «Lesen durch Schreiben» zunächst nicht Lesen, sondern ausschliesslich «Schreiben», wobei «Schreiben» nicht als motorische Fertigkeit verstanden wird, sondern als Kodierung. Lernt der Schüler solcherart «Schreiben», dann stellt sich die Fähigkeit zum Lesen im engeren Sinne mit der Zeit «von selbst» ein. Lesen im engeren Sinne wird zunächst einmal aus dem Unterricht ausgespart. Der Schüler wird nie zum Lesen aufgefordert, man wartet konsequent, bis er von sich aus liest. Dadurch bleiben ihm anfänglich Misserfolgserlebnisse beim Lesen erspart, und die potentielle Lesemotivation wird durch nichts beeinträchtigt. Anstelle von Leseforderungen tritt als grundlegendes Lernziel die Fähigkeit des Schülers, ein beliebiges Wort in seine Lautabfolge zu zerlegen und danach phonetisch vollständig aufzuschreiben. Zu diesem Zweck vermittelt der Lehrgang dem Schüler von Anfang an Einsicht in das Prinzip unserer Lautschrift und stellt die Hinführung zur Lautstruktur der Sprache in den Mittelpunkt der Lernanstrengungen des Anfangsunterrichts. Lauterkennung, Lautunterscheidung und Lautzerlegung haben grundlegende Bedeutung; der Erwerb eines differenzierten Artikulationsbewusstseins ist unabdingbar und erfordert vorn Schüler einiges an anspruchsvolller Lernarbeit. Vor allem das Abhören der Lautgestalt eines Wortes und deren phonetische Aufgliederung in eine Lautkette bereitet vielen Schülern grosse Schwierigkeiten. Im Unterricht helfen dabei vielfältige Spiele und Übungen zum Lautieren bei der Überwindung. Im Mittelpunkt steht eine Bilder-Buchstabentafel (vgl. Abb.), aus der sich das Kind, sofern es Anlaute von Wörtern isolieren kann, die zum selbständigen Schreiben von Wörtern notwendigen Buchstaben auffinden kann. Will es z. B. «Hut» schreiben, dann macht es sich zuerst klar, mit welchem Laut das Wort «Hut» beginnt. Anschliessend sucht es auf der Buchstabentabelle jenen Gegenstand. dessen Name mit dem gleichen Laut beginnt in unserem Falle: «Hexe». Jetzt entnimmt es der Tabelle den Buchstaben «H» und kann ihn «abmalen». Danach wiederholt sich der ganze Vorgang mit dem zweiten Laut «U», der in der Tabelle durch «Uhr» repräsentiert ist. Und schliesslich fügt das Kind am Schluss auf gleiche Weise noch ein «T» an. Es kann also mit dieser Bilder-Buchstabentafel prinzipiell alles schreiben, was es will: es wird von Anfang an mit dem gesamten Laut- und Buchstabenbestand gearbeitet, so dass der Wortschatz keinerlei Einschränkungen unterliegt. Die Buchstabentabelle macht darüber hinaus auch Übungen zur Buchstaben-Laut-Zuordnung überflüssig. Schreibt der Schüler nämlich mit Hilfe der Buchstabentabelle und diese Hilfe soll er solange beanspruchen dürfen, als er will immer wieder selbstgewählte Wörter und Texte, dann speichert er die Buchstaben-Laut-Zuordnung mit der Zeit und kann eines Tages ohne Tabelle schreiben. Der Erfolg dieser Methode ist an eine grundsätzliche Bedingung geknüpft: Der Unterricht muss so weit als möglich «offen» gestaltet werden, die Schüler sollen das Schreiben weitgehend selbständig lernen. Zwingt der Unterricht den Schüler auf einen festgelegten Lernweg mit einer bestimmten chronologischen und sachlogischen Lernschrittabfolge, dann besteht die Gefahr, dass er das individuelle Lernpotential des einzelnen Schülers zu wenig ausnützt. Im Unterricht von Schulanfängern wird versucht, «Lesen durch Schreiben» zu ermöglichen durch Schaffung vielfältiger, möglichst natürlicher Schreibanlässe, die für das Kind von unmittelbarer persönlicher Bedeutung sind wie z.B. Briefe, Einkaufslisten, Wunschzettel an verschiedene Empfänger, Mitteilungszettel Ausnützen des Bedürfnisses, Eigenes zu gestalten, Verfassen von selbstgeschriebenen und illustrierten Büchlein durch die Lernenden einen Unterrichtsstil des Lehrers mit didaktischer Zurückhaltung nach dem Prinzip der minimalen Hilfe, um dadurch ein möglichst selbstgesteuertes Lernen zu unterstützen. Es drängt sich nun auf, das Vorgehen «Lesen durch Schreiben», so wie es für Erstklässler konzipiert wurde, im Einsatz bei erwachsenen Analphabeten zu modifizieren aber unter Beibehaltung der grundlegenden Faktoren. Dabei lassen folgende Momente diese Methode als besonders geeignet erscheinen für die Therapie erwachsener Analphabeten: Der Wortschatz, an dem sich der Lernprozess vollzieht, ist von Anfang an uneingeschränkt. ie Probanden können selbst bestimmen, was zu schreiben ist. Eine Lernarbeit im Bereich persönlicher Interessen und Bedürfnisse wird