Arbeitsblatt: aries

Material-Details

zusammenfassung von aries
Geschichte
Anderes Thema
klassenübergreifend
3 Seiten

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17.01.2010

Autor/in

romina Gregorini
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Texte zu Kapitel 1 Philippe Aries: Geschichte der Kindheit Die Dauer der Kindheit war auf das zarteste Kindesalter beschränkt, d. auf die Periode, wo das kleine Wesen nicht ohne fremde Hilfe auskommen kann. Das Kind wurde also, kaum dass es sich physisch zurechtfinden konnte, übergangslos zu den Erwachsenen gezählt, es teilte ihre Arbeit und ihre Spiele. Vom sehr kleinen Kind wurde es sofort zum jungen Menschen, ohne die Etappen der Jugend zu durchlaufen, die möglicherweise vor dem Mittelalter Geltung hatten und zu wesentlichen Aspekten der hoch entwickelten Gesellschaften von heute geworden sind. Die Weitergabe der Werte und der Kenntnisse und allgemeiner gesprochen, die Sozialisation des Kindes wurden also von der Familie weder gewährleistet noch durch sie kontrolliert. Das Kind entfernte sich schnell von seinen Eltern und man kann sagen, dass die Erziehung dank dem Zusammenleben von Kind/Jugendlichem und Erwachsenen jahrhundertlang auf dem Lehrverhältnis beruhte. Es lernte die Dinge, die es wissen musste, indem es den Erwachsenen bei ihrer Verrichtung half. Das Kind konnte nur in den allerersten Jahren, in denen es noch ein kleines drolliges Ding war, auf eine oberflächliche Gefühlszuwendung hoffen. Man vergnügte sich mit ihm wie mit einem Tier, einem ungesitteten Äffchen. Wenn es dann starb, wie es häufig vorkam, mochte dies den einen oder anderen berühren, doch in der Regel macht man davon nicht allzu viel Aufhebens: ein anderes Kind würde sehr bald seine Stelle einnehmen. Aus einer gewissen Anonymität gelangte es nie heraus. Gefühle zwischen Ehegatten und zwischen Eltern und Kindern waren keine unabdingbare Voraussetzung für die Existenz, wie für das Gleichgewicht der Familie. Für gefühlsmässige Bindungen und soziale Kontakte war ausserhalb der Familie gesorgt; sie entwickelten sich in einem sehr dichten und warmen Milieu, das sich aus Nachbarn, Freunden, Herren, Dienern usw zusammensetze und wo man seine Neigungen einigermassen ungezwungen sprechen lassen durfte. Von einer bestimmten Periode an, endgültig und unabweisbar jedoch jedenfalls seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat sich in der Verfassung der Lebensformen ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Es lässt sich von 2 unterschiedlichen Ansatzpunkten her begreifen. Die Schule ist als Mittel der Erziehung an die Stelle des Lehrverhältnisses getreten. Das bedeutet, dass das Kind sich nicht länger einfach nur unter die Erwachsenen mischt und das Leben direkt durch den Kontakt mit ihnen kennen lernt. Trotz einigen Verspätungen wurde das Kind nun von den Erwachsenen getrennt, und in eine Art Quarantäne gesteckt (Schule,Kolleg). Das man die Kinder so beiseite rückt muss als eine Ausprägung der grossangelegten Moralisierungskampagne der katholischen oder Protestantischen Reformer gedeutet werden. Sie wäre aber nicht denkbar gewesen ohne den gefühlsmässigen Zusammenhalt der Familien. Die Familie ist zu einem Ort unabdingbarer affektiver Verbundenheit zwischen den Ehegatten und auch zwischen Eltern und Kindern geworden, was sie zuvor nicht gewesen ist. Die Familie beginnt also, sich um das Kind herum zu organisieren, ihm soviel Bedeutung beizumessen, dass es aus seiner einstigen Anonymität heraustritt. Gräber Unter den zahllosen Grabinschriften der vier ersten Jahrhunderte, sprechen viele von Kindern, von wenige Monate alten Kindern. Tiefbetrübte Eltern haben dieses Denkmal zum Gedächtnis ihres innig geliebten Kindes errichtet. In der Folge, etwa vom 5.-6. Jahrhundert an, verschwinden die Familie und das Kind aus den Grabbildnissen. Wenn dann später im 11. und 12. Jahrhundert das Porträt wieder in Gebrauch kommt, werden die Gräber individuell, werden Mann und Frau getrennt sein und es wird selbstverständlich für das Kind keinen behauenen Grabstein geben. Im 15. Jahrhundert kommen Gräber, in denen Kinder und Eltern gemeinsam beigesetzt sind, oder reine Kindergräber häufiger vor und im 16. Jahrhundert sind sie alltäglich geworden. Die Einstellung zur Kindheit 1.Kapitel: Die Lebensalter Sobald unsere Kinder zu sprechen anfangen, bringen wir ihnen ihren Namen, den Namen den Eltern und das Alter bei. Der Vorname hatte im Mittelalter als ungenügende Kennzeichung gegolten und man hatte ihn durch einen Familiennamen, oft auch einen Ortsnamen vervollständigen müssen. Mittlerweile ist es angebracht, eine neue Präzisierung numerischen Charakters hinzufügen: das Alter. Der Vorname und selbst der Nachname gehören jedoch zu einer Welt der Phantasie- im Falle des Vornamens- oder der Tradition- im Falle des Nachnamens. Das Alter, eine Quantität, die sich aufgrund gesetzlicher Vorschriften fast auf eine Stunde genau bestimmen lässt, entspringt einer anderen Welt, der der Exaktheit und der Ziffer. Bis heute sind unsere staatsbürgerlichen Gepflogenheiten zugleich mit der einen und der anderen Welt verknüpft. Die persönliche Bedeutung der Kenntnis des Alters musste sich im Leben in dem Masse bestätigen, wie die religiösen und staatlichen Reformer sie in Dokumenten zum Tragen brachten. Diese neue Sitte der Alterangabe bürgerte sich dabei zuerst in den gebildetsten Schichten der Gesellschaft ein, und das heisst im 16. Jahrhundert: bei jenen, die die Kollegs durchliefen. Familienporträts waren Dokumente der Familiengeschichte wie es 3 bis 4 Jahrhunderte später die Photoalben waren. Demselben Geist entspringen die Hausbücher, in denen über die Abrechnungen hinaus die häuslichen Vorkommnisse, die Geburten und Sterbefälle notiert wurden. Es ergibt sich also ein Zusammenspiel zwischen dem Bemühen um chronologische Genauigkeit und dem Familiensinn. Es handelt sich also weniger um die Lebensdaten des Individuums als um die von Familienmitgliedern. Man hat das Bedürfnis, dem Familienleben eine Geschichte zu geben, indem man es datiert. Die Lebensalter nehmen in den pseudowissenschaftlichen Traktaten des Mittelalters grossen Raum ein. Die Autoren bedienen sich einer Terminologie, die uns rein verbal erscheint: Kindheit und Puerilität, Jugend und Adoleszenz, Alter und Senilität- jedes dieser Wörter bezeichnet eine andere Lebensperiode. Wir haben mittlerweile einige von ihnen übernommen, um abstrakte Vorstellungen wie Puerilität oder Senilität zu bezeichnen, doch waren diese in den ursprünglichen Bedeutungen nicht enthalten. In der Tat handelte es sich anfänglich um eine gelehrte Terminologie, die sich in der Folgezeit dann einbürgern sollte. Wir haben heute keine Vorstellung mehr davon, welche Rolle der Begriff des Alters im Weltbild unserer Vorfahren gespielt hat. Das Alter des Menschen war eine wissenschaftliche Kategorie derselben Ordnung, wie es das Gewicht oder die Schnelligkeit für den heutigen Menschen sind: sie gehörte zu einem System der Beschreibung und der physikalischen Erklärung. In den Texten des Mittelalters kam der Begriff „Lebensalter sehr häufig vor. Zum Bsp: Le grand proprietaire de toutes choses behandelt die Lebensalter in seinem 6. Buch. Hier entsprechen die Alterstufen den Planeten: es gibt deren 7. 1. Altersstufe: 0-7 Jahre 2. Altersstufe: puerita 7-14 3. Altersstufe: Adoleszenz 14 – ca 28 4. Altersstufe: Jugend 28-45 5. Altersstufe: Reifezeit 6. Altersstufe: Alter 7. Altersstufe: senies— Greis Als man im 16. Jahrhundert anfing Lateinische Bücher zu übersetzen gab es Probleme: Im Lateinischen gibt es 7 Alterstufen (ebenso viele wie Planeten), die mit verschiedenen Namen bezeichnet werden, während es deren im Französischen nur 3 gibt, nämlich Kindheit, Jugend und Alter. Dabei fällt auf, dass es keinen Platz für die Adoleszenz gibt. Bis zum 18. Jahrhundert vermischte sich die Adoleszenz mit der Kindheit. Man kannte nur ein Wort: Kind. Im 17. Jahrhundert tritt eine Entwicklung ein, die dazu führt, dass der alte Sprachgebrauch sich in den abhängigsten sozialen Schichten weiter hält, während im Bürgertum ein anderer Sprachgebrauch aufkommt: Das Wort „Kindheit wird auf seine moderne Bedeutung eingeschränkt. Das die Kindheit in der Umgangssprache eine so lange Dauer zugesprochen bekommt, ist darauf zurückzuführen, dass man biologische Phänomenen im eigentlichen Sinne damals gleichgültig gegenüberstand: man wäre niemals auf die Idee gekommen, zwischen Kindheit und Pubertät eine Grenze zu ziehen. Aus der Kindheit trat man nur heraus, indem man aus der Abhängigkeit oder doch wenigstens aus den niedrigsten Abhängigkeitsverhältnissen heraustrat. Deshalb dienen die die Kindheit betreffenden Wörter weiterhin dazu, in der gesprochenen Sprache gemeinhin Menschen niedrigen Standes zu bezeichnen, die in vollständiger Abhängigkeit verharren, so etwa Gesellen und Soldaten. Ein petit garcon ist nicht unbedingt ein Kind, sondern kann ebenso gut ein junger Diener sein. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde das die Kindheit betreffende Vokabular in den Familien gehobenen Standes, insofern es sich bei der Abhängigkeit des Kindes immer nur um eine Folge physischer Schwäche handelte, in zunehmendem Masse nur noch zur Bezeichnung der ersten Altersstufe verwendet, die im 17. Jahrhundert häufiger Erwähnung findet. Die Bezeichnung „Kleinkind beginnt die Bedeutung anzunehmen, die es heute hat. Obwohl sich in Bezug auf die frühe Kindheit ein Wortschatz ausbildet und Verbreitung findet, bleibt die Grenze zwischen Kindheit und Adoleszenz auf der einen Seite und der Kategorie Jugend auf der anderen weiter verschwommen. Man besass keine Vorstellung von dem, was wir Adoleszenz nennen und es sollte noch lange dauern, bis eine solche sich ausprägte. Der erste Typus des modernen Jünglings ist Wagners Siegfried. Die Jugend, zu der die Adoleszenz nun geworden ist, wird alsbald als zu einem literarischen Thema und zu einem moralischen und politischen Anliegen. Man beginnt, sich ernsthaft zu fragen, was die Jugend denkt und Untersuchungen über diese Jugend zu veröffentlichen. Es hat den Anschein, als trüge diese Jugend neue Werte in sich, die dazu angetan sind, eine gealterte und verknöcherte Gesellschaft neu zu beleben. Die Heirat, die kein Sesshaftwerden mehr bedeutet, ist nicht länger der Schlusspunkt der Jugendzeit; der verheiratete Jüngling ist ein charakteristischer Typ unserer Zeit; er konfrontiert sie mit seinen Werten, seinen Wünschen und Gewohnheiten. So gelangen wir von einer Epoche ohne Jünglingszeit in eine Epoche, für die sie die bevorzugte Altersstufe ist. Man möchte sie früh erreichen und ihr lange zugehören. Diese Entwicklung geht einher mit der parallelen Entwicklung in Bezug auf das Alter, die allerdings die umgekehrte Richtung nimmt. Das alte Frankreich bringt dem alter kaum Respekt entgegen: es ist das Alter des Ruhestandes, der Bücher, der Frömmigkeit und der Geschwätzigkeit. Zuerst gab es den achtungsgebietenden Greis, den Ahn mit dem silbrigen Haar, den Nestor der beratenden Versammlungen, den Patriarchen mit der unersetzlichen Erfahrung. Er ist noch nicht so sehr lebhaft, aber auch nicht mehr so hinfällig wie der Greis der 16. und 17. Jahrhunderts. In unserer Zeit ist der Greis verschwunden. Er ist durch den „Mann in einem gewissen Alter und durch „Herren und Damen die sich sehr gut gehalten haben, ersetzt worden. Es hat ganz den Anschein, als entsprächen jeder Epoche ein bevorzugtes Alter und eine spezielle Einteilung des menschlichen Lebens: die Jugend ist das bevorzugte Alter des 17. die Kindheit das des 19. und die Adoleszenz das des 20. Jahrhunderts. Diese Veränderungen von einem Jahrhundert zu nächsten hängen von den demografischen Verhältnissen ab. So sind das Fehlen der Jünglingszeit und die Verachtung des Alters oder andererseits das Verschwinden des Alters- und das Auftreten der Jugend Ausdruck dessen, wie die Gesellschaft auf die Lebensdauer reagiert. Ihre Verlängerung hat bewirkt, dass solche Lebenszeiträume aus ihrer ehemaligen Nicht-Existenz hervorgeholt wurden.