Arbeitsblatt: Peter Bichsel Ein Tisch ist ein Tisch

Material-Details

Arbeitsblatt und Lösungen
Deutsch
Gemischte Themen
7. Schuljahr
1 Seiten

Statistik

55085
1341
6
18.02.2010

Autor/in

Mirjana Krizan
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Zeichen und Signale Peter Bichsel: Ein Tisch ist ein Tisch Ich will von einem alten Mann erzählen, von einem Mann, der kein Wort mehr sagt, ein müdes Gesicht hat, zu müd zum Lächeln und zu müd, um böse zu sein. Er wohnt in einer kleinen Stadt, am Ende der Strasse oder nahe der Kreuzung. Es lohnt sich fast nicht, ihn zu beschreiben, kaum etwas unterscheidet ihn von anderen. Er trägt einen grauen Hut, graue Hosen, einen grauen Rock und im Winter den langen grauen Mantel, und er hat einen dünnen Hals, dessen Haut trocken und runzelig ist, die weissen Hemdkragen sind ihm viel zu weit. Im obersten Stock des Hauses hat er sein Zimmer, vielleicht war er verheiratet und hatte Kinder, vielleicht wohnte er früher in einer anderen Stadt. Bestimmt war er einmal ein Kind, aber das war zu einer Zeit, wo die Kinder wie Erwachsene angezogen waren. Man sieht sie so im Fotoalbum der Grossmutter. In seinem Zimmer sind zwei Stühle, ein Tisch, ein Teppich, ein Bett und ein Schrank. Auf einem kleinen Tisch steht ein Wecker, daneben liegen alte Zeitungen und das Fotoalbum, an der Wand hängen ein Spiegel und ein Bild. Der alte Mann machte morgens einen Spaziergang und nachmittags einen Spaziergang, sprach ein paar Worte mit seinem Nachbarn, und abends sass er an seinem Tisch. Das änderte sich nie, auch sonntags war das so. Und wenn der Mann am Tisch sass, hörte er den Wecker ticken, immer den Wecker ticken. Dann gab es einmal einen besonderen Tag, einen Tag mit Sonne, nicht zu heis, nicht zu kalt, mit Vogelgezwitscher, mit freundlichen Leuten, mit Kindern, die spielten und das besondere war, dass das alles dem Mann plötzlich gefiel. Er lächelte. Jetzt wird sich alles ändern, dachte er. Er öffnete den obersten Hemdknopf, nahm den Hut in die Hand, beschleunigte seinen Gang, wippte sogar beim Gehen in den Knien und freute sich. Er kam in seine Strasse, nickte den Kindern zu, ging vor sein Haus, stieg die Treppe hoch, nahm die Schlüssel aus der Tasche und schloss sein Zimmer auf. Aber im Zimmer war alles gleich, ein Tisch, zwei Stühle, ein Bett. Und wie er sicht hinsetzte, hörte er wieder das Ticken, und alle Freude war vorbei, denn nichts hatte sich geändert. Und den Mann überkam eine große Wut. Er sah im Spiegel sein Gesicht rot anlaufen, sah, wie er die Augen zukniff; dann verkrampfte er seine Hände zu Fäusten, hob sie und schlug mit ihnen auf die Tischplatte, erst nur einen Schlag, dann noch einen, und dann begann er auf den Tisch zu trommeln und schrie dazu immer wieder: Es muss sich etwas ändern. Und er hörte den Wecker nicht mehr. Dann begannen seine Hände zu schmerzen, seine Stimme versagte, dann hörte er den Wecker wieder, und nichts änderte sich. Immer derselbe Tisch, sagte der Mann, dieselben Stühle, das Bett, das Bild. Und dem Tisch sage ich Tisch, dem Bild sage ich Bild, das Bett heisst Bett, und den Stuhl nennt man Stuhl. Warum denn eigentlich? Die Franzosen sagen dem Bett li, dem Tisch tabl, nennen das Bild tablo und den Stuhl schäs, und sie verstehen sich. Und die Chinesen verstehen sich auch. Warum heisst das Bett nicht Bild, dachte der Mann und lächelte, dann lachte er, lachte, bis die Nachbarn an die Wand klopften und Ruhe riefen. Jetzt ändert es sich, rief er, und er sagte von nun an dem Bett Bild. Ich bin müde, ich will ins Bild, sagte er, und morgens blieb er oft lange im Bild liegen und überlegte, wie er nun dem Stuhl sagen wolle, und er nannte den Stuhl Wecker. Hie und da träumte er schon in der neuen Sprache, und dann übersetzte er die Lieder aus seiner Schulzeit in seine Sprache, und er sang sie leise vor sich hin. Er stand also auf, zog sich an, setzte sich auf den Wecker und stützte die Arme auf den Tisch. Aber der Tisch hieß jetzt nicht mehr Tisch, er hieß jetzt Teppich. Am Morgen verließ also der Mann das Bild, zog sich an setzte sich an den Teppich auf den Wecker und überlegte, wem er wie sagen könnte. 1 Dem Bett sagte er Bild. Dem Tisch sagte er Teppich. Dem Stuhl sagte er Wecker. Der Zeitung sagte er Bett. Dem Spiegel sagte er Stuhl. Dem Wecker sagte er Fotoalbum. Dem Schrank sagte er Zeitung. Dem Teppich sagte er Schrank. Dem Bild sagte er Tisch. Und dem Fotoalbum sagte er Spiegel. Schreibe den untenstehenden Text in die Sprache des alten Mannes um! Am Morgen blieb der alte Mann lange im Bett liegen, um neun läutete der Wecker, der Mann stand auf und stellte sich auf den Teppich, damit er nicht an den Füssen fror, dann nahm er seine Kleider aus dem Schrank, zog sich an, schaute in den Spiegel an der Wand, setzte sich dann auf den Stuhl an den Tisch, und blätterte das Fotoalbum durch, bis er das Bild seiner Mutter fand. . Bestimme ein Ende für die Geschichte. Wie könnte sie enden? . Wie hat sie wirklich geendet? . Was ist die Bedeutung der Zeichen und Signale in der Geschichte? Schreibe einen Kernsatz auf! . 2