Arbeitsblatt: Textverständnis Milgram-Experiment
Material-Details
Textverständnis zum Milgram-Experiment. Eignet sich als Einstiegs-/Arbeitsmaterial für verschiedene Themen (Experimente, Milgram-Experiment, Menschenrechte, Folter etc.)
Deutsch
Textverständnis
8. Schuljahr
3 Seiten
Statistik
58820
1277
22
16.04.2010
Autor/in
mizo (Spitzname)
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Das Milgram-Experiment Eines der bekanntesten, aber auch sowohl aus ethischen als auch aus versuchstechnischen Gründen umstrittensten Experimente der Psychologie ist das sogenannte Milgram-Experiment. Die Frage, die der Sozialpsychologe Stanley Milgram in den 60er Jahren beantworten wollte, bezog sich auf die Bereitschaft ganz normaler Menschen, sich einer Autorität zu beugen und offensichtlich unmenschliche Anordnungen zu befolgen. Die Motivation für diese Experimentalreihe lieferten die Ereignisse des 2. Weltkriegs. Wieso waren unter dem NS-Regime so viele Menschen bereit, sich in den Dienst der Tötungsmaschinerie der Nazis zu stellen? Lag es an einem grundsätzlichen Charakterfehler dieser Menschen oder gibt es Situationen und Umstände, unter denen möglicherweise jeder in der Lage wäre, andere Menschen zu quälen und zu töten? Die Yale University inserierte Anfang der sechziger Jahre in der Lokalzeitung von New Haven im US-Staat Connecticut, dass sie Probanden sucht, die bereit sind, an einem Experiment über Erinnerungsvermögen und Lernfähigkeit teilzunehmen. Dass es sich dabei nur um einen Vorwand handelt, um zu untersuchen, inwieweit sich Menschen einer Autorität unterwerfen, ahnen die Teilnehmer allerdings nicht. Der Versuchsleiter erläutert den Probanden, dass untersucht werden soll, welche Auswirkungen Bestrafung auf das Lernen hat. Der Versuchsleiter wurde von einem 31jährigen Biologielehrer einer Highschool gespielt, das Opfer spielte ein siebenundvierzigjähriger Buchhalter, der für diese Rolle ausgebildet war; er war irisch-amerikanischer Abstammung, die meisten Beobachter fanden ihn freundlich und liebenswürdig. Der Versuchsleiter erläutert nun das Experiment. Der Test beinhaltet, dass der Lernende eine Liste von Assoziationspaaren auswendig lernen soll und sein Partner, der Lehrer, wird ihn überprüfen. Man zeigt den Versuchsteilnehmern einen Schockgenerator mit einer Instrumententafel. Auf dieser befinden sich dreissig Kippschalter. Diese Schalter sind aufsteigend angeordnet und gehen von 15 Volt (leichter Schock) über mittlerer und schwerer Schock bis zu einer Voltstärke von 450 Volt. Die Kippschalter waren mit Voltzahlen von 15 bis 450 Volt beschriftet. Zusätzlich waren zu je vier Schaltern die Aufschriften Leichter Schock, Mässiger Schock, Mittlerer Schock, Kräftiger Schock, Schwerer Schock, Sehr schwerer Schock sowie Gefahr: Bedrohlicher Schock angebracht, die letzten beiden Schalter trugen die Aufschrift XXX. Die Aufgabe des Lehrers besteht nun darin, jedes Mal wenn der Schüler eine falsche Antwort gibt, die jeweiligen Schalter mit den sich steigernden Elektroschocks zu betätigen. Nach dieser Erläuterung folgt der Lehrer dem Versuchsleiter und seinem Assistenten in einen anderen Raum, wo ein elektrischer Stuhl aufgebaut ist. Der Schüler nimmt auf dem Stuhl Platz und wird an ihn gefesselt. Elektroden werden angeschlossen und mit dem Generator verbunden. An diesem Punkt des Experiments gibt der Lernende zu bedenken, dass er ein schwaches Herz habe. Der Versuchsleiter beruhigt den Mann mit der Aussage, dass die Schocks zwar äusserst schmerzhaft sein können, allerdings nicht zu dauerhaften Gewebeschäden führen. Wie bereits erwähnt, weiss der Lernende, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht. Er ist der Assistent des Versuchsleiters, und die Wahl, wer Lehrer und wer Schüler wird, ist manipuliert. Selbstverständlich ist der Lernende auch nicht tatsächlich mit dem Stromgenerator verbunden, da es sich bei dem vermeintlichen Schock- Was sind Probanden? Warum wird darauf hingewiesen, dass der Mann, der das Opfer spielte freundlich und liebenswürdig war? Was bedeutet Assoziation? Warum wurden die Schalter auf diese Weise beschriftet? Welche Rolle muss die Versuchsperson übernehmen? Ist der Lernende einer Gefahr ausgesetzt? generator um eine Attrappe handelt. Von all dem ahnt die eigentliche Versuchsperson, der Lehrer jedoch nichts. Man hat ihm sogar einen Probeschock von 45 Volt zugemutet. Er ist also fest davon überzeugt, dass das Opfer im Nebenraum tatsächlich mit Stromstössen bestraft wird. Er hört, dass der Schüler jedes Mal, wenn er ihn bestraft, reagiert, als würden ihm tatsächlich Schmerzen zugefügt. Der Proband weiss nicht, dass es sich bei diesen Reaktionen um vorher aufgezeichnete Tonbandaufnahmen handelt und dass die Antworten des Schülers standardisiert sind. Nun beginnt das eigentliche Experiment. Der Lernende antwortet zu Anfang mehrmals richtig und einige Male falsch. Bei jedem Fehler bedient der Lehrer ordnungsgemäss den nächsten Knopf und bestraft somit seinen Schüler mit vermeintlich immer stärkeren Stromstössen. Beim fünften Schock angelangt (75V), beginnt der Schüler zu stöhnen und zu klagen. Bei 150 Volt bittet das Opfer darum, das Experiment abzubrechen und bei 180 Volt schreit es, dass es den Schmerz nicht mehr aushalten könne. Nähert sich das Experiment dem Punkt, an dem der mit Gefahr: Extremer Stromstoss gekennzeichnete Knopf vom Lehrer betätigt werden muss, hört er das Opfer im Nebenraum an die Wand hämmern. Der Schüler fleht regelrecht darum, dass man ihn aus dem Nebenraum befreien möge. Der Versuchsleiter erläutert dem Probanden, dass es sich bei dieser Reaktion natürlich um eine falsche Antwort handle und fordert den Lehrer auf, den nächsten Schalter mit der entsprechend höheren Voltzahl zu betätigen. Natürlich reagierten die Versuchspersonen auch emotional auf die offenkundige Notlage ihrer Opfer. Einige protestierten, andere schwitzten, zitterten, begannen zu stottern oder zeigten andere Zeichen der Anspannung. Dennoch gehorchten sie den Anweisungen des Versuchsleiters. Auffällig am Verhalten der Probanden war, dass sie häufig versuchten, ihr Opfer so wenig wie möglich wahrzunehmen und ihre Aufmerksamkeit ausschliesslich auf den Versuchsleiter zu richten versuchten. Das geschah vermutlich, um die inneren Spannungen, die durch die wahrgenommenen Schmerzen des Opfers hervorgerufen wurden zu mildern, durch ein geschicktes Anpassungsverhalten die Situation zu ertragen. Dieses Phänomen bezeichnete Milgram als Einstimmung auf die Autorität. Einige TeilnehmerInnen bestritten, dass das Opfer tatsächlich schmerzhafte Schocks erhielt und viele leugneten einfach ihre Verantwortlichkeit, manche verlangten zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt des Experiments zusätzlich eine Versicherung, dass sie für ihre Handlungen nicht haftbar gemacht werden können. Oder die Verantwortung wurde mit der Begründung auf das Opfer übertragen, dass es sich ja freiwillig gemeldet habe. Einige Versuchspersonen versuchten Spannungen zu reduzieren, indem sie zwar gehorchten, jedoch versuchten, die Schmerzen für das Opfer so gering wie möglich zu halten, indem sie den Schockgenerator nur kurz antippten oder indem sie dem Schüler die richtige Antwort durch überdeutliches Sprechen, zu verraten suchten. Die grosse Mehrheit seiner Versuchspersonen, mehr als 62 Prozent, gingen bis zum Ende der Skala (450 Volt), auch wenn einige Versuchspersonen durch vier sich steigernde Aufforderungen des Versuchsleiters (Bitte fahren sie fort! Bitte machen Sie weiter! Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen! Sie müssen unbedingt weitermachen! Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!) dazu verbal gedrängt werden mussten: Viele Versuchspersonen waren zwar der Überzeugung, sie sollten dem Schüler keine weiteren Schocks versetzen, konnten dies aber nicht in die Tat umsetzen. Nach Beendigung des Experiments fand mit jeder Versuchsperson ein aufklärendes Gespräch statt, indem ihr gesagt wurde, dass das Opfer keine Elektroschocks erhalten hatte. Was ist eine Attrappe? Was denkst du, bis wie viel Volt haben die Lehrer die Anweisun‐ gen befolgt? Warum versuchten die Lehrer die Aufmerksamkeit auf den Ver‐ suchsleiter zu richten? Mit welcher Begründung über‐ trugen die Versuchspersonen die Verantwortung den Opfern? Was denkst du, aus welchen Gründen konnten sie einen Ab‐ bruch nicht in die Tat umsetzen? Milgrams Experiment wurde vielfach wiederholt und in allen Fällen liess sich ein signifikantes Mass an Gehorsam feststellen. So wurde das Experiment z.B. in Australien, Jordanien, Spanien und Deutschland wiederholt. Überall reagierten die Menschen ähnlich wie in Milgrams Versuch. Des Weiteren zeigte es sich, dass Frauen sich ebenso gehorsam verhalten wie Männer. Milgram wurde für dieses Experiment heftig kritisiert. Man warf ihm vor, dass er die Regeln der Ethik in der psychologischen Forschung aufs Schwerste verletzt habe. Er habe den Versuchspersonen geschadet, indem er ihnen ein Stück Selbsterkenntnis aufzwang, das bei einigen der Probanden ein Trauma hinterlassen haben könnte. Einmal ganz davon abgesehen, dass die Versuchspersonen schlichtweg getäuscht worden sind. Milgram stellte dem entgegen, dass in Nachbefragungen 83,5 Prozent der gehorsamen Versuchspersonen und 83,3 Prozent der Ungehorsamen angaben, sie seien froh, an dem Experiment teilgenommen zu haben. Milgram, Stanley (1993). Das Milgram Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität. Reinbeck: Rowohlt. Findest du die Kritik berechtigt? Bist du erstaunt über das Ergebnis des Experiments?