Arbeitsblatt: Kindersoldaten

Stell dir vor, du bist Kind und musst töten! • Victoria war erst 13 Jahre alt, als die Geheimpolizei sie aus dem Haus ihrer Eltern entführten. „Sie haben mich einfach mitgenommen, sagt sie. Ich habe ihnen gesagt, dass ich noch nie einen Waffe in der Hand gehabt habe, dass ich Angst habe und dass ich nicht kämpfen werden. Aber sie haben mir nur geantwortet, wenn du nicht kämpfst, werden wir dich töten. Ich hatte Angst zu sterben. Deshalb habe ich mitgemacht. • Als eine schwangere Frau ihn fragte, ob er nicht zu klein für eine solch große Waffe sei, erschoss sie Mosquito. Mosquito war damals neun Jahre alt und heißt mit richtigen Namen Masumbuku. • Rebellen bringen die Eltern von Joyce um und entführen das Mädchen. Drei Jahre lang ist sie Kindersoldatin. Missbraucht von Soldaten der Rebellenarmee wagt sie schwanger die Flucht. Die Menschen betrachten Joyce als Kollaborateurin und ihre Kinder als Bastarde. Der Vater ihrer Zwillinge war ihr Folterer. • Joffrey, 14 Jahre alt und mehrere Jahre Soldat in der Rebellenarmee, wurde von seiner Mutter bedrängt, doch die Armee sein zu lassen und lieber in die Schule zu gehen. Das wäre gut für dich! Joffrey wurde ärgerlich und aggressiv und erschoss daraufhin seine Mutter. Er hätte auch seinen Vater erschossen, wenn er zu dieser Zeit im Zimmer gewesen wäre. • Roen Chan ist 12 Jahre alt. Er hat bereits ein Leben als Soldat hinter sich. Sehr leise und stockend erzählt er von dieser Zeit: Vor zwei Jahren war ich Soldat. An der Kontrollstelle mussten wir die Straße kontrollieren. Ich hatte ein Gewehr, das größer war als ich. Mit anderen Soldaten haben wir Autos gestoppt. Wenn einer nicht bezahlen wollte, haben wir mit dem Gewehr nachgeholfen. • Wenn du deine Heimatstadt brennend im Krieg siehst, musst du mit deinen Brüdern in den Kampf ziehen, antwortet die 14-jährige Shote auf die Frage, warum sie Soldatin wurde, eine der Frauen, die in erheblicher Zahl mit der separatistischen Befreiungsarmee des Kosovo, bekannt als UCK, kämpfen. Ja, sie hat getötet. Das ist normal, wir sind im Krieg, sagt sie. Wenn wir wissen, wen wir töten, ist es nicht schwierig. Warum werden Kinder zu Soldaten? „Sie kämpfen besser und essen weniger An dem Tag, an dem sich Masumbuku in Mosquito verwandelt, verliert er seine Kindheit. Eben noch hat der Neunjährige mit Freunden in einem kleinen Dorf im Osten Kongos Fußball gespielt. Wenig später sitzt er auf der Ladefläche eines Lastwagens der Rebellen, die ihn einfach mitgenommen haben. Tage darauf beherrscht der kleine Zwangsrekrut den Abzug einer AK-47. Ein Jahr später ist Mosquito einer der Härtesten. So schildert Bernard Kitembala das Schicksal des Jungen, den er nun betreut. Kitembala leitet für die Hilfsorganisation Save the Children ein Entmilitarisierungscamp für Kindersoldaten in der ostkongolesischen Stadt Bukavu. Ob in Angola, Burundi, Liberia, Sierra Leone oder eben Kongo: Regierungs- wie Rebellenarmeen bedienen sich hemmungslos der Kidogos, der kleinen Kämpfer, die ein kongolesischer Guerilla Kommandant wegen ihrer Zähigkeit lobt: Sie kämpfen besser als Erwachsene, klagen und essen weniger und geben sich mit einem geringen Sold zufrieden. Gerade in den Rebellengebieten im Osten und Norden Kongos mangelt es nach einem im Mai veröffentlichten Bericht der Organisation Human Rights Watch entgegen aller so genannter Friedensprozesse weniger an Waffen als vielmehr an Menschen, die sie bedienen. Kinder werden entführt und von den Soldaten an die Front geschickt, die eigentlich dazu gedacht sind, sie zu beschützen, sagt Alison DesForges von der Afrika-Abteilung der Menschenrechtsorganisation. Hintergrundinfo: Kinder im Krieg • Mehr als 300 000 Kinder werden derzeit als Kindersoldaten missbraucht. • Rebellen, Milizen und Regierungen rekrutieren Kindersoldaten, weil sie leichter zu beeinflussen sind und weniger Lohn verlangen. • Kleinwaffen wie Revolver, Gewehre, Maschinenpistolen oder Handgranaten begünstigt den Einsatz von Kindersoldaten, da Kinder diese Waffen problemlos bedienen können. • Kinder werden als Spione, Minensucher oder bei Selbstmordkommandos eingesetzt. • Mädchen werden von den Soldaten sexuell missbraucht. • Kinder melden sich aus Not oder weil sie ihre Familie verloren haben, freiwillig bei kämpfenden Gruppen. • Flüchtlingskinder verlieren während der Kriegswirren den Kontakt zu ihren Eltern und haben niemand mehr, der sie vor Gewalt und Missbrauch schützt. • Mehr als zwei Millionen Kinder sind in den vergangenen zehn Jahren im Krieg umgekommen. • Die Vereinten Nationen gehen von weltweit zehn Millionen Kindern aus, die aufgrund ihrer Kriegserlebnisse traumatisiert sind. Sie finden keinen Schlaf, sind depressiv und antriebslos, sie leiden dauerhaft unter heftigen Schmerzen oder Panikattacken, flüchten sich in Drogen. Die Lebensgeschichte der Kindersoldatin China Keitetsi China Keitetsi war elf Jahre lang Kindersoldatin in Uganda. Heute lebt sie in Dänemark. Als junge Erwachsene hat sie ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben. Aus diesem Buch „Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr. Mein Leben als Kindersoldatin stammen die folgenden Zitate. Im Alter von neun Jahren lief China von zu Hause weg. Sie wurde ständig geschlagen, manchmal so heftig, dass sie zur Behandlung ins Krankenhaus musste. Sie haben mich verprügelt, bis ich blutend am Boden lag. Einmal hat mein Vater mir eine Rippe gebrochen. Im Krankenhaus sollte ich erzählen, ich wäre vom Baum gefallen. In Uganda ist es normal, dass Kinder so behandelt werden. Sie werden nicht wie hier in Deutschland als eigenständige Personen angesehen. Kinder zählen als Besitz, als Eigentum. Ein Vater kann sein sogar Kind totschlagen, und ich kenne solche Fälle. China hält diese ständige Gewalt nicht mehr aus und reißt aus. Eines Tages wird sie von der National Resistance Army (NRA) aufgegriffen. Die NRA kämpft unter der Führung des Regierungschefs von Uganda gegen den Staatspräsidenten des Landes. China gerät also mitten in den Bürgerkrieg hinein. Zusammen mit anderen Kindern wird sie zur Soldatin ausgebildet. Wir waren unseren Anführern gegenüber absolut loyal. Und wir gehorchten ihnen mit der Zeit wie Roboter. Deshalb wurden auch am liebsten Kinder als Bodyguards eingesetzt. Kinder sind schnell, absolut loyal und vertrauenswürdig. Wir rannten 24 Stunden hinter unseren Chefs her. Egal, was sie uns antaten. Wir haben nie an morgen gedacht. Mein Chef war für mich wie ein Gott, der alles sieht, was ich denke. . Wir begingen unzählige Gräueltaten, nur um unseren Chefs eine Freude zu machen. Ich fühle mich schuldig, weil ich jahrelang das Leben anderer Menschen beendet habe. Vielleicht hatten diese Menschen einen Sohn, eine Tochter. Ich frage mich immer wieder, wo diese Kinder heute sind. Viele Freunde Chinas fallen im Kampf oder bringen sich um. Sie können das ewige Töten, den Wahnsinn des Krieges, aber auch das Leben als Soldaten nicht mehr ertragen. Ständig werden sie schikaniert und vergewaltigt. Unsere Chefs wollten lieber Mädchen als Bodyguards haben, damit sie mit uns schlafen konnten. Viele Mädchen sind bei einer Abtreibung gestorben. Wir haben unsere Chefs als unsere Väter angesehen, und sie haben uns missbraucht. Noch heute fühle ich mich beschmutzt, versuche bei jedem Duschen, diesen Schmutz abzuwaschen, aber es geht nicht. Trotzdem bleibt China elf Jahre lang Soldatin. Erst mit 19 Jahren fühlt sie sich stark genug, wegzulaufen – auch wenn sie nicht weiß wohin. Zu ihren Eltern will sie nie wieder zurück. Die Behörden in Uganda können sie nicht schützen und bitten die UNO, sich um die junge Frau zu kümmern. Dänemark erklärt sich bereit, die ehemalige Kindersoldatin aufzunehmen. Zur Diskussion: Welche Vorteile erwarten Kinder, die sich rekrutieren lassen, von der Armee? Was wird ihnen dort geboten? Was wird ihnen angetan? Erfüllen sich ihre Hoffnungen? Wie steht China Keitetsi heute zu ihrem Leben als Kindersoldatin? Aus welchen Textstellen leitest du das ab?