Arbeitsblatt: We Feed The World
Material-Details
Unterrichtsmatrial zum Film "We Feed The World"
Diverses / Fächerübergreifend
Gemischte Themen
9. Schuljahr
35 Seiten
Statistik
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1611
31
27.10.2010
Autor/in
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Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Unterrichtsmaterial WE FEED THE WORLD EIN FILM VON ERWIN WAGENHOFER Von Vision Kino ab 13 Jahren zum Einsatz in der Schule empfohlen. Österreich 2005 – 96 Minuten – Farbe – 35 mm 1 1,85 Buch Regie Erwin Wagenhofer Regieassistenz Lisa Ganser Kamera Erwin Wagenhofer Ton Helmut Junker Sounddesign Helmut Neugebauer Herstellungsleitung Katharina Bogensberger Produzent Helmut Grasser Produktion Allegrofilm Hergestellt mit Unterstützung von Österreichisches Filminstitut Filmfonds Wien Verleih gefördert von Medienboard Berlin-Brandenburg Inhaltsverzeichnis Synopsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 03 . . . . . . . . . . . . 04 Modul 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen der Landwirtschaft in Österreich, Deutschland und in der EU Agrarförderungen und Konsequenzen Auswirkungen der industrialisierten Landwirtschaft 08 Modul 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Obst- und Gemüseproduktion in Almeria Ökologische Probleme/Pestizide Arbeitsbedingungen 11 Modul 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensmittelversorgung Transport Emissionen 13 Modul 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agrarexportsubventionen der EU Dumpingpreise WTO/Liberalisierung 16 Modul 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gentechnik in der Landwirtschaft Versprechungen der Gentech-Industrie – Risiken Auswirkungen auf das Ökosystem Pestizide Patente auf Saatgut Das deutsche Gentechnikgesetz 18 Modul 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hunger in der Welt Strategien der Gentech-Industrie Risiko Gentechnik FAO 26 Modul 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verantwortung und Macht der KonsumentInnen Biologische Landwirtschaft als Alternative 29 Modul 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rund um unsere Ernährung – Essen in Deutschland Übergewicht, Unterernährung und Essstörungen Wie ernähre ich mich gesund? Alternative Ernährungsformen: Vegetarismus, Veganismus, Food-Coop und Volxküche 31 Impressum, Adressen 35 Interview Erwin Wagenhofer . . . . . . . . . . . . . . . . WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial 02 Synopsis Tag für Tag wird in Wien genau so viel Brot vernichtet wie Graz verbraucht. Auf rund 350.000 Hektar vor allem in Lateinamerika werden Sojabohnen für die österreichische Viehwirtschaft angebaut, daneben hungert ein Viertel der einheimischen Bevölkerung. Jede Europäerin und jeder Europäer essen jährlich zehn Kilogramm künstlich bewässertes Treibhausgemüse aus Südspanien, wo deswegen die Wasserreserven knapp werden. Mit WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL hat sich Erwin Wagenhofer auf die Spur unserer Lebensmittel gemacht. Sie hat ihn nach Frankreich, Spanien, Rumänien, Brasilien und zurück nach Österreich geführt. Roter Faden ist ein Interview WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial mit Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL ist ein Film über Ernährung und Globalisierung, Fischer und Bauern, Fernfahrer und Konzernlenker, Warenströme und Geldflüsse – ein Film über den Mangel im Überfluss. Er gibt in eindrucksvollen Bildern Einblick in die Produktion unserer Lebensmittel sowie erste Antworten auf die Frage, was der Hunger auf der Welt mit uns zu tun hat. Zu Wort kommen neben Fischern, Bauern und Fernfahrern auch Jean Ziegler und der Produktionsleiter von Pioneer Rumänien sowie Peter Brabeck, Konzernchef von Nestlé International, dem größten Nahrungsmittelkonzern der Welt. 03 Interview mit Erwin Wagenhofer Wie ist die Idee zu diesem Film entstanden? Mein letzter Film OPERATION FIGURINI hat sich mit einem Kunstprojekt auf Wiener Märkten beschäftigt. Der neue Film sollte anfangs ein ausführlicher Dokumentarfilm über Wiener Märkte und die dort verkauften Produkte werden. Ursprünglich wollte ich am berühmtesten Markt in Wien beginnen, am Naschmarkt, und ihm unter den Rock zu schauen: wo kommen die Tomaten her und all die anderen Produkte? Und mit den Tomaten haben wir dann auch tatsächlich angefangen. Wir haben recherchiert und sind eben nach Spanien gekommen.Wir haben eben als erstes die Tomatengeschichte gedreht. Haben Sie erwartet, dass Sie in Spanien auf so eine große Sache stoßen? Es hat mich von Anfang an nicht interessiert, ob da Pestizide im Spiel sind oder irgendwelche verbotenen Geschichten. Es haben mich von Anfang an die Zusammenhänge interessiert. Im Fall der spanischen Tomaten, da war das für mich, bevor ich dort war, schon irgendwie ganz komisch, warum ein simples Produkt wie eine Tomate dreitausend Kilometer reisen muss, bis es zu uns kommt. An dieser Idee hat mir irgendwas nicht gefallen. Und das war dann auch die Hauptgeschichte. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Dass in Spanien die größte Gewächshausanlage der Welt existiert, das haben wir erst dann dort erfahren. Was waren Ihre größten Aha-Erlebnisse? Die größten Aha-Erlebnisse sind im Prinzip natürlich die Ausmaße dieser Produktionsstätten. Es ist natürlich schon beeindruckend, welche Dimensionen das annimmt. Bei den Hühnern zum Beispiel waren wir in mittelgroßen österreichischen Stallungen mit 35.000 Hühnern. Es gibt auch welche mit 70.000. Das ist dann nicht beeindruckend, es entsteht irgendwie ein ungutes Gefühl. Das schlimmste in diesem ganzen Film, was mir persönlich widerfahren ist, war bei einem Dreh sehr früh am Morgen. Wir haben gedreht, wie die Hühner gefangen werden. Es ist dunkel, weil sie da noch nicht hysterisch sind – bei Tageslicht würden sie hysterisch werden und sich nicht so leicht fangen lassen – wir sind also bei fast völliger Dunkelheit dort rein gegangen. Die eine Sache ist der Gestank, die zweite Sache ist der Lärm, die dritte Sache – und das war für mich das schlimmste – war, in eine Halle zu gehen, wo fünf Wochen lang Hühner in die „Sagscharten reingeschissen und reingepisst haben, das ist alles ganz, ganz weich und irgendwann macht es Hops und du steigst auf ein totes Tier. Das war für mich der schlimmste Moment, das war schlimmer als die Schlachthalle, in derwir auch gedreht haben. 04 Wie ist es Ihnen und Ihrem Team gelungen, in diesen Produktionsstätten zu drehen und Interviews führen zu können? Es war sehr schwer, Leute zu finden, die das sagen, was sie sich denken. Du findest sofort an jeder Ecke einen Landwirt, der nach zwei Minuten über die Strukturen, über die Preise, über die Lebensmittelketten namentlich schimpft. Aber nicht vor der Kamera. Die Bauern, die Lebensmittelproduzenten stehen alle auf den Verteilern von zwei wesentlichen Lebensmittelketten hier in Österreich, und sie haben eine Riesenangst, dass sie nicht mehr verkaufen dürfen an die Kette oder B. Das ist ganz enorm. Letztlich hat uns meine Herangehensweise geholfen. Ich komme nie mit der Kamera, sondern ich fahre sehr oft, bis zu fünf Mal, vorher alleine an den Drehort. Ich nenne das vertrauensbildende Maßnahmen. Ich mache mich nicht lustig über die Leute, das sieht man ja im Film. Darauf bin ich auch sehr stolz. Auch nicht über den Nestlé-Chef Brabeck. Ich begegne Brabeck genauso wie einem Bauern irgendwo in der Steiermark oder im Weinviertel. Es hat uns nicht interessiert, etwas Verbotenes aufzudecken – das ist ganz wichtig! – die Frage war nicht: was ist hier Verbotenes, sondern wie sind die Zustände unter ganz normalen, legalen Bedingungen? Es ist nichts in diesem Film, was außerhalb des legalen Rahmens ist. Es ist alles gesetzlich gedeckt. Es ist keine einzige Schweinerei drinnen, das hat mich von Anfang an gar nicht interessiert. Dass Kartoffeln von München nach Triest transportiert werden und dort, ich weiß nicht was, abgestempelt werden und wieder nach Regensburg zurück reisen und dort verpackt werden und dann nach Budapest transportiert werden, damit dort Chips daraus gemacht werden, das interessiert mich nicht. Ausgenützte Schlupflöcher gibt es in jedem gesetzlichen System, da wird schnell versucht, raubritterartig Geld daraus zu machen, dann kommen die Gesetzgeber auch darauf, machen das Schlupfloch zu, und es ist wieder vorbei. Mich interessieren die Dinge, die längerfristig sind. Das in Spanien läuft ja seit den 60er-Jahren, wie unser Kontaktmann vor Ort, Lieven Bruneel, auch gesagt hat. Das wird aufgebaut und das wird immer größer und immer größer und immer unübersichtlicher und jetzt gibt es Wasserknappheit. Uns hat interessiert, wie wird überhaupt die Arbeit bewerkstelligt? Warum kommen die Afrikaner? Wie sind Sie an Leute wie Karl Otrok gekommen? Karl Otrok ist ein Cousin von Gerhard Ströck, den ich über die Brot-Recherche kennengelernt habe. Karl Otrok lebt ja in Rumänien und ist nicht so direkt greifbar, immer nur kurz an den Wochenenden. Ich war schon fünf, sechs Wochen mit ihm in Kontakt, es war schon Erntezeit und höchste Eisenbahn, wenn wir noch drehen wollten, solange die Früchte auf den Feldern sind. Es gab dann nur noch eine Möglichkeit, ihn um acht in der Früh am Flughafen vor seinem Abflug nach Bukarest zu treffen. Es war ein Montag. Am Flughafen hat er WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial gleich begonnen, all das zu sagen, was er dann letztlich auch im Film gesagt hat. Und ich sage: Stopp Herr Otrok, sagen Sie mir das, wenn eine Kamera läuft? Ja! Gut, dann fliegen Sie jetzt um 10 und wir fahren um fünf mit dem Auto los. Und genauso haben wir es dann auch gemacht. .Jean Ziegler? Das war interessant. Ihn habe ich zuerst getroffen. Ich verfolge seit Jahren seine Literatur und seine Fernsehauftritte und habe große Hochachtung vor seiner Arbeit – Jean Ziegler hab ich aber nur aus dem Grund interviewt bzw. er hat uns nur aus einem Grund interessiert, weil er diese UNO-Funktion hat. Jean Ziegler als Jean Ziegler würde sofort in eine linke Ecke gestellt werden, da er aber diese hohe UNO-Funktion hat, Sonderberichterstatter ist für das Menschenrecht auf Nahrung, ist er interessant für den Film. Ich habe Jean Ziegler einen Brief geschrieben, und da Jean Ziegler ein Anhänger der Französischen Revolution ist, hab ich den Brief am 14. Juli abgeschickt. Ich habe ganz lang an diesem Brief herumgefeilt, und zwei Tage später hat er mich angerufen. Wir haben uns dann später im Oktober in Genf getroffen. .Peter Brabeck? Auf unsere Anfrage, ihn zu treffen, hat man uns an Mitarbeiter von Nestlé Österreich verwiesen, mir war aber klar: entweder krieg ich Brabeck oder gar niemanden. Dann war lange Zeit 05 wieder Treffen. Gedreht wurden 84 Stunden Material, das auf 96 Minuten zusammengebaut worden ist. Was waren die allergrößten Schwierigkeiten? Funkstille bei Nestlé, und als ich im Oktober bei Jean Ziegler in Genf war, hab ich mir gedacht, ich schau einfach bei Nestlé vorbei, habe am Vortag angerufen und zum Konzernsprecher gesagt, ich komme morgen, dann können wir direkt miteinander sprechen. Und das war der entscheidende Punkt. Das war ganz, ganz wesentlich, dass ich dort als Figur aufgetaucht bin, dass ich fassbar und greifbar war, und so ist es dann ganz schnell auch zu diesem Interview gekommen. Also Interview mach ich ja keins, aber diesen Gesprächstermin mit Herrn Brabeck, der am 11.11.2004 war, Faschingsbeginn, und wir haben eineinhalb Stunden dort bei ihm gedreht. Wir haben vorher die Themen festgelegt – das war Gentechnik, Wasser, Hunger und die Stellung der Nahrungsmittelkonzerne. Mir war völlig klar, der Herr Brabeck hat in seinem Leben wahrscheinlich schon, ich weiß nicht wie viele Rhetorikseminare hinter sich, dem kann ich rhetorisch nicht kommen, der spult sein Programm ab, der will seine Message los werden. Und wie kann ich ihm das Gefühl geben, dass er die Message los wird und ich ihn andererseits ein bisschen involviere in Dinge, die er vielleicht so nicht sagen will. Meine Hypothese war, wenn ich ihn lang genug sprechen lasse, kommt irgendwann der Punkt, wo er das sagt, was er als Mensch auch wirklich denkt. Und das Konzept ist dann auch voll aufgegangen. Und ich bin auch ganz sicher, dass Peter Brabeck überhaupt nichts gegen den Film haben wird und dagegen, wie wir das Interview montiert haben. Er sieht die Welt so, das ist seine Weltsicht, er hat sie zu vertreten. Er vertritt eben auch die Konzerne, das ist sein Job, dafür kriegt er extrem viel Geld bezahlt. Er ist für mich nicht der Böse. Das ist die eine Haltung, und es gibt eine andere. Stichwort Arbeitsweise – wir haben da einen 96-Minuten-Film, was steckt dahinter? Wie lang haben Sie daran gearbeitet? Wir haben 2003 mit dem Drehbuch begonnen, die Finanzierung zum Ende des Jahres relativ schnell gesichert. Wirklich zu drehen begonnen haben wir im März 2004, den letzten Dreh hatten wir im April 2005. Es waren insgesamt rund 75 Drehtage, wir haben fast 130 Tage geschnitten, es hat durch meine Arbeitsweise irrsinnig viel Begehungen gegeben, vertrauensbildende Maßnahmen, Treffen mit den Leuten, immer WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Die allergrößte Schwierigkeit beim Dokumentarfilm ist, am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt zu sein. Und man muss Laien motivieren, dass sie mit einem mitgehen. Eine andere Schwierigkeit war die Sprache. In Frankreich waren wir mit einem Fischer auf einem Boot unterwegs, wo nur wir zwei – Lisa und ich – Platz hatten. Da hätte zum Beispiel gar keine Dolmetscherin oder Dolmetscher Platz gehabt. In Brasilien hatten wir zwar eine Dolmetscherin, die hat die Dinge aber so übersetzt, wie sie denkt, dass sie zu übersetzen sind, und nicht das, was gesagt wird. Sie kam noch dazu aus der Branche, was ganz schlimm ist. Jetzt hat sie immer geglaubt, sie muss uns zu den Orten führen, wo sie die anderen Teams auch hinführt. Wir haben sie erst einmal überzeugen müssen, dass wir nicht dort hin wollen, wo sie hin will, sondern dorthin wo wir hin wollten. Und das war 3.000 Kilometer weit weg in einem anderen Landesteil. Haben Sie manchmal emotionale Schwierigkeiten gehabt? Emotionale Schwierigkeiten haben wir nicht wirklich gehabt – muss ich ehrlich sagen. Auch bei den Armen, die dort Hunger leiden, hätte es mich überhaupt nicht interessiert, Menschen zu filmen, die knapp am Verhungern und sterbenskrank vor uns herumliegen und sich gar nicht mehr bewegen können, und wir kommen jetzt da hin mit unserer blöden Kamera. Es ist das schöne, dass wir Menschen haben, die sehr vital sind und aus dieser Notsituation noch etwas machen, und dass da noch ein Funken Hoffnung ist in dem Ganzen. Was mir eigentlich viel mehr zu denken gibt, ist, wenn man dann in Brasilien steht, und es heißt: Mato Grosso. Mato Grosso heißt großer, dichter Wald – aber der große, dichte Wald ist nicht mehr da. Er ist einfach weg. Interessanterweise gibt es Leute, die den Film anschauen, die sind von dem Film überhaupt nicht berührt, aber die regen sich fürchterlich auf, weil ein kleines Küken zwanzig Zentimeter wo runterfliegt. Die Sichtweise, wie man diesen Film lesen kann, ist sehr offen. Jeder kann daraus seine Schlüsse ziehen. Was war die größte Herausforderung? Die filmische Herausforderung war: sinnliche Erfahrungen – Film ist ja was Sinnliches – mit harten Fakten zu vermischen. Das war wirklich schwierig, das haben wir mit Zwischentiteln gelöst, und es ist – glaub ich – auch dramaturgisch ganz gut gelungen, dass man Fakten bringt und dann wieder nachlässt und ruhiger wird und was zum Schauen bringt und dann wieder Fakten und wieder zurückgeht und dass der Film über Stimmungen funktioniert. 06 Von Dokus erwartet sich das Publikum die Wahrheit, kann man Wahrheit überhaupt zeigen? Da halte ich es mit Heinz von Förster, der gesagt hat Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Was die Wahrheit genau ist, weiß ich nicht. Wenn es sechs Milliarden Menschen gibt, dann gibt es sechs Milliarden Wahrheiten. Jeder hat seine subjektive Sicht, und das finde ich auch super. Ich bin ein Fan vom Subjektiven, ich bin ein Fan vom Authentischen egal in welchem Bereich und in welcher Form. Die formale Unterscheidung von Dokumentarfilm und Spielfilm gibt es nur im Film, die gibts sonst nirgends. In der Musik kommt kein Mensch auf die Idee, dass Brahms dokumentarisch war und Beethoven fiktional. Meiner Meinung nach ist es so, dass der Spielfilm mit dem arbeitet, wie das Leben sein könnte. Und der Dokumentarfilm arbeitet mit dem, wie das Leben ist. Und wir sind vor längerer Zeit ausgezogen und haben uns dieses Thema vorgenommen und haben versucht, diesem Thema eine Facette abzuringen, was an vielen Punkten und Momenten ein ziemlicher Kampf war. Und da ich halt der Filmemacher bin, muss der Film auch was von mir haben, es ist also jetzt ein Film, wie ich in dieser Zeit, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, diese Dinge gesehen habe. Es ist ein ganz subjektiver Film von mir auf diese Lebensmittelindustrie und -produktion, auf den Umgang mit Lebensmitteln. Es ist ein subjektiver Blick. Und mich hat nur eines interessiert: was hat es mit uns zu tun? Was haben die spanischen Tomaten mit uns zu tun, was haben die Afrikaner, die dort die Tomaten pflücken und ernten und die Arbeit dort bewerkstelligen, mit uns zu tun, was hat das Abholzen des Regenwaldes mit uns zu tun? Was hat der Herr Brabeck mit uns zu tun, außer dass wir seine Produkte essen, und er ein Österreicher ist. Der Slogan unserer Zeit lautet „Profit um jeden Preis. „Raubtierkapitalismus, wie es Jean Ziegler nennt. In 20 Jahren wird in Spanien vom Tomatenanbau nicht viel übrig sein, es wird irgendwo auf der Welt einen anderen Platz geben, wo man viel billiger Tomaten herstellen kann. Oder Gurken. Oder irgendwas. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Die Globalisierung ist auch nicht gut oder schlecht, die Frage ist, wie wir damit umgehen. Das ist alles. Wenn wir so damit umgehen wie jetzt, wird alles nicht mehr lang funktionieren und man merkt auch, dass die Menschen die Schnauze voll haben. Das merkt man bei den EU-Referenden, da wird dann die EU wieder an falschen Punkten getroffen. Es ist ein Ausdruck einer inneren Unzufriedenheit mit einem System, das wir haben. Das ist gut, und dazu ist dieser Film ein Beitrag. Möchten Sie mit dem Film eine Botschaft transportieren? Jetzt könnte ich mit einem meiner Lieblingsregisseure antworten. Polanski hat man gefragt: Haben sie eine Botschaft? Und er hat gesagt: Würde ich eine Botschaft haben, dann würde ich sie mit der Post schicken. Ich dreh das für mich genau um: würde ich keine Botschaft haben, würde ich bei der Post arbeiten. In diesem Film ist der Aufhänger die Lebensmittelproduktion, aber die Botschaft ist: wir müssen anders leben. Wir können so sicher nicht weiterleben. Wir müssen anders leben, wir müssen anders essen, anders einkaufen, wir müssen andere Filme anschauen. Darum heißt der Film WE FEED THE WORLD nicht They feed the world – they, die Brabecks und die Pioneers und wie sie alle heißen, die sind alle Teil unserer Gesellschaft, und das ist die Verantwortung, die wir übernehmen müssen, das liegt in diesem wir drinnen. Wir, wie Jean Ziegler sagt, die Zivilgesellschaft. Wir sind alle Konsumenten, wir gehen in Supermärkte, wir müssen essen, wir können bestimmen, das ist eine Macht! Wir wollen keine Tomaten zu Weihnachten, wir wollen keine Erdbeeren zu Weihnachten, wir wollen nicht, dass Lebensmittel dreitausend Kilometer dahergeschippert werden. Wir wollen nicht, dass unsere Tiere den brasilianischen und südamerikanischen Regenwald auffressen. Nur wir. Ja, wer denn sonst? Das Interview führte Birgit Kohlmaier-Schacht in Wien, am 28.6.2005 07 Modul 1 Entwicklungen der Landwirtschaft in Österreich, Deutschland und in der EU Agrarförderungen und Konsequenzen Auswirkungen der industrialisierten Landwirtschaft Filmszene: Getreidefeld in Österreich Der Bauer Franz Epp berichtet: „Wir haben im Bezirk vor circa 10 Jahren um 25% mehr Betriebe gehabt, das heißt seit dem EU-Beitritt hat circa ein Viertel der Landwirte die Landwirtschaft aufgegeben und sich einen anderen Beruf gesucht oder ist in Pension gegangen, und niemand hat sich mehr gefunden, der den Hof weiterführt. Wenn ich bedenke, mein Vater hat, als er den Betrieb übernommen hat, 12 Hektar bewirtschaftet und eine Familie tadellos ernähren können mit etwa demselben Standard, wie wir ihn jetzt haben, und ich habe den Betrieb versechsfachen müssen, damit ich etwa denselben Standard halten kann, dann stimmt das schon nachdenklich. Wer mehr produzieren kann, bekommt mehr Geld EU-weit werden jährlich rund 40 Milliarden Euro an Agrarfördergeldern ausgegeben. Der größte Brocken davon wird aber ohne Bindung an Mindeststandards zum Schutz der Umwelt und ohne verpflichtende Standards für die Lebensmittelqualität vergeben. Die großen Betriebe, die mehr produzieren können, werden stärker gefördert. Wie werden die Fördergelder verteilt? EU-weit erhalten nur 20 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe 80 Prozent der gesamten Fördergelder. In Österreich ist diese Verteilung etwas besser: Hier erhalten 20 Prozent der Bauern und Bäuerinnen ca. 40 Prozent der Förderungen. Zum Vergleich: ca. 30 Prozent der österreichischen Bauern und Bäuerinnen erhalten nur 5 Prozent von der gesamten Fördersumme der Förderungen. Was bewirkt dieses Agrar-Förderungssystem? Die EU setzt weiterhin auf große Höfe und Massenproduktion. Das hat den Trend des Wachsens oder Weichens unter den Bauern und Bäuerinnen noch verstärkt und die Aufgabe vieler kleiner landwirtschaftlicher Betriebe beschleunigt. Pro Jahr geben österreichweit 4300 Höfe die Bewirtschaftung auf, das sind alle 9 Stunden 1 Hof. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Wie hat sich die Landwirtschaft in den vergangenen 50 Jahren in Österreich und Deutschland in Europa verändert? Nach 1945 war Österreichs Regierung bestrebt, die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung durch eine autarke Landwirtschaft zu sichern. Ertragssteigerungen und die Rationalisierung der Produktionsabläufe waren die zentralen Herausforderungen der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft wurde zunehmend industrialisiert. Um die steigenden Nahrungsansprüche zu befriedigen und den laufenden Verlust an landwirtschaftlicher Produktionsfläche (durch Straßen-, Wohnhaus- und Industrieanlagenbau gehen täglich zirka 38 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche verloren) auszugleichen, musste sowohl die Flächenproduktivität als auch die Arbeitsproduktivität stark zunehmen. Durch Rodung und das Trockenlegen von Feuchtgebieten entstanden neue Nutzflächen. Mittels großflächigem Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden („Pflanzenschutzmittel Gifte, die unerwünschte Pflanzen und Insekten, so genannte Schädlinge vernichten) und dem Einsatz von hochertragreichen Sorten wurde der Ernteertrag gesteigert. Vergleiche: 1955 produzierte die Landwirtschaft bereits doppelt soviel wie 1937. Das, obwohl immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten. Vor rund 150 Jahren war Österreich noch ein Agrarland, in dem 75 Prozent der Bevölkerung dem Bauernstand angehörten. 1961 waren es nur noch rund 16 Prozent. 1992 stellte die Landwirtschaft 5 Prozent der Wohnbevölkerung und 6,9 Prozent der Berufstätigen. Die Landwirtschaft in Deutschland nach 1945 Die Landwirtschaft in Deutschland war, wie die in anderen Industriestaaten, in den vergangenen Jahrzehnten einem außerordentlichen Wandel unterworfen, der als Strukturwandel bezeichnet wird und vom Prozess der Industrialisierung nicht zu trennen ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte die Versorgung der Bevölkerung, darunter auch mehrere Millionen Ostflüchtlinge, mit Nahrungsmitteln eine große Herausforderung dar. So ist zu erklären, dass zwischen 1950 und 1960 die landwirtschaftliche Nutzfläche durch Kultivierung von Ödland zunahm. Mit Zunahme der Ernährungssicherung, unter anderem durch gesteigerte Erträge und das Anwachsen des sekundären und tertiären Wirtschaftssektors (Industrie und Dienstleistungen) verringerte sich die landwirtschaftliche Nutzfläche in den folgenden Jahrzehnten. Besonders stark war der Rückgang des Grünlandes, das sich zwischen 1960 und 1990 (bezogen auf die Alten Bundesländer) um rund 22% verringerte, während die Fläche des Ackerlands nur um etwa 8% abnahm. Dieser Trend setzte sich in der Folgezeit fort, wie anhand der Werte ab 1995 für Gesamtdeutschland erkennbar ist. Am eindrucksvollsten zeigt sich der Strukturwandel an der Verringerung der Zahl landwirtschaftlicher Betriebe. Von etwa 1,6 Mio. Betrieben im Jahre 1949 sank ihre Zahl – selbst unter Hinzunahme der Betriebe aus den Neuen Bundesländern – auf rund 412.000 im Jahre 2001. 08 Zwischen 1980 und 2003 hat sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe beinahe halbiert: Gab es 1980 noch 694.500 Betriebe, existierten im Jahr 2003 nur noch 388.100 Höfe. Zwischen 2002 und 2003 gaben 6500 Betriebe in Deutschland die Landwirtschaft auf. Gleichzeitig vergrößerte sich die durchschnittliche Flächenausstattung pro Betrieb von 8,1 ha auf 41 ha. Die Dynamik des Wirtschaftsgeschehens und das niedrige Preisniveau für landwirtschaftliche Erzeugnisse erforderten ein stetiges Größenwachstum der landwirtschaftlichen Betriebe, das unter der Bezeichnung „Wachsen oder Weichen gefasst wird. Mit dem Größenwachstum der Betriebe ging zumeist auch eine Spezialisierung auf wenige Produktionszweige einher. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Quellen: Werner Klohn, Hans-Wilhelm Windhorst: Die Landwirtschaft in Deutschland. 4., erweiterte Auflage. Vechta 2003. (Vechtaer Materialien zum Geographieunterricht VMG, Heft 3). Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. 2002. www.bmelv-statistik.de/data/EC0F504EE4BA4475BAA53C64 E4E2AAC9.0.pdf Weiterführende Links: www.bpb.de/publikationen/YSVJZZ,0,0,Deutschland_wird_ industrielle_Weltmacht.html 09 Probleme durch industrialisierte Landwirtschaft und Massenproduktion Heute wissen wir: Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft sind auch viele Probleme für Mensch, Tier und Umwelt entstanden: – Überdüngung von Böden und Gewässern – Pestizideinsatz mit Folgen für die Lebensmittel (Rückstände), die Böden und das Grundwasser (Jährlich werden etwa 6.500 Tonnen Pestizide auf österreichische Felder gesprüht. Wasserlösliche Substanzen werden mit dem Regenwasser ausgewaschen und gelangen ins Grundwasser.) – Massentierhaltung mit miserablen Haltungsbedingungen und Qualen für die Tiere – Antibiotikaeinsatz und Einsatz von Gentechnik im Tierfutter Im Film WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL berichtet Hans Schrank, der ganze Lastwagen voll Brotabfälle zur Müllverbrennung fährt: „Wenn ich Ihnen sage, dass die Tonne Weizen jetzt 100 Euro kostet, und wenn ich heute schau, was der Streusplitt kostet, was das Salz kostet, was wir auf die Straßen streuen, was wir im Winterdienst verwenden, ja, dann fehlt die Realität. Heute kostet der Streusplitt mehr als der Weizen, den der Bauer produziert. Und das müssen die Leute wissen. Es sollte einen gerechten Preis geben, für die Produkte, die wir produzieren, und wir sollten nicht nur immer sagen, das Schnitzel darf nur 2 Euro kosten. Und dann wundern sich alle Leute, warum wir Tierfabriken haben mit 20.000 Schweinen. Das ist die Frage, ob wir das wollen, aber anscheinend wollen es die Leute, weil das immer schlimmer wird. Also wir führen im Jahr ungefähr 2 Millionen Kilo Brot weg, das aber gar nicht schlecht ist, das ist höchstens zwei Tage alt, das könnte noch jeder essen. Und es passiert mir heute immer noch, obwohl ich das Geschäft jetzt schon mehr als zehn Jahre mache und immer dieselbe Strecke fahre, dass alte Leute stehen bleiben und das ganze einfach anschauen, weil sie es nicht glauben können, was wir da machen. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial In Wien wird täglich jene Menge an Brot als Retourware vernichtet, mit der die zweitgrößte Stadt Österreichs – Graz – versorgt werden kann! Quantität auf Kosten von Qualität: Ist der billige Preis das einzige Kriterium, das zählt? Mehr, schneller, billiger – so lautet das allgemeine Motto unserer Konsumgesellschaft. Mit der zunehmenden Macht der großen Billig-Handelsketten wächst auch der Druck auf die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft soll viel und möglichst billig produzieren. Doch diese Massenproduktion nimmt keine Rücksicht auf Mensch, Tier und Umwelt. Die Anreicherung von Giftstoffen in der Umwelt sowie die miserablen Tierhaltungsbedingungen sind Missstände, die tagtäglich vor unserer Haustür stattfinden. Die steigende Nachfrage nach Fleisch und billigen Lebensmitteln führt zu Produktionsweisen, die sich gravierend auf die Qualität der Nahrungsmittel, die Umwelt und die Gesundheit von Menschen auswirken. Der Preis für die Massenproduktion sind Lebensmittelskandale, hervorgerufen durch BSE, verseuchtes Tierfutter oder Pestizidrückstände in Obst und Gemüse, die in den vergangenen Jahren die KonsumentInnen immer wieder alarmiert haben. Doch auch anderswo, fernab vom unserem Alltag, geschieht der Raubbau an der Natur: In den Ländern des Südens verdrängt der Anbau von Futterpflanzen für die heimische Fleischproduktion natürliche Lebensräume und Waldgebiete, wie letzte Bestände von ursprünglichen Regenwäldern. Europa importiert zum Beispiel 90 Prozent der Sojabohnen für die Masttierfütterung aus Übersee. Ein Großteil davon wird in Brasilien angebaut. Das Ausmaß der gerodeten Urwaldfläche Brasiliens seit 1975 ist so groß wie Frankreich und Portugal zusammen. Auf den gerodeten Flächen wird Soja angebaut, das in den Futtertrögen unserer Tiere für die Fleisch- und Milchproduktion landet. Brasilien ist eines der reichsten Agrarländer, doch ein Viertel der brasilianischen Bevölkerung hat nicht genug zu essen und leidet an Hunger. Gleichzeitig wird in Europa Mais und Weizen zur Wärmeerzeugung verbrannt. Fragen und Diskussionsthemen: – Fasst zusammen, was durch die Industrialisierung der Landwirtschaft erreicht werden konnte! – Zeigt die Probleme auf, die durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und die Förderung von Massenproduktion entstanden sind! – Erklärt, wie der Preis unserer Lebensmittel bestimmt wird und warum unsere Lebensmittel so billig sein können! 10 Modul 2 Obst- und Gemüseproduktion in Almeria Ökologische Probleme/Pestizide Arbeitsbedingungen Filmszene: Obst und Gemüseanbau in Almeria Wo kommt unser Gemüse her? Rund ums Jahr, egal zu welcher Jahreszeit, wird im Handel oft „sonnengereiftes Obst und Gemüse aus südlichen Ländern zu Billigpreisen angeboten. Importierte Ware wird oft unreif geerntet und muss dann künstlich nachreifen, wobei wichtige Inhaltsstoffe verloren gehen. Auch wenn die heimische Ware gerade reif ist, sind zur selben Zeit daneben die gleichen Produkte, zum Beispiel aus Südspanien, oft zu einem geringeren Preis zu finden. Wie sehr stimmen die aus der Werbung bekannten Bilder von „sonnengereiftem Obst und Gemüse, das von glücklichen Arbeitern geerntet wird, mit der Realität überein? Lies den folgenden Bericht und vergleiche deine Vorstellungen vom Obst und Gemüseanbau. Unser Wintergarten in Almeria Bericht von Christian Salmhofer, GLOBAL NEWS 4/2001 Wer mit dem Flugzeug über dem andalusischen Almeria fliegt, sieht unter sich einen riesigen silbrig-grau schimmernden Teppich, das „mar del plastico (Plastikmeer). WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Damit ist die weltweit größte Konzentration von Intensivkultur gemeint, die in der Provinz Almeria bereits 350 Quadratkilometer Land bedeckt und 80 Prozent des gesamten spanischen Gemüseexports erwirtschaftet. Um die enorme Produktion von Tomaten, Gurken, Paprika, Erdbeeren etc. aufbauen zu können, waren massive Förderungen der EU notwendig. Das produzierte Gemüse wird mitten in den Wintermonaten in unseren Supermärkten günstigst zum Kauf angeboten. Kaum jemand verschwendet beim Einkauf einen Gedanken an die Produktionsbedingungen im Herkunftsland, die diesen Luxus erst ermöglichen. Vergifteter Alltag In 32.000 Gewächshäusern, die sich auf 15.000 landwirtschaftliche Betriebe verteilen, produziert die Region Almeria im Jahr 2,8 Millionen Tonnen Obst und Gemüse für den EU-Binnenmarkt. Dabei werden „phytosanitäre Erzeugnisse – so umschreibt man Pestizide und Düngemittel – im Übermaß eingesetzt. Im Durchschnitt entfallen auf jeden Hektar 40 Kilogramm Pestizide, obwohl mehrere Studien inzwischen die massiven Gesundheitsschädigungen durch die Pflanzengifte belegen. Von 506 schweren Vergiftungsfällen, die in der Intensivstation von Torrecardenas behandelt wurden, starben 25 an den Folgen einer Organophosphat-Vergiftung. Erbrechen, Kopfschmerzen, Hautentzündungen oder der Anstieg der Brustkrebsraten gehören hier zum Alltag. 11 Ausbeutung unter Plastik „Pro Hektar kannst du eine Ernte von 160 Tonnen Tomaten erzielen, sagt der Landbesitzer Antonio, „pro Hektar brauchst du durchschnittlich einen Moro, sonst schaffst du es nicht. Moro ist der abschätzige Ausdruck für die marokkanischen ImmigrantInnen. Diese leben zu Tausenden in der Provinz und sind mitverantwortlich für das Wirtschaftswunder in Andalusien. Ihre Lebenssituation ist katastrophal: Für rund 22 Euro am Tag müssen sie die Strapazen unter den Plastikfolien aushalten. Als ihre Behausung dienen Schuppen, neben denen Pestizide und Düngemittel gelagert werden oder alte Gebäude, deren Dach eingestürzt ist und die nur mit einer Plastikplane überdeckt sind. „Unter dem Plastik arbeiten 20.000 bis 25.000 MarokkanerInnen. Die soziale Ausbeutung erinnert mehr an die Dritte Welt als an Europa, so das Resumee einer Delegation des Europäischen Bürgerforums. Unter diesen Umständen müsste das „TransFair-Gütesiegel, das eigentlich nur gerechtere Handelsbedingungen und Löhne in der Dritten Welt garantieren soll, auch innerhalb der EU zur Anwendung kommen. Die Einhaltung der Menschenrechte muss – weltweit und erst recht innerhalb der EU – ein Grundprinzip sein. Wir sollten dies durch unser Konsumverhalten unterstützen. Denken Sie daran, wenn bei Außentemperaturen von -10 im Supermarkt „sonnengereifte Tomaten aus der Provinz Almeria locken! Aufgabenstellung: Vergleiche die Produktionskosten in Euro von 100 kg Tomaten in Holland und in Almeria/Spanien (Daten aus dem Jahr 1997) und überlege dir anhand der Tabelle, wie es zu den Unterschieden kommt. Holland Spanien/Almeria Pestizide 0,92 3,66 Dünger 0,92 2,29 Wasser 0,46 0,92 Bodenpreise 1,38 2,75 Heizung 8,69 0 Arbeitskraft 15,55 4,38 gesamt 27,95 14,00 hausanlagen immer mehr und mehr gestiegen, bis das Plastik-Meer seine heutigen enormen Ausmaße angenommen hat: mehr Gewächshäuser als in Belgien und Holland zusammen! Wie konnte ein Anbaugebiet von dieser Größe in Almeria entstehen? Fördermittel der EU haben den Hightech-Ausbau der Anlagen und damit den wirtschaftlichen Aufschwung der Provinz erst möglich gemacht. Die Pflanzen in den Gewächshäusern wachsen meist nicht auf Erde, sondern in Substraten. Bewässerung und Düngung werden mittels Computer gesteuert. Diese Form des Ausbaus bringt bis zu fünf Ernten im Jahr. Heute reicht die Ebene nicht mehr für neue Anlagen, und man beginnt schon damit, die Berghänge abzutragen, um neue Flächen für Gewächshäuser zu schaffen. „Doch die goldenen Jahre hier, die sind vorbei, berichtet ein Gewächshausbetreiber aus Almeria. „Vor 10, 15 Jahren hat man hier ganz gut Geld verdient, aber jetzt ist es schwieriger. Jetzt gibt es auch Länder, wie zum Beispiel: Marokko, Italien, Israel, die haben ein ähnliches Klima, sie können das auch machen. Enormer Wasserverbrauch Das Grundwasser ist in den letzten Jahrzehnten in Almeria stark zurückgegangen und versalzen. Heute werden fossile Wasservorräte aus hundert Meter Tiefe hochgepumpt. Auch aus den Bergen nördlich des Gebietes wird Wasser in die Anbaugebiete geleitet. Es gibt sogar Pläne, über Pipelines den Rio Ebro im Norden Spaniens anzuzapfen. Hoher Einsatz von Pestiziden und anderen Chemikalien Monokulturen sind anfällig für Schädlinge. In Almeria werden drei- bis viermal so viel Pestizide gespritzt wie zum Beispiel in Holland, das zu den ersten Ländern zählt, in denen voll auf industrialisierte Landwirtschaft mit ausgedehnten Glashauskulturen gesetzt wurde. Entsprechend übersteigen immer wieder Pestizidrückstände auf und im Gemüse die bei uns erlaubten Höchstmengen. Auch die Böden werden mit Chemikalien desinfiziert. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sind in den kaum belüfteten Arbeitsplätzen ständig einer Vielzahl von Giften ausgesetzt. Berge aus Plastik und Giftmüll Alle zwei bis drei Jahre müssen die Folien ausgewechselt werden. Recyclinganlagen gibt es, aber sie werden wenig genutzt. Zwischen den Gewächshäusern rotten deshalb Berge von Kunststoff vermischt mit Pestiziden vor sich hin. „Das Wunder von Almeria Almeria ist das Gebiet mit den meisten Sonnenstunden und zugleich die trockenste Gegend Europas. Im Durchschnitt gibt es in einem Jahr fast 3.000 Stunden Sonnenschein. „Das Wunder von Almeria begann in den 60er-Jahren, als die Regierung die Wasserversorgung und den Aufbau der Gewächshäuser subventioniert und die Bäuerinnen und Bauern aus den umliegenden Bergen aufforderte, in die Ebene zu ziehen. Seit dieser Zeit ist die Zahl der GewächsWE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Fragen und Diskussionsthemen: – Beschreibt, wie Obst und Gemüse in Almeria produziert wird! – Nennt die Bedingungen, unter denen das „Wunder von Almeria entstehen konnte! – Überprüft, welches Obst und Gemüseangebot ihr im nächsten Supermarkt findet! Welche Produkte davon sind der Jahreszeit entsprechend reif? 12 Modul 3 Lebensmittelversorgung Transport Emissionen Wo kommt unser Gemüse her? Die Produkte aus Almeria werden rund ums Jahr in den meisten Ländern der EU verkauft. Das Gemüse aus den Plastiktunnels tritt nach der Ernte weite Reisen quer durch Europa an. Jeder Europäer und jede Europäerin essen pro Jahr durchschnittlich 10 Kilogramm Treibhausgemüse aus Südspanien. Lebensmittel werden heute Tausende Kilometer transportiert – der steigende LKW-Verkehr schafft ein zunehmendes Umweltproblem. Was haben unsere täglichen Ernährungsgewohnheiten mit dem steigenden LKW-Verkehr zu tun? Nicht nur das Ausliefern der Ware an die Supermärkte und die Einkaufsfahrten der KonsumentInnen fallen hier ins Gewicht. Die meisten Produkte oder auch einzelne Bestandteile sind schon weite Wege transportiert worden, bevor sie in Österreich oder in Deutschland verteilt und dann gekauft werden können. Leicht nachzuvollziehen ist das bei Bananen aus Südamerika oder Wein aus Kalifornien, aber auch zum Beispiel bei einem normalen Frucht-Joghurt kann es sein, dass die einzelnen Bestandteile schon Tausende Kilometer hinter sich haben, bevor sie im Joghurtbecher landen. Obwohl die Menge an Lebensmitteln, die jeder Einzelne in Österreich jährlich konsumiert, sich seit 20 Jahren nicht viel verändert hat, hat sich das Transportaufkommen (in Tonnen) in den letzten 30 Jahren um 20 Prozent erhöht. Die Transportleistung (in Tonnenkilometern) ist im Vergleichszeitraum sogar um 125 Prozent gestiegen. Vor allem deshalb, weil bei den Transporten immer größere Strecken zurückgelegt werden. Auch ist der Anteil der LKWs an diesem Transportvolumen in den letzten Jahren weiter gestiegen. Der deutsche Außenhandel mit Agrar- und Ernährungsgütern hat einen sehr hohen Umfang, wobei die Einfuhr überwiegt. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Handelspartner überwiegend in der EU bzw. in anderen europäischen Ländern gelegen sind, während der Handel mit Übersee einen vergleichsweise geringen Umfang hat. Der deutsche Agraraußenhandel hat in den vergangenen Jahren WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial erheblich zugenommen. Im Jahre 2000 stand Deutschland von allen Staaten an dritter Stelle bei den Agrareinfuhren (nach den USA und Japan). Bei den deutschen Agrareinfuhren überwiegen die Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs gegenüber den Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs. Obst, Südfrüchte und Gemüse (einschließlich Konserven) sowie Genussmittel (Kakao, Kaffee, Tabak), die in Deutschland nicht oder in nur geringem Umfang erzeugt werden können, werden in großem Umfang importiert. So lässt sich der hohe Anteil der Einfuhren pflanzlichen Ursprungs erklären. Quellen: Werner Klohn, Hans-Wilhelm Windhorst: Die Landwirtschaft in Deutschland. 4., erweiterte Auflage. Vechta 2003. (Vechtaer Materialien zum Geographieunterricht VMG, Heft 3). Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. 2002. Der Trend zur Erhöhung der Transportdistanzen findet sich im gesamten Prozess der Nahrungsmittelversorgung, sowohl in den Produktionsketten, als auch in der Warendistribution zu den Endverbrauchern. Warum? Teile der Fertigung, auch bei Nahrungsmitteln, werden in Billiglohnländer oder Regionen der Intensivlandwirtschaft wie Almeria ausgelagert. Die Einzelkomponenten kommen aus ganz Europa und zum Teil auch aus anderen Erdteilen. Ein hochdifferenziertes Transportsystem bedient Produktionsstätten und verteilt dann die fertigen Waren an die Verkaufsstellen. Die Konsumenten haben dann die Auswahl aus einer Vielzahl oft sehr ähnlicher Konkurrenzprodukte aus zum Teil weit entfernten Regionen. Die Produzenten können weite Transportwege in Kauf nehmen, da die Kosten für den Transport (also vor allem der Preis für Energie) im Vergleich zu anderen Faktoren (Arbeitskosten) so niedrig sind. Tomaten aus Almeria werden zum Beispiel 3000 Kilometer durch Europa transportiert. Das ist möglich, weil die Transportkosten nur 1 Prozent vom Regalpreis betragen. Der weltweite Handel mit Lebensmitteln hat in den letzten Jahrzehnten enorm an Umfang gewonnen, und die seit einigen Jahren begonnene Liberalisierung des Welthandels (Stichwort: Globalisierung), also die weitgehende Beseitigung aller nationalen Handelsbeschränkungen, wird diese Entwicklung weiter beschleunigen. Allerdings ist zumindest zu hoffen, dass gleichzeitig auch einige der überflüssigen Agrarexportsubventionen abgeschafft werden. Dies könnte dazu führen, dass einige Transportwege von Gütern, für die es bei Marktpreisen keinen Bedarf gibt, wegfallen. Insgesamt ist durch den derzeitigen Trend aber mit einer klaren Zunahme des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten und einer Zunahme der Transportwege zu rechnen. 13 Fragen und Diskussionsthemen: – Erklärt den Zusammenhang zwischen der Zunahme der Transportwege und unserem aktuellen Lifestyle! – Nennt die Lebensmittel, die weit transportiert werden und die, die aus der Region stammen! – Überlegt euch, welche Lebensmittel aus der Region erhältlich sind, aber Konkurrenzprodukte haben, die unnötig weit transportiert werden! Zahlen, Daten, Fakten zum Lebensmitteltransport: (Quelle: „Speiseplan und Transportaufkommen, AK Wien, 2004) Der Anteil des Transportaufkommens der Lebensmittelwirtschaft am Gesamttransportaufkommen in Österreich betrug im Jahr 2000 19,2 Prozent. Der prozentuelle Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel oder der so genannte Modal-Split des Transportaufkommens der Lebensmittelwirtschaft in Österreich sieht wie folgt aus: Straße 78,00% Schiene 20,70% Binnenschiff 1,30% Berechnet man den Anteil für die Transportleistung (in Tonnenkilometer) und nimmt man auch die außerösterreichischen Transporte hinzu, ergibt sich folgendes Bild: (Quelle: „Lebensmittelwirtschaft und Kulturlandschaft, ARGE Fast Food – Slow Food, 2003) Hochseeschiffe 44,60% LKW 32,80% Bahn 16,90% Sonst. 5,50% Die geringen Anteile der Traktoren und PKW (unter sonstiges) sind mit den kurzen Wegen beim Endverbraucher und in der Landwirtschaft zu erklären. Ausgehend von diesen Zahlen ergibt sich folgende Aufteilung der CO2-Emissionen, die für den vom Menschen verursachten Klimawandel verantwortlich sind: LKW 63,00% PKW 25,00% Traktoren 7,00% Sonst. 5,50% Der trotz seines minimalen Anteils am Transportaufkommen und an der Transportleistung hohe Anteil des Einkaufsverkehrs an den CO2-Emissionen ist darauf zurückzuführen, dass beim PKW im Vergleich zu den anderen Transportmitteln ein äußerst ungünstiges Verhältnis zwischen Fahrleistung und Beladung besteht. Eine neue Tendenz findet sich in dieser Statistik (noch) nicht: Mittlerweile werden immer mehr exotische Früchte mit dem Flugzeug nach Europa transportiert (Flugananas). Sollte sich dieser Trend fortsetzen, würde sich der Anteil des Flugzeugs WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial an dem Transportaufkommen und insbesondere der CO2Emissionen deutlich steigern. Es gibt drei entscheidende Ansatzpunkte, um die CO2-Emissionen durch das Transportaufkommen im Zusammenhang mit unserer Ernährung zu reduzieren. 1. Die Reduktion des „Einkaufsverkehrs 2. Die Reduktion des mit LKW vorgenommenen Transportaufkommens. 3. Die Unterbindung des Trends, Früchte mit dem Flugzeug zu transportieren. Personenbilanz Die für die Ernährung benötigte Energie führt zu Emission von 2600 kg CO2 pro Person und Jahr. Der durchschnittliche Lebensmittelverzehr jeder Österreicherin oder jedes Österreichers (ca. 650 kg pro Jahr) verursacht dabei 215 kg CO2Emissionen allein durch die Transporte. Der Rest der CO2Emissionen entsteht bei der Nahrungsmittel-Produktion. (Quelle: „Lebensmittelwirtschaft und Kulturlandschaft, ARGE Fast Food – Slow Food, 2003) Tierschutz Ein weiterer Gesichtspunkt, der bei immer längeren Transportwegen unter die Räder kommt, ist der Tierschutz. Denn auch die Wege, die lebende Tiere vom Hof und von der Wiese zum Schlachthof zurücklegen, werden immer länger. Was muss sich ändern? Um die Transportwege für unsere Ernährung zu reduzieren, müssen regionale Produktionsformen gestärkt und gefördert werden. Es müssen unnötige Transportwege, insbesondere bei der Verarbeitung von Lebensmitteln, reduziert werden. Wie kann das erreicht werden? – Reduktion von Massentierhaltung. Denn: Massentierhaltung heißt stärkere Zentralisierung und führt zu längeren Transportwegen a) längere Transportwege des Futters zu den Tierfabriken. b) längere Transportwege zu den oft weit entfernten großen Schlachthöfen. c) längere Transportwege zu den Verbrauchern in einem großen Verteilungsgebiet. Eine Reduktion der Massentierhaltung könnte durch strengere Vorschriften und durch die Förderung von ökologischeren Alternativen erreicht werden. – Tierverträgliche Standards für Tiertransporte und Tierhaltung: Höhere Standards sind nicht nur gut für die Tiere, sondern machen diese Art der Fleischproduktion auch teurer und verbessern somit die Chancen von kleinteiligeren, regionaleren Produktionsstrukturen. Wer ökologische und regionale Produkte kauft, kann so auch etwas für den Tierschutz tun! 14 – Förderung von Bahn und Schiff, Road-Pricing, Ökosteuer Hier geht es darum, mit unterschiedlichen Ansätzen und Maßnahmen über höhere Kosten für den Transport, unnötige und zu lange Transportwege unwirtschaftlich zu machen und diejenigen zu belohnen, die regional produzieren. – Gezielte Förderprogramme für regionale Qualitätswertschöpfungsketten und regionale Marken im Rahmen der EUStrukturförderungsprogramme. Mindestens genau so wichtig wie die Veränderung der Rahmenbedingungen, ist die Aktivierung der Verbrauchermacht zu Gunsten von biologischen und regionalen Produkten ohne lange Transporte. Was kann jede/jeder Einzelne machen? – Produkte aus biologischer und regionaler Produktion bevorzugen. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial – Den Fleischkonsum aus Massentierhaltung reduzieren und auf biologische Qualitätsprodukte umsteigen. Was kannst du/könnt ihr machen? Der Einkaufs-Check: Zum Beispiel: Projekt Regionaler Warenkorb: Schaut euch einen ganz normalen Wochenendeinkauf in eurer Familie an und listet die besorgten Produkte auf. Überlegt euch, wo die Produkte und die einzelnen Bestandteile (soweit sich das nachvollziehen lässt) herkommen und wie sie transportiert wurden. Versucht als Alternative einen regionalen Warenkorb zusammenzustellen, der trotzdem alles beinhaltet, was ihr haben wolltet. 15 Modul 4 Agrarexportsubventionen der EU Dumpingpreise WTO/Liberalisierung Fairer Handel Im Film WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL ist Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, mit folgender Aussage zu hören: „Die Absurdität der Situation der Agrarmärkte heute ist die folgende: Die reichen Länder, also die EU, die Vereinigten Staaten, die zahlen ihren Bauern für ihre Produktion und für die Exporte der Produkte Subventionen im Jahr, letztes Jahr, von 349 Milliarden Dollar, das ist mehr als eine Milliarde pro Tag. Die Konsequenz davon ist das Dumping, die Zerstörung der Agrarwirtschaften in der südlichen Hemisphäre, wo es fast nur Bauern gibt, mit einigen Ausnahmen. Ich nehme ein Beispiel, die Hauptstadt von Senegal, der Republik Senegal, in Westafrika, heißt Dakar. Diese Stadt beherbergt den größten Markt, Landwirtschaftsmarkt, in Westafrika, das ist die Sandagar, der Sandagarmarkt. Wenn sie auf den Sandagarmarkt gehen, können sie europäisches Gemüse, europäische Früchte, europäische Kartoffeln und so weiter zu einem Drittel der einheimischen Preise kaufen. Also der senegalesische Bauer, auch wenn er 18 Stunden am Tag arbeitet unter brennender Sonne, mit letztem Einsatz, der hat überhaupt gar keine Chance mehr, das Auskommen zu finden auf seinem eigenem Boden. Was muss er tun, wenn er noch die Kraft hat, emigriert er unter Todesgefahr über die Meerstraße von Gibraltar und muss sich dann irgendwo in Südspanien oder als Straßenkehrer in Paris verdingen zu unmenschlichen Bedingungen. Die EU gibt ca. 7 Prozent ihres gesamten Agrarhaushaltes für die Subventionen von Exporten aus, damit Produkte wie zum Beispiel Rindfleisch, Milchpulver oder Zucker billig in andere Länder exportiert werden können. Die Subventionen dienen vor allem dazu, die Überschussproduktion der europäischen Landwirtschaft zu Dumpingpreisen in anderen Ländern zu verkaufen. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Was sind Dumpingpreise? Dumpingpreise sind Preise, die weit unter den Produktionspreisen liegen. Durch die finanzielle Unterstützung der Landwirtschaftsbetriebe in der EU haben die europäischen Produkte einen Wettbewerbsvorteil. Dadurch werden die Preise auf den Weltmärkten künstlich nach unten gedrückt. Die billigen Waren überfluten gleichsam die Entwicklungsländer, die mit diesen Preisen nicht konkurrieren können, obwohl sie eigentlich billiger erzeugen. So werden lokale ProduzentInnen und lokale Märkte sukzessive ruiniert. Gleichzeitig wird den Ländern des Südens oft mittels Einfuhrzöllen der Marktzugang in die USA oder EU für eigene Produkte erschwert. Daten und Fakten (Quelle: GLOBAL 2000, www.global2000.at): – Die Exporte der EU und der USA machen etwa die Hälfte der weltweiten Getreideexporte aus. Die Exportpreise liegen 46 bis 34 Prozent unter den tatsächlichen Produktionspreisen. – Die USA bestimmen mehr als die Hälfte der weltweiten Maisexporte. Der Exportpreis liegt 20 Prozent unter den tatsächlichen Produktionspreisen. – Die EU ist der größte Milch-Exporteur. Die Exportpreise betragen die Hälfte der tatsächlichen Produktionskosten – Der Anteil der so genannten „Industrieländer an den gesamten Agrarexporten und -importen beträgt rund 70 Prozent. – Die gesamten Jahresumsätze der 200 größten Unternehmen der Welt sind 18mal höher als das gesamte Jahreseinkommen der 1,2 Mrd. Menschen, die in bitterer Armut leben. – Die Umsätze der 200 größten Unternehmen der Welt haben höhere Wachstumsraten als die gesamte Wirtschaft der Welt. Während der Umsatz der TOP 200 Unternehmen der Welt ca. 27.5% (1999) der gesamten Weltwirtschaft ausmachte, beschäftigten diese lediglich 0,78% (1999) der weltweiten Arbeitskraft. Unter den 100 größten Unternehmen der Welt sind mehr als die Hälfte transnationale, also weltweit tätige Konzerne. Unter den 51 dieser größten Konzerne befinden sich Lebensmittelhändler und -produzenten, wie Wal-Mart (25.), Philip Morris (70.), Nestle (86.) und Metro (93.). Gerade im Agrarsektor ist es in den letzten Jahren durch Akquisitionen und Zusammenschlüsse zu enormen Konzentrationen gekommen, was zur Folge hat, dass in den verschiedenen Agrarbereichen nicht mehr als 5 bis 10 weltweit tätige Unternehmen marktbeherrschend sind. Von diesen wird der internationale Agrarhandel in der WTO (Welthandelsorganisation) dominiert. 16 Was ist die WTO? Die Welthandelsorganisation (WTO) (englisch: World Trade Organization) ist eine internationale Organisation mit Sitz in Genf, die sich mit der Regelung von Handelsund Wirtschaftsbeziehungen beschäftigt. Wie ist die WTO entstanden? Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden internationale Abkommen zur Regulierung des Weltmarktes ins Leben gerufen. Bei der Bretton Woods Konferenz wurden 1947 die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) gegründet. Gleichzeitig wurde das allgemeine Zoll- und Freihandelsabkommen GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) vereinbart. GATT legte Regeln für den internationalen Handel fest und war ein Forum, bei dem über internationale Zölle, die Handelsbarrieren darstellen, verhandelt wurde. Die Zölle sollten laufend gesenkt werden, um den internationale Handel zu vereinfachen und die Liberalisierung des Handels voranzutreiben. Es gab acht GATT-Verhandlungsrunden. Die bis dato wichtigste war die so genannte UruguayRunde (1986-1994), im Rahmen derer zusätzlich beschlossen wurde, die Welthandelsorganisation (WTO) ins Leben zu rufen. Die WTO ist ein völkerrechtlich anerkanntes internationales Organ, das die Einhaltung der neuesten Regeln des internationalen Wettbewerbs (das Welthandelsabkommen, WTA) kontrolliert. Die WTO hat derzeit 148 Mitglieder. Neben der Gründung der WTO zählte aber die Ausweitung der Geltungsbereiche des GATTAbkommens zu den wichtigsten Ergebnissen der Uruguay-Runde. Bis zur Uruguay-Runde beschränkte sich das Abkommen fast ausschließlich auf den internationalen Handel mit Waren und Gütern. Seither fallen auch Landwirtschaft, Dienstleistungen (GATS, General Agreement on Trade in Services) und intellektuelle Urheberrechte unter das Welthandelsabkommen. Siehe auch LINK: de.wikipedia.org/wiki/WTO www.wto.org/ www.gatt.org/ www.attac.de/wto/ Die WTO wurde somit zu einem internationalen Organ, dessen prioritäre Aufgabe die fortschreitende Liberalisierung der Weltwirtschaft ist. Viele Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen kritisieren, dass dabei die wirtschaftlichen Interessen der WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial großen Konzerne und der reichen Staaten im Vordergrund stehen, die sozialen Bedingungen und der Schutz der Umwelt nicht, oder kaum berücksichtigt werden. Die Bedingungen des Welthandels werden in den WTOMinisterkonferenzen verhandelt, zu denen Minister aller Mitgliedstaaten zusammenkommen. Die WTO Ministerkonferenzen finden alle zwei Jahre statt, die letzte war im Dezember 2005 in Hong Kong, China. Solange bei einer Ministerkonfernz keine Einigung aller WTO-Mitglieder über den Abbau von Agrarsubventionen und Zöllen erreicht und ein Gesamtabkommen festgeschrieben wird, genießen die Industrienationen aufgrund bestehender Abkommen weiterhin Vorteile gegenüber den ärmeren Ländern. Initiativen zum fairen Handel erfüllen bereits eine wichtige Rolle als Pilotprojekte. Entgegen den üblichen Mechanismen auf globalisierten Märkten soll der faire Handel den Produzenten ein angemessenes Einkommen sichern. Dies geschieht beispielsweise durch Direktvermarktung von Agrarprodukten der armen Länder in den reichen Ländern mit einem angemessen Preisaufschlag, der an die Produzenten weitergegeben wird und ihnen durch langfristige Lieferverträge dauerhaft ein angemessenes Einkommen sichert. Fair gehandelte Produkte aus Entwicklungsländern sind in ganz Europa an einem einheitlichen Logo zu erkennen. Das Logo wird vom Verein TransFair vergeben, einem Zusammenschluss aus 38 Entwicklungsorganisationen. Die mit dem Siegel versehenen Waren (z.B. Kaffee, Tee, Schokolade, Orangensaft) werden in 13 europäischen Ländern auch in Supermärkten angeboten. Die Vergabe des Siegels ist an strenge soziale und ökologische Auflagen geknüpft, z.B. umweltschonender Anbau, keine Kinderarbeit. Dafür erhalten die Produzenten für die Rohstoffe Preise über Weltmarktniveau. Im normalen Handel müssen sie sich häufig mit Dumping-Preisen begnügen. LINKS Kritischer Agrarbericht 2005: www.kritischer-agrarbericht.de/index.php?id136 Globalisierungskritik: www.attac.at Fairer Handel: www.transfair.org Fragen und Diskussionsthemen: – Beschreibt, was die Agrarexportsubventionen für die Landwirtschaft der EU und für Bäuerinnen und Bauern in Entwicklungsländern bedeuten! – Erklärt den Zusammenhang zwischen unserem Lebensstandard und der Armut in den Entwicklungsländern! – Überlegt, welche Produkte aus Fairem Handel es bei uns zu kaufen gibt! Wie erkennt man fair gehandelte Produkte? 17 Modul 5 Gentechnik in der Landwirtschaft Versprechungen der Gentech-Industrie Risiken Auswirkungen auf das Ökosystem Pestizide Patente auf Saatgut Gentechnik in der Landwirtschaft – Größer, schöner, mehr und besser? Der Film WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL von Erwin Wagenhofer zeigt rumänische Bäuerinnen und Bauern beim Ernten von Auberginen. Die Früchte sind mittels Gentechnik erzeugte Hybrid-Auberginen. Was sind Hybride? LINK: www.biosicherheit.de/lexikon/12.lexi.html Ein Hybrid, eine Hybridsorte ist im biologischen Sinne ein Individuum, das durch Kreuzung zweier genetisch weit entfernter Elternorganismen entstanden ist. Es kann sich bei den Eltern um Individuen verschiedener Arten (z.B. Pferdestute und Eselhengst wird zum Maultier) oder auch um stark separiert gezüchtete Organismen einer „Inzuchtlinie handeln, wie es in der Pflanzenzüchtung üblich ist. Bei Pflanzensorten, die aus immer gleichen definierten Inzuchtlinien zusammengesetzt sind, spricht man von Hybridsorten. Hybride haben den Vorteil, über die genetisch unterschiedlichen Eltern mit einem breiteren Repertoire verschiedener genetischer Informationen ausgestattet zu sein, wodurch sich die so genannte Heterosis (Bastardwüchsigkeit) erklären lässt. Dieser Heterosis-Effekt lässt Pflanzen größer und widerstandsfähiger werden und wird daher in der Landwirtschaft bei vielen Kulturpflazen ausgenutzt. Bei Mais oder Zuckerrüben werden z. B. fast ausschließlich Hybridsorten angebaut. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Allerdings ist die Hybridzüchtung sehr aufwändig. Da die meisten Pflanzen männliche und weibliche Sexualorgane besitzen, können sie sich selbst befruchten. Das aber muss bei der Hybridzüchtung verhindert werden. Daher werden die männlichen Blütenteile manuell entfernt und/oder eine künstliche Befruchtung mit den Pollen der anderen reinerbigen Elternlinie durchgeführt. Durch männlich sterile Linien wird die Hybridzüchtung erheblich vereinfacht. Heute können solche Linien auch mit Hilfe der Gentechnik erzeugt werden. Um fruchtbare Nachkommen dieser Linien zu erhalten, wird in den Kreuzungspartnern der Pflanze ein Gen eingebracht, das die Sterilität wieder aufhebt. Eine gentechnisch vermittelte männliche Sterilität ist etwa bei Raps oder Chicoree möglich. Die daraus hervorgegangenen Hybridsorten befinden sich im Zulassungsverfahren. Was sind gentechnisch veränderte Pflanzen? „Gentechnisch verändert ist ein Organismus, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt. Gentechnisch veränderte Pflanzen sind Pflanzen, in deren DNA (Erbmaterial) ein neues Gen eingebaut wurde, um eine ihrer Eigenschaften zu verändern, z.B. um sie resistenter gegen Schädlinge zu machen. Es handelt sich dabei in erster Linie um Soja, Mais, Raps und Baumwolle. Angebaut wird derzeit vor allem in den USA, Argentinien, Kanada und China. Die mittels Gentechnik erzeugten Hybrid-Auberginen sehen schöner und größer aus als die natürlich gezüchteten, ebenso die Paprika und Tomaten. Im Film wird berichtet, dass sich immer mehr Bäuerinnen und Bauern von den Argumenten des weltgrößten Saatgutherstellers Pioneer überzeugen lassen und das Hybrid-Saatgut einkaufen. Auch die KonsumentInnen lassen sich vom „perfekten Aussehen der Früchte täuschen. Die alten Sorten, die meist intensiver und besser schmecken, werden so mit der Zeit verdrängt. In einer weiteren Filmszene ist ein 61 Hektar großes Sojabohnenfeld zu sehen. Es handelt sich um die gentechnisch verändert Sojabohne mit der Bezeichnung Roundup Ready (RR) Soja. Roundup ist ein Spritzmittel, das alles vernichtet, das zu grünen und zu blühen beginnt, außer RR-GenPflanzen. 18 Mit welchen Argumenten überzeugt der Konzern die Bäuerinnen und Bauern auf Gentechnik umzusteigen? Die Argumente pro Gentechnik versprechen: – Durch den Einsatz von Gentechnik soll der Ertrag gesteigert werden. – Beim Einsatz von Gentechnik sollen weniger Pflanzengifte verwendet werden. Die Gentech-Pflanzen werden so manipuliert, dass sie gegen Pflanzengifte, so genannte Herbizide, resistent sind. Das heißt, dass dieses Herbizid über die Felder gespritzt werden kann und alles so genannte Unkraut dadurch vernichtet wird, außer der mittels Gentechnik dagegen geschützten Pflanze. Diese Pflanzen werden oft als herbizid-resistente (HR)-Pflanzen bezeichnet und sind gegen bestimmte Pestizide wie zum Beispiel Roundup des Gentechnik-Konzerns Monsanto immun. Oder die Pflanzen werden so manipuliert, dass sie selbst in sich ein Gift produzieren, das auf bestimmte Schädlinge tödlich wirken soll. Diese Pflanzen werden oft als Bt-Pflanzen bezeichnet. Kritisch betrachtet: Was bedeutet der Umstieg auf GentechLandwirtschaft? Auf den ersten Blick erscheinen also genmanipulierte Pflanzen wie maßgeschneidert für den Acker. Die Werbeargumente der Gentech-Konzerne lassen auf große Fortschritte in der mühsamen Feldarbeit hoffen, doch so einfach lässt sich die Natur nicht austricksen. Was zunächst als Vorteil erscheint, stellt langfristig gesehen ein ernstes Problem für die Umwelt, Landwirtschaft und KonsumentInnen dar. Durch die künstlich eingebauten Resistenzen überleben die Gen-Pflanzen die „Giftduschen gegen die unerwünschten Pflanzen auf dem Feld. Doch es kommt dadurch auch bei unerwünschten Pflanzen und Insekten zu Resistenzbildung, sodass immer mehr und stärkere Pestizide eingesetzt werden. Das Argument der Gentechnikbefürworter, dass durch den Einsatz von Gentechnik der Ertrag gesteigert werde und der Pestizideinsatz zurückgehe, hat sich als nicht richtig erwiesen. Beispiel USA (Quelle: Greenpeace, www.greenpeace.de) In den USA werden seit zehn Jahren genmanipulierte Pflanzen kommerziell angebaut. Bei den meisten Gen-Pflanzen handelt es sich um herbizid-resistente (HR) oder Bt-Pflanzen. Nach zehn Jahren Anbau sind die Versprechungen der Industrie ad absurdum geführt: Erhöhter Spritzmittelverbrauch, keine höheren Erträge für Landwirte, ungeahnte Nebenwirkungen und Immunitäten bei Schädlingen sind nur einige Probleme, die durch den Anbau von Gen-Pflanzen verursacht wurden. WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL Unterrichtsmaterial Untersuchungen des Agrarwissenschaftlers Dr. Charles Benbrook belegen, dass der Anbau von Herbicide Resistant (HR)-Pflanzen in den USA und Argentinien dazu führt, dass mehr und giftigere Pestizide verwendet werden. Die Sorte Gen-Soja Roundup Ready ist gentechnisch so manipuliert, dass sie das Spritzmittel Glyphosat überlebt, während alle anderen auf dem Feld unerwünschten Pflanzen absterben sollen. Benbrook stellte fest, dass in Argentinien von 1995/96 bis 2003/04 pro Hektar 58 Prozent mehr Glyphosat gespritzt wurde. In den USA haben die HRPflanzen laut Benbrook zu einem vermehrten Pestizideinsatz von 63 Millionen Kilogramm geführt. Inzwischen breiten sich zunehmend Unkräuter aus, die gegenüber dem Spritzmittel resistent sind. In neun US-Bundesstaaten wächst bereits glyphosat-resistenter Katzenschweif (kanadisches Berufkraut) und auch von resistentem Amaranth (Amaranthus rudis) wurde berichtet. Die Bauern und Bäuerinnen setzen deshalb immer giftigere Pestizide ein, um die Schädlinge abzuwehren. Schädlinge können gegen Gift der Gen-Pflanzen immun werden. Neben den HR-Pflanzen werden überwiegend so genannte Bt-Pflanzen angebaut. Die meisten dieser Gen-Pflanzen werden durch Einsetzen einer synthetischen Version eines Gens des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt