Arbeitsblatt: Spaghetti Kurzgeschichte Federica de Cesco
Material-Details
Geeignet für Ausländerthematik
Lebenskunde
Ethik / Moral
8. Schuljahr
2 Seiten
Statistik
72582
1081
7
09.12.2010
Autor/in
Mirjam Wetli
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Spaghetti für zwei (Frederica deCesco) DieAutorin Die ltalienerinFredeica de Cescolebte, bevor sie sich in er Schweizniederliess,rn Athiopien,Deutschland, Frankreich,Spanienund Belgien.lmmerwiederwurdesiern dieser Zeit mit Vorbehalten und Vorufteilen von einheimischen Menschen Ausländerngegenüberkonfrontiert.DieseErfahrungenbewogensie, sich speziell mit dem Thema,,Fremdseinin ihrenBüchernzu beschäftigen. ln rechthumorvoller, witzigerWeisetut siedas auchin der folgendenKurzgeschichte. 4o Ä5 Heinzwar baldvierzehnund fühltesichsehr cool.ln der Klasseund auf dem Fußballfeld hatte er das Sagen. Aber richtig schön würde das Leben erst werden, wenn er im nächsten Jahr seinen Töff (schweizerischerAusdruck-für Moped) bekam und den Mädchenzeigenkonnte,was für ein Kerl er war. Er mochteMonika,die Blondemit den langenHaarenaus der Parallelklasse und ärgertesich über seine entzündetenPickel, die er mit schmutzigenNägeln ausdrückte.lm Unterrichtmachte er gerne auf Venveigerung.Die Lehrersolltenbloß nicht auf den Gedankenkommen,dass er sich anstrengte. Mittagskonnteer nichtnach Hause,weil der eine Bus zu früh,der anderezu gleichgegenüberder Schule. spät abfuhr.So ass er im Selbstbedienungsrestaurant, Aber an manchenTagensparteer lieberdas Geld und verschlangeinenHamburgeran der Stehbar. Samstags leisteteer sich dann eine neue Kassette,was die Mutter natürlichnichtwissendurfte.Doch manchmal- so wie heute- hing ihm der Big Mac zum Hals heraus.Er hatteLustauf ein richtigesEssen.EinenKaugummiim Mund,stapfteer mit seinen Cowboystiefeln die Treppe zum Restauranthinauf. Die Reißverschlüsse seiner Lederjackeklimpertenbei jedem Schritt.lm Restauranttrafen sich Arbeiteraus der nahen Möbelfabrik.Schüler und Hausfrauenmit Einkaufstaschen und kleinen Kindern, die Unmengen Cola tranken, Pommes frites verzehrten und fettige Fingerabdrücke auf den Tischenhinterließen. Viel Geld wollte Heinz nicht ausgeben;er spartees lieberfür die nächsteKassette. ltalienischeGemüsesuppestand im Menü. Warum nicht? lmmer noch seinen Kaugummimahlend,nahm Heinz ein Tablett und stelltesich an. Ein schwitzendes Fräuleinschöpftedie Suppeaus einem dampfendenTopf. Heinznicktezufrieden.Der Tellerwar ganz ordentlichvoll.EineSchnitteBrotdazu und er würdebestimmtsatt. Er setztesich an einenfreienTisch,nahm den Kaugummiaus dem Mund und klebteihn unter den Stuhl. Da merkteer, dass er den Löffelvergessenhatte.Heinz stand auf und holtesich einen.Als er zu seinemTischzurückstapfte, trauteer seinenAugennicht:Ein Schwarzersass an seinemPlatzund ass seelenruhig seineGemüsesuppe! Heinzstand mit seinem Löffel fassungslosda, bis ihn die Wut packte. Zum Teufel mit diesen Asylbewerbern!Der kam irgendwoaus Uagadugu.Wollte sich in der Schweiz breit machen und jetzt fiel ihm nichts Besseres ein, als das ausgerechnetseine Gemüsesuppezu verzehren!Schon möglich,dass so was den afrikanischenSitten entsprach,aberhierzulande war das eine bodenloseUnverschämtheit! Heinzöffneteden Mund,um den MenschenlautstarkseineMeinungzu sagen,als ihm auffiel,dass die Leuteihn komischansahen.Heinzwurderot. Er wolltenichtals Rassist es gelten.Aberwasnun? Plötzlichfassteer einenEntschluss. Er räuspertesich vernehmlich, zog einenStuhl zurückund setztesich dem Schwarzengegenüber.Dieserhob den Kopf,blickteihn kuz an und schlurfteungestörtdie Suppeweiter.Heinzpresstedie Zähne zusammen, dass seine Kinnbackenschmerzten.Dann packteer energischden Löffel,beugtesich tro über den Tischund tauchteihn in die Suppe.Der Schwarzehob abermalsden Kopf.So starrtensie sich an. Heinzbemühtesich,die Augennichtzu senken.Er führtemit leicht zitternderHand den Löffelzum Mund und tauchteihn zum zweitenMal in die Suppe. SeinenvollenLöffelin der Hand fuhr der Schwarzefort, ihn stumm zu betrachten.Dann senkteer die Augen auf seinenTellerund ass weiter.Eine Weileverging.Beideteilten hat 5 sich die Suppe.ohne dass ein Wort fiel. Heinzversuchtenachzudenken. ,,Vielleicht der MenschkeinGeld,mussschontagelanghungern.Dannsah er die Suppeda stehen und bedientesich einfach.Schon möglich,wer weiss Vielleichtwürde ich mit leeren Magenähnlichreagieren?Und Deutschkonnteer anscheinend auch nicht,sonstwürde er da nicht sitzen wie ein Klotz. lst doch peinlich.lch an seiner Stelle wurde mich 5o schämen.Ob Schwarzewohl rot werdenkönnen? Das leichteKlirrendes Löffels,den der Afrikanerin den leerenTeller legte, ließ Heinz die Augenheben.Der Schwarzehattesich zurückgelehnt und sah ihn an. Heinzkonnte seinen Blick nicht deuten. In seiner Verwirrunglehnte er sich ebenfalls zurück. perltenauf seiner Oberlippe,sein Pullijuckte und die Lederjackewar Schweißtropfen 5s verdammtheißl Er versuchteden Schwarzenabzuschätzen.,,Junger Kerl. Etwas älter als ich. Vielleichtsechzehnoder sogar schon achtzehn.Normal angezogen:Jeans, Pulli, Wndjacke. Sieht eigentlichnicht wie ein Obdachloseraus. lmmerhin,der hat meine halbe Suppe aufgegessenund sagte nicht einmal danke!Verdammt,ich habe noch Hunger! 6 Der Schwarzestand auf. Heinz blieb der Mund offen.,,Hautder tatsächlichab? Jetzt ist aber das Mass voll!So eine Frechheit!Der soll mir wenigstensdie halbeGemüsesuppe bezahlenlEr wollteaufspringenund Krachschlagen.Da sah er, wie sich der Schwarze mit einemTablettin der Handwiederanstellte. Heinzfiel unsanftauf seinenStuhlzurückund saß da wie ein Ölgotze.,,Alsodoch: Der Mensch hat Geld! Aber bildetder sich vielleichtein, dass ich ihm den zweitenGang 6;5 bezahle?Heinz griff hastig nach seiner Schulmappe,,Blossweg von hier, bevor er mich zu Kassebittet.Aber nein,sicherlichnicht.Oder doch?Heinzließ die Mappe los und kratztenervösan einem Pickel.lrgendwiewollteer wissen,wie es weiterging.Der Schwarzehatte einen Tagestellerbestellt.Jetzt stand er vor der Kasse und wahrhaftig ?o ol bezahlte!Heinz schniefte:,,Verrücktl, dachteer. ,,TotalgesponnenlDa kam der Schwarzezurück.Er trug das Tablett,auf dem einengroßenTellerSpaghettistandmit Tomatensauce,vier Fleischbällchen und zwei Gabeln.lmmer noch stumm, setzte er sich Heinzgegenüber,schob den Tellerin die Mittedes Tisches,nahm eine Gabelund begannzu essen,wobeier Heinzausdruckslos in die Augenschaute. ?5 Heinz \Mmpernflatterten.Heiliger Strohsack!DieserTyp forderteihn tatsächlichauf, die Spaghettimit ihm zu teilen! Heinz brach der Schweißaus. Was nun? Sollte er essen? Nicht essen? Seine Gedankenüberstürztensich. Wenn der Mensch doch wenigstensreden würdel ,,Nagut. Er ass die HälftemeinerSuppe,jetzt esse ich die HälfteseinerSpagetti,dann sind wir quitt!Wütendund beschämtgriff Heinz nach der 8o Gabel, rollte die Spaghettiauf und steckte sie in den Mund. Schweigen.Beide verschlangen die Spaghetti.,,Eigentlich nett von ihm, dass er mir eine Gabel brachte, dachteHeinz.,,Dakomme ich noch zu einem guten Spaghettiessen, das ich mir heute geleistet jetzt nicht hätte Aber was soll ich sagen? Danke? Saublöd!Einen Vorwurf machenkann ich ihm auch nichtmehr.Vielleichthat er gar nichtgemerkt,dass er meine 85 Suppeass. Oder vielleichtist es üblichin Afrika,sich das Essenzu teilen?Schmecken gut, die Spaghetti.Das Fleischauch. Wenn ich nur nicht so schwitzenwürde! Die Portionwar sehr reichlich.Bald hatteHeinzkeinenHungermehr.Dem Schwarzenging es ebenso.Er legte die Gabel aufs Tablettund putztesich mit der Papierserviette den Mund ab. Heinz räuspertesich und scharrtemit den Füßen.Der Schwarzelehntesich -Heinz und sah ihn an. Undurchdringlich. 0o zurück,schobdie Daumenin die Jeanstaschen kratztesich unterdem Rollkragen, Bimbam!Wenn bis ihm die Hautschmerzte.,,Heiliger ich nur wüsste,was er denkt.Venvirrt,schwitzendund erbost ließ er seine Blicke umherwandern. Plötzlichspürteer ein Kribbelnim Nacken.Ein Schauerjagte ihm über die Wirbelsäulevon den Ohrenbis ans Gesäß.Auf dem Nebentisch, an den sich bisher 95 niemandgesetzthatte,stand einsamauf dem Tablett- ein TellerkalterGemüsesuppe. Heinzerlebteden peinlichsten AugenblickseinesLebens.Am liebstenhätte er sich in ein Mauselochverkrochen.Es vergingenzehn volle Sekunden,bis er es endlichwagte dem Schwarzenins Gesichtzu sehen.Er saß da, völligentspanntund cooler,als Heinz es je sein würde,und wippteleichtmit dem Stuhl hin und her. ,,4h.stammelteHeinz sie bitte, ich..Er sah die Pupillendes Schwarzen loo feuerrotim Gesicht,,,entschuldigen aufblitzen,sah den Schalk-in seinenAugen schimmern.Auf einmalwarf er den Kopf zurück, brach in dröhnendesGelächteraus. Zuerst brachte Heinz ein verschämtes Glucksenzustande,bis endlichder Banngebrochenwar und er aus vollemHals in das Gelächterdes Afrikanerseinstimmte.EineWeilesaßensie da, voll Lachengeschuttelt. ao6 Dannstandder Schwarzeauf, schlugHeinzauf die Schulter.,,lchheiße Marcel,sagte er in bestemDeutsch.,,lchessejeden Tag hier.Sehe ich dich morgenwieder?Um die gleicheZöit? Heinz Augen tränten,sein Zwerchfellglühte und er schnapptenach Luft. ,,lnOrdnung,keuchteer. ,,Aberdannspendiereich die Spaghetti!