Arbeitsblatt: Klassenschreibprojekt Liebesroman

Material-Details

Didaktische Arbeit mit Arbeitsblättern zur Durchführung eines Klassenromans, Sek B oder C (Anhang siehe "Lösungen")
Deutsch
Texte schreiben
7. Schuljahr
42 Seiten

Statistik

74229
1343
26
09.01.2011

Autor/in

nanazola (Spitzname)
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 2 2. Fachwissenschaftliche und fachdidaktische Grundlagen 3 2.1 Lehrplanbezug 3 2.2 Theoretische Grundlagen zum Thema Schreiben 4 2.2.1 Modelle des Schreibprozesses 2.2.2 Das 3-Säulen-Modell der Schreibförderung 2.2.3 Schreibanlässe – Wodurch sich gute, motivierende Schreibaufgaben auszeichnen 2.2.4 Zum Schreiben motivieren – Wie die Motivation während des Schreibprozesses erhalten bleibt 2.2.5 Texte überarbeiten 2.2.6 Die Überarbeitungsphase – Textüberarbeitung im „Schreibkarussell 3. Umsetzung im Unterricht 3.1 Rahmenbedingungen und didaktische Überlegungen 3.1.1 Schülervoraussetzungen 3.1.2 Didaktische Überlegungen zur Grob- und Feinplanung 4 6 8 10 11 14 16 16 16 17 3.2 Grobplanung 20 3.3 Feinplanung 23 4. Reflexion der Unterrichtseinheit 4.1 Auswertung der Schülerarbeiten 4.1.1 Planungsphase: Collage erstellen 4.1.2 Überarbeitungsphase: Schreibkarussell 26 26 26 28 4.2 Evaluation des Unterrichts mittels Schülerbefragung 29 4.3 Persönliche Schlussfolgerungen und Rückblick auf die Arbeit 30 5. Literatur- und Quellenverzeichnis 31 6. Anhang 32 1. Einleitung Die Fähigkeit, Texte unterschiedlicher Art lesen und schreiben zu können ist gemäss Zürcher Lehrplan eines der Hauptziele des Deutschunterrichts und des gesamten Unterrichts überhaupt. Da mit dem Schreiben von eigenen Texten das aktive sprachliche Handeln der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt steht, haben wir uns für die vorliegende Arbeit für eine praktische Umsetzung des Themas Schreiben entschieden. Mit der Wahl des Themas haben wir uns zum Ziel gesetzt, mit der Sek. C-Klasse von A. Wyrsch einen Liebesroman in Form eines Klassenschreibprojekts zu verfassen. Da wir in unserer Arbeit nicht den gesamten Schreibprozess darstellen können, beschränken wir uns auf die beiden Phasen der Planung und Überarbeitung, da diese Bereiche unserer Ansicht nach gerade in Bezug auf die Schülervoraussetzungen sehr interessant sind. Für die Planungsphase stellt sich für uns deshalb die zentrale Frage, wie sich die Schülerinnen und Schüler für ein längeres Schreibprojekt motivieren lassen, und wie ein solcher Schreibanlass geplant werden muss, damit diese Motivation über die verschiedenen Phasen des Prozesses hinweg erhalten bleibt. Für die Überarbeitungsphase hingegen ist uns wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler an ihren eigenen Texten arbeiten und lernen, diese mit ausgewählten Überarbeitungsmethoden zu verbessern. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in folgende drei Abschnitte: einen theoretischen Teil mit fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Grundlagen zum Thema Schreiben, einen praxisbezogenen Teil mit der Grobplanung und zwei ausgewählten Feinplanungen sowie eine Reflexion der Unterrichtseinheit. Dabei beziehen sich der Theorieteil wie auch die Reflexion hauptsächlich auf die aus der Grobplanung ausgewählten Bereiche Planung/Motivation und Überarbeitung. 2 2. Fachwissenschaftliche und fachdidaktische Grundlagen 2.1 Lehrplanbezug Der Bereich Schreiben im Deutschunterricht ist im Lehrplan in verschiedenen Bereichen verankert. So definiert der Lehrplan Schreiben als eine grundlegende Kulturtechnik, die es ermöglicht, Erlebtes, Gefühltes und Gedachtes für sich selbst oder auch für andere festzuhalten. Die Schülerinnen und Schüler sollen aber auch den praktischen und persönlichen Wert des Schreibens erfahren und ihre kreativen Fähigkeiten in vielfältigen, spannenden und auch unterhaltsamen Schreibanlässen entfalten können. Die Sprachaktivitäten, die beim „Schreibprojekt Liebesroman geleistet werden, können jedoch nicht ausschliesslich dem Bereich Schreiben zugeordnet werden. Die dabei geleistete Spracharbeit ist sehr vielseitig und bezieht sich auf die wichtigsten Lernzielbereiche des Zürcher Lehrplanes im Bereich Sprache. Allgemeine Lernziele: • • • • • • Schriftliche Anleitungen, Anweisungen und Aufträge verstehen und ausführen (S. 148) Ideen, Informationen, Materialien sammeln und ordnen (S. 149) Inhalte mit den für den Leser notwendigen Informationen aufschreiben (S. 149) Texte inhaltlich und stilistisch in Bezug auf ausgewählte Kriterien zu überarbeiten (S. 150) Texte und grafische Aufgaben selbständig gestalten (S. 166) Einen Schülertext verstehen und konstruktiv zu kritisieren (Lehrerkommentar Kontakt 2, S. 72) Das Schreibprojekt bietet eine geeignete Plattform um einerseits kreatives Schreiben zu fördern, indem die Schülerinnen und Schüler lernen, eigene Gedanken und Sachverhalte zu formulieren, andererseits erhält auch die Überarbeitung eigener Texte eine besondere Gewichtung. Durch diesen Schreibanlass lernen die Schülerinnen und Schüler jedoch nicht nur das Entwerfen und Überarbeiten von eigenen Texten, sondern sie üben auch, ihre Geschichten in angemessener Form für andere Leser zu gestalten. Dabei motiviert die Tatsache, dass die Texte für ein Lesepublikum geschrieben werden, in besonderer Weise. 3 Der Lehrplan betont, dass Sprachlernen vom Interesse der Lernenden ausgehen muss. Dieser projektorientierte Schreibanlass ermöglicht den Schülerinnen und Schülern die Auseinandersetzung mit einem Thema, das die ausserschulische Welt in den Unterricht einbezieht und je nach Thema auch an die Erfahrungen der Lernenden anknüpft. Zudem ermöglicht dieses Schreibprojekt eine produktive Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Klischees, die den Schülerinnen und Schülern beim vorangehenden Lesen eines Liebesromans begegnet sind. In Bezug auf die Überarbeitung von Texten sollen die Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, Texte konstruktiv zu kritisieren und gemäss Lehrplan inhaltlich und stilistisch aufgrund ausgewählter Kriterien zu überarbeiten. Die Methode des Schreibkarussells bietet die Gelegenheit, Texte gegenseitig anhand eines Kriterienkatalogs zu bearbeiten und die Kommentare zu den gelesenen Geschichten für die anschliessende Überarbeitung des Autors/der Autorin auf einem Tippzettel festzuhalten. In der Grobplanung sind die relevanten Lernziele des Zürcher Lehrplanes in Bezug auf die jeweiligen Unterrichtseinheiten aufgeführt. 2.2 Theoretische Grundlagen zum Thema Schreiben 2.2.1 Modelle des Schreibprozesses Schreibprozesse können nach Baurmann und Weingarten definiert werden als „Ereignisse, denen eine Funktion im Rahmen der Produktion eines schriftlichen Textes zugeordnet werden kann. 1 Im Modell von Hayes und Flower2 werden die Prozesse der Textproduktion von einem komplexen Aufgabenumfeld umgeben. Dazu gehören der Schreibauftrag, das Thema, der reale oder fiktive Adressat, bereits produzierte Textteile sowie motivationale Aspekte in Form von „Hinweisen auf formale strukturelle oder inhaltliche Anforderungen der Aufgabenstellung.3 AUFGABENUMFELD Baurmann J. und Weingarten, R.: Schreiben. Prozesse, Prozeduren und Produkte, S. 14. 2 Hayes J. R. und Flower, L.: Identifying the organization of writing processes, S. 213. 3 Sieber, Peter: Modelle des Schreibprozesses, S. 212f 1 4 Schreibauftrag Thema Adressat Motivation bisher geschriebene Textteile SCHREIBPROZESS PLANEN Langzeitgedächtnis des Autors Wissen zum Thema Wissen über Adressat Vorhandene Pläne Generier en FORMU LIEREN ÜBERAR BEITEN Struktu rieren Lesen Ziele setzen Revidie ren KONTROLL/STEUERUNGSINSTANZ Allgemeines Modell der Textproduktion nach (Hayes Flower 1980) An diesem wohl bekanntesten Schreibprozessmodell von Hayes und Flower4 wurde bemängelt, dass sich „das Prozessmodell ausschliesslich am Expertenkönnen ausrichtet – und damit für die vor allem im schulischen Kontext wichtigen Erwerbsprozesse von Lernenden nicht hinreichend tauglich sei.5 Aufgrund der geäusserten Kritik wurden weitere Modelle, wie zum Beispiel das Strukturmodell des Schreibprozesses von Ludwig6 konzipiert, welches zusätzlich „motivationale Bedingungen, motorische Handlungen und eine stärkere Gewichtung des Einflusses des entstehenden Textes7 einbezieht. KONTEXTBEDINGUNGEN 1 Der entstehende Text MOTIVATIONALE BASIS 4 Sieber, Peter: Modelle des Schreibprozesses, S. 213. Ebd. 6 Ebd., S. 214. 7 Ebd., S. 213. 5 5 LANGZEIT Wissen GEDÄCHTNIS insbesondere sprachliches Wissen 2 KONZEPTIONELLE PROZESSE 3 INNER SPRACHLICHE PROZESSE 4 MOTORISCHE PROZESSE 5 REDIGIERENDE PROZESSE 2.1 2.2 2.3 3.1 3.2 3.3 Zielsetzung Gedankliche Konzeption Bildung eines Schreibplanes Textbildung Satzbildung Berücksichtigung von Konventionen der geschriebenen Sprache Bildung eines Bewegungsprogramms Ausführung Kontrolle Lesen Korrigieren Emendieren Redigieren Neu fassen 4.1 SITUATIVE BEDINGUNGEN 4.2 4.3 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 SCHREIBPROZESS Fähigkeiten Beherrschung der motor. Prozesse SCHREIBPROZESS VORWissen über BEREITUNGSSchreibpläne HANDLUNGEN Anlass, Leser, Ort, Zeit und weitere Umstände Die Struktur des Schreibprozesses (Ludwig 1983) 2.2.2 Das 3-Säulen-Modell der Schreibförderung Um den gesamten Prozess des Schreibens mit seinen verschiedenen didaktischen Aspekten übersichtlich darzustellen, wurde in der Schreibdidaktik ein „Drei-SäulenModell der Schreibförderung8 entwickelt. Schreibprozesse Überarbeitungsprozess Beurteilungsprozess Klare Vorstellungen über den Schreibanlass entwickeln. Abstand zum Text gewinnen Texte von anderen zur Kenntnis nehmen Sammeln und Planen von Inhalten Dissonanzen entdecken Über Textqualitäten reden lernen Schreibprozesse mehrphasig anlegen Alternativen finden Von der Fremd zur Selbstbeurteilung „Schulische Schreibprozesse können, wie Sieber postuliert, „von zwei grundlegend unterschiedlich angelegten Anlässen aus ihren Anfang nehmen: von freien Impulsen und Anregungen ebenso wie von strukturierten und in der Abfolge der einzelnen Schritte unterstützten, angeleiteten Impulsen.9 Solche Impulse sollten in den Köpfen der Lernenden zu klaren Vorstellungen führen, wie sie ihren Schreibprozess gestalten könnten. Ausgehend von diesen Vorstellungen werden Ideen und Inhalte 8 9 Sieber, Peter: Modelle des Schreibprozesses, S. 219. Ebd. 6 gesammelt und das weitere Vorgehen geplant. Die Theorie fordert zudem aufgrund von vielfältigen Erfahrungen, „die Schreibprozesse mehrphasig anzulegen, damit Schülerinnen und Schüler eine Distanz zu ihren eigenen Texten gewinnen, was „den Wechsel von der Schreiber- zur Leserperspektive [.] unterstützt.10 Um Texte erfolgreich überarbeiten zu können, ist eine gewisse Distanz zum Geschriebenen unverzichtbar. Die Fähigkeit, den eigenen Text aus der Sicht des Lesers zu betrachten und somit einen „Perspektivenwechsel11 vorzunehmen, hängt gemäss Sieber stark mit der „entsprechende[n] Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten12 zusammen. Dies erklärt auch, warum das Überarbeiten von geschriebenen Texten bei jüngeren Schülerinnen und Schülern oft noch wenig wirkungsvoll ist. Das Entdecken von Dissonanzen in einem Text findet meist durch das Gespräch mit anderen Lernenden statt. Der Dialog ermöglicht das Herausschälen von Unstimmigkeiten auf verschiedenen Ebenen, was wiederum die Voraussetzung für die erfolgreiche Suche nach Alternativen zum bereits formulierten Text bildet. „Die Wahrnehmung von unterschiedlichen Realisierungsmöglichkeiten von Textaufgaben13 ist nach Sieber Voraussetzung dafür, dass Schreiberinnen und Schreiber eigene Texte bezüglich der Qualität beurteilen können. Gute Schreiber zeichnen sich demnach durch ihre „hohe Kompetenz zur Selbstbeurteilung ihrer eigenen Texte14 aus. Um eine „bewusste Textkompetenz15 und die dafür nötigen Schreibstrategien aufzubauen sind wiederum Gespräche über die unterschiedlichen Realisierungsmöglichkeiten von Schreibaufgaben und die Qualitäten der einzelnen Texte notwendig. Das Reden über Texte bedingt jedoch eine Sprache, die den Austausch über Geschriebenes, d.h. über die Qualitäten von Texten, möglich macht. 2.2.3 Schreibanlässe – Wodurch sich gute, motivierende Schreibaufgaben auszeichnen 10 Sieber, Peter: Modelle des Schreibprozesses, S. 219. Ebd. 12 Ebd., S. 219f 13 Ebd., S. 220. 14 Ebd. 15 Ebd. 11 7 Der Weg von der Schreibaufgabe bis zum Endprodukt beinhaltet für die Schülerinnen und Schüler nicht nur viele, zum Teil schweisstreibende Arbeitsstunden, sondern auch eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen Prozessen, die während des Planens, Schreibens und Überarbeitens ihrer Texte ablaufen. Ein erfolgreiches und erfreuliches Produkt am Ende des Schreibprozesses hängt von vielen einzelnen Schritten, Entscheidungen und Handlungen der Lehrperson wie auch der Lernenden ab, wobei die Schreibaufgabe zu Beginn des Prozesses eine entscheidende Rolle spielt. Sieber unterstreicht die Bedeutung der Schreibaufgabe mit der Aussage, dass „die Textproduktion [.] massgeblich durch den Schreibanlass und die Aufgabenstruktur beeinflusst [wird].16 Welche Merkmale zeichnen nun aber eine gute und motivierende Schreibaufgabe und den daraus folgenden Schreibauftrag aus? Nach Portmann wird der Schreibauftrag bestimmt „durch die Vorgabe, durch Rahmenbedingungen und durch die sprachlich-textuelle Akzentuierung.17 Als Vorgabe oder Kontext kann zum Beispiel ein Titel dienen, welcher mit einigen klärenden Erläuterungen präsentiert wird, möglich ist aber auch die Beschreibung einer Situation oder die Wiederaufnahme eines bestimmten Anlasses. Die Vorgabe beinhaltet also den Inhalt eines Textes sowie die Schreibauftragsformulierung. Unter dem Begriff Rahmenbedingungen sind einerseits die „äusseren Umstände 18 wie die Sozialform, die zeitliche Dauer oder der Textumfang zu verstehen, andererseits gehören dazu ebenso alle anderen Umstände, welche die Entstehung eines Textes und somit den Schreibprozess beeinflussen. Die Rahmenbedingungen unterscheiden sich je nach Schreibauftrag und können entweder im Plenum erarbeitet oder von der Lehrperson vorgegeben werden. Gemäss Baurmann betrifft „die sprachlich-textuelle Akzentuierung [.] die Funktion des Schreibens, die Form und das Thema.19 Die Textform beschreibt die Textsorte, während bei der ‚Funktion des Schreibens folgende Unterscheidungen gemacht werden können: „Schreiben für sich selber, schreiben für andere, schreiben an andere, schreiben zur Gedächtnisentlastung oder schreiben um Erkenntnisse zu gewinnen.20 16 Sieber, Peter: Modelle des Schreibprozesses, S. 210. Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik, S. 56. 18 Portmann, Paul R.: Schreiben und Lernen. Grundlagen der fremdsprachlichen Schreibdidaktik. 19 Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik, S. 57. 20 Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik, S. 14. 17 8 Bevor Schreibaufträge als Schreibaufgabe gestellt werden, sollten sie von der Lehrperson aufgrund der genannten drei Aspekte Kontext, Rahmenbedingungen und sprachlich-textuelle Akzentuierung reflektiert werden. Mit Hilfe dieser Überlegungen sollte man sich Gedanken darüber machen, wie aufgrund eines aktuellen Anlasses oder einer Situation ein Schreibauftrag entwickelt und daraus Schreibziele formuliert werden können. Baurmann ist der Ansicht, dass es „Aufgabe von Schule und Unterricht [ist], Schreibziele bei Kindern und Jugendlichen aufzunehmen, zu verstärken oder dazu hinzuführen. Er fügt zudem an, dass es wichtig sei, „dass sich Schülerinnen und Schüler die Schreibaufgabe als Schreibziel zu Eigen machen 21, damit das Schreiben gelingt. Baurmann begründet diese Aussage, indem er darauf hinweist, dass Jugendliche, die ein Schreibziel vor Augen haben, oftmals nur zum Schreiben ermutigt werden müssten, anderen wiederum bei allfälligem Stocken des Schreibflusses weiter geholfen werden kann, indem man sie ihr Schreibziel vorstellen lässt. Schreibziele werden meist nicht von den Schülerinnen und Schülern selbst gesetzt, sondern werden von der Lehrperson vorgegeben, die „wohl überlegt an den vorhandenen Erfahrungen und Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen anzuknüpfen und deren Schreibfähigkeiten einzuschätzen22 weiss. Baurmann hält jedoch auch fest, dass Schülerinnen und Schüler „zu dem etwas schreiben können, wozu sie über Vorerfahrungen und eigenes Erleben eine Beziehung aufgebaut haben23. In diesem Fall sind Kinder und Jugendliche auch in der Lage, durch eine solche Beziehung zu einem Sachverhalt eigenständig Schreibziele zu entwickeln. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Formulierung eines Schreibauftrags ist die Motivation. Nach Baurmann „stellt sich nicht nur die Frage, wie wir das Verfassen von Texten initiieren, sondern auch, wie die Lust am Schreiben über einen längeren Zeitraum gesichert und gegen das Nachlassen der ersten Begeisterung und gegen aufkommende Schwierigkeiten und Widerstände beim Schreiben erhalten werden kann.24 Das folgende Kapitel widmet sich ausführlicher dem Thema Motivation. 2.2.4 Zum Schreiben motivieren – Wie die Motivation während des Schreibprozesses erhalten bleibt 21 Ebd., S. 58. Ebd., S. 62. 23 Ebd., S. 63. 24 Ebd., S. 64f 22 9 Die Schwierigkeit, die Schülerinnen und Schüler nicht nur für die Idee einer Schreibaufgabe zu begeistern, sondern diese Begeisterung auch während des Schreib- und Überarbeitungsprozesses aufrecht zu erhalten, stellt sich für uns Lehrpersonen als grundlegende Herausforderung. Baurmann und Müller gehen davon aus, dass das Verfassen von Texten unter anderem abhängig ist von „Gefühlen, vom inneren Antrieb, ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder eine bestimmte Tätigkeit auszuführen, und vom Willen, sich anzustrengen25, und Wrobel plädiert dafür, dass „motivationale Prozesse [.] das ‚Schreiben als Handlung im Ganzen begleiten [sollten], also das Planen, Formulieren, Niederschreiben und Überarbeiten.26 Allein anregende und motivierende Schreibaufgaben reichen also nicht aus, um die Motivation während des gesamten Schreibprozesses aufrecht zu erhalten. Rheinberg27 formuliert dazu folgende Erkenntnisse, wie sich eine beständige Motivation zum Schreiben aufbauen kann: • Es besteht eine Situation, die für die Schülerinnen und Schüler einsichtig ist und das Verfassen eines Textes erfordert oder herausfordert. • Den Verfasserinnen und Verfassern eines Textes leuchtet ein, dass ihr Schreiben zu einem Ergebnis führt. • Das Schreiben führt zu Folgen, die für den einzelnen Schreiber, die einzelne Schreiberin bedeutsam sind. Obwohl faszinierende Schreibaufgaben den Grundstein für die Motivation zum Schreiben bilden, tragen die genannten Aspekte massgeblich zur Erhaltung der anfänglichen Begeisterung und darüber hinaus zum erfolgreichen Verfassen von Texten bei. Dazu kommen verschiedene „situative Bedingungen28 wie die Schreibumgebung, unterschiedliche Schreibmaterialien, der gestaltende Umgang mit Texten oder kooperierende Schreibformen, welche die Schreibmotivation beeinflussen können. 25 Baurmann, J. und Müller, A.: Zum Schreiben motivieren – das Schreiben unterstützen, S. 16. Wrobel, A.: Schreiben als Handlung. Überlegungen und Untersuchungen zur Theorie der Textproduktion. 27 Rheinberg, Falko: Motivation. 28 Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik, S. 65. 26 10 Nach Baurmann und Müller tragen die beschriebenen Faktoren allein jedoch noch nicht zum Gelingen des schulischen Schreibens bei. Ihrer Ansicht nach muss die Aufmerksamkeit auf die Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern beim Schreiben von Texten gelenkt werden, weshalb sie für einen schreiberdifferenzierten Unterricht plädieren. Diese Unterschiede beziehen sich vor allem auf das Verstehen einer Schreibaufgabe, „wie sie damit umgehen, wie sie Schreibziele erreichen [und] auf welche Weise und mit welchem Nachdruck sie das eigene Vorgehen koordinieren und überwachen.29 Dadurch sind bei Schülertexten nicht nur erhebliche Kontraste in Bezug auf die Qualität ersichtlich, sondern auch im Hinblick auf die „Art und Güte des Überarbeitens.30 2.2.5 Texte überarbeiten Schon im Modell von Hayes und Flower gehört das Überarbeiten von Texten neben dem Planen und Schreibprozesses, Formulieren aber auch im zu den wichtigsten Strukturmodell von Teilbereichen Ludwig nehmen des die redigierenden Prozesse eine bedeutende Stellung ein. Nach Baurmann und Ludwig 31 können Textrevisionen nach dem Grad des Eingriffs unterschieden werden: Korrekturen, Redigierungen, Nachträge, Verbesserungen und Reformulierungen. Da Textrevisionen bereits im Kopf von Autorinnen und Autoren erfolgen und nicht erst auf dem Papier, unterscheiden Schreibprozessforscher zwischen Textrevisionen und Prätextrevisionen. Unter Textrevisionen sind „die bereits vorgenommenen Textveränderungen32 gemeint, die in der Schule meist im Zentrum des Interesses stehen, während sogenannte Prätextrevisionen Änderungsprozesse bezeichnen, die vor der Niederschrift beim Formulieren bzw. Umformulieren des Prätextes stattfinden. Erhebliche Unterschiede bei der Überarbeitung von Texten lassen sich im Bereich des Umfangs und der Qualität feststellen. Entscheidend für die „Nutzung von Überarbeitungskompetenz ist nach Sieber das „Schreibalter, also die „Summe der Schreiberfahrungen, die zu einem gewissen Zeitpunkt unabhängig vom Alter gemacht worden sind.33 In Bezug auf unsere Schülerinnen und Schüler heisst das, 29 Baurmann, J. und Müller, A.: Zum Schreiben motivieren – das Schreiben unterstützen, S. 17. Ebd. 31 Baurmann, J. und Ludwig, O.: Texte überarbeiten. Zur Theorie und Praxis von Revisionen. 32 Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik, S. 91. 33 Sieber, Peter: Modelle des Schreibprozesses, S. 215. 30 11 dass weniger geübte und vor allem auch jüngere Schreiber weniger häufig mit Überarbeitungsmethoden arbeiten und ihre Texte somit auch schneller verfasst haben, während geübte Schreiber meist mehr Zeit für das Herstellen ihrer Texte benötigen und auch mehr Revisionen vornehmen. Schwierigkeiten, die Schülerinnen und Schüler beim Überarbeiten haben, hängen nach Baurmann oft damit zusammen, dass sie Mühe bekunden, „die Absichten ihres Schreibens eindeutig zu identifizieren. Ausserdem tun sie sich oft schwer, „die eigene Sicht auf das Geschriebene zugunsten der Aussensicht von Leserinnen und Lesern zurückzustellen34, wobei diese Tatsache ebenfalls vom Schreibalter abhängt. Wenn Schülerinnen und Schüler Texte verfassen, stehen sie einmal ganz nahe am Geschriebenen, dann wieder betrachten sie den eigenen Text aus einer grösseren Distanz. Baurmann beschreibt folgende Konsequenzen für Schreiberinnen und Schreiber, die sich aus dieser Beobachtung ergeben: „Wer schreibt, muss seinem Text – gewissermassen mit den Augen eines fremden Lesers – aus der Distanz begegnen, Missverhältnisse zwischen dem Beabsichtigten und dem Realisierten erkennen und aufheben. Die dabei erwogenen, schliesslich vorgenommenen Änderungen sind dem gesamten Text anzupassen, was möglicherweise Revisionen der Überarbeitungen nach sich zieht.35 Schülerinnen und Schüler müssen demzufolge lernen, zuerst einmal eine Unstimmigkeit im Text zu erkennen, damit das Problem, welches sich beim Verfassen eines Textes ergibt, benannt und eine Lösung dafür gefunden werden kann. Mögliche Lösungen müssen wiederum zuerst gefunden, dann geprüft und schliesslich bewertet werden. Erst danach entscheidet sich der Schreiber für eine bestimmte Revision. Dieser komplexe Prozess muss von den Kindern und Jugendlichen jedoch erst gelernt werden, sie beherrschen das Überarbeiten nicht von Anfang an. Flower unterscheidet zwei unterschiedliche Strategien, wie Schülerinnen und Schüler beim Überarbeiten vorgehen: „Die Strategie des planvollen Untersuchens und Überarbeitens und die „Strategie des Entdeckens und Neuschreibens36 Ersteres Vorgehen bezieht sich auf die oben beschriebene Methode, ist anspruchsvoll und wird vor allem von geübten Schreiberinnen und Schreibern bevorzugt. Die ‚Strategie des Entdeckens und Neuschreibens dient eher weniger versierten Autoren. Es werden „lokal begrenzt einzelne Äusserungen, Wörter oder Sätze orthographisch 34 Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik, S. 91. Ebd., S. 92. 36 Hayes J. R. und Flower, L.: Identifying the organization of writing processes, S. 213. 35 12 oder grammatikalisch berichtigt, kalligraphisch oder stilistisch verbessert; oder die Schreiberinnen und Schreiber beantworten das Entdecken von Auffälligkeiten mit einer vollständigen Neufassung.37 Nach Baurmann können Überarbeitungsformen nach ihrer Komplexität unterschieden werden. Dabei werden Nachträge, Korrekturen, Verbesserungen, Umsetzungen und Neufassungen auseinander gehalten. Baurmann definiert die Begriffe folgendermassen: Nachträge: Kleinere ‚kosmetische Korrekturen am Schriftbild, formale Verbesserungen wie Streichungen oder Ergänzungen Korrekturen: Beheben von Verstössen gegen die Normen der Orthographie, Zeichensetzung, Syntax oder Semantik. Die Revisionen beziehen sich auf bereits fixierte Formulierungen auf der Textoberfläche. Verbesserungen: Leser-, schreiber- oder textorientiert vorgenommene stilistische Änderungen, welche den Grad an Angemessenheit, Wirksamkeit und Verständlichkeit abwägen. Umsetzungen einzelner Textteile oder Neufassungen greifen in den gesamten Schreibprozess, vor allem aber in die thematische Planung ein. Diese Unterscheidung der einzelnen Begriffe ist deshalb wichtig, weil sie für die unterschiedliche Versiertheit der Schülerinnen und Schüler beim Überarbeiten von Bedeutung ist. So können Korrekturen und Nachträge bereits von ungeübten Schreibern vorgenommen werden, während Umsetzungen, Verbesserungen und sicher Neufassungen schwieriger zu bewerkstelligen sind. Als Lehrpersonen können wir unseren Schülerinnen und Schülern mit Ratschlägen und Anregungen dann weiter helfen, wenn wir uns bewusst sind, was wir von ihnen an Überarbeitungen erwarten: Verbesserungen, Nachträge, Korrekturen, Umsetzungen oder auch Neufassungen. 37 Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik, S. 93. 13 2.2.6 Die Überarbeitungsphase – Textüberarbeitung im „Schreibkarussell Für unser Klassenschreibprojekt legen wir bewusst Wert auf die selbständige Überarbeitung der Texte durch die Schülerinnen und Schüler, da der Liebesroman als selbst erbrachte Leistung der Klasse erkannt werden soll. Die Lehrperson korrigiert letztendlich nur noch Fehler, welche die Verständlichkeit der Texte beeinträchtigt sowie übersehene Rechtschreibfehler. Das Schreibkarussell ergänzt somit die traditionelle Form der Textkorrektur durch die Lehrperson. Hierfür werden die Schülerinnen und Schüler in Zweiergruppen eingeteilt. Dabei sitzen sich je zwei Schüler an einem der im Kreis angeordneten Tische gegenüber. Die zu überarbeitenden Texte liegen in Klarsichthüllen den jeweiligen Tischpaaren vor. Auf den Tischen werden Hilfsmittel wie Wörterbücher, Lexika, Checklisten und Tipp-Zettel bereit gelegt. Bevor mit dem Überarbeiten begonnen wird, soll zunächst die Bearbeitungszeit festgelegt werden. Zwei bis drei Texte werden pro Unterrichtsstunde zur Überarbeitung vorgeschlagen, da den Schülerinnen und Schülern genügend Zeit für einen Text zur Verfügung gestellt werden soll. Bei geübten Klassen empfiehlt Dick38 diese Methode sogar in einem 45-Minuten-Wechsel durchzuführen. Die Tischpaare bearbeiten nun die Schülertexte, indem sie mit Folienstiften direkt auf die in Klarsichthüllen verpackten Texte hineinschreiben und ihre Kommentare auf dem Tipp-Zettel festhalten. Zur Hilfe und Anregung benutzen sie die Checkliste, die je nach Niveau der Klasse kritische, grammatikalische sowie stilistische Punkte enthält. Ist die Bearbeitungszeit vorüber, wird der gemeinsam ausgefüllte Tipp-Zettel hinter den Autorentext in die Klarsichthülle gesteckt. Die Paare des Schreibkarussells wandern dann entweder alle in dieselbe Richtung einen Tisch weiter, oder sie trennen sich in unterschiedlicher Drehrichtung. Nach Ablauf des Schreibkarussells erhalten die Autoren und Autorinnen ihre Texte mit den Tipp-Zetteln in den Hüllen zurück und können auf der Grundlage der Anregungen eine neue überarbeitete Reinschrift anfertigen. Für unsere C-Klasse haben wir das Konzept des Schreibkarussells etwas angepasst. Durch die geringe Klassengrösse von acht Jugendlichen bietet es sich an, vier Tische im Kreis anzuordnen, wie die folgende Grafik zeigt. 38 Dick, Friedrich: Heute fahren wir Karussell. Textüberarbeitung im Schreibkarussell. 14 Zudem beschränken wir die Überarbeitung auf zwei Texte pro Schüler/-in, da die Jugendlichen für die Arbeit an den Texten einerseits genügend Zeit benötigen, andererseits aber in dieser Form der Textüberarbeitung noch nicht geübt sind und diese deshalb nicht sehr differenziert überarbeiten. In einer Unterrichtsstunde findet bei einer Überarbeitungszeit von 20 Minuten pro Text eine Rotation statt. 15 3. Umsetzung im Unterricht 3.1 Rahmenbedingungen und didaktische Überlegungen 3.1.1 Schülervoraussetzungen Das vorliegende Klassenschreibprojekt ist für diejenige Klasse konzipiert, welche ich (A. Wyrsch) momentan im Fach Deutsch unterrichte. Aufgrund der Heterogenität dieser Klasse scheint es mir angebracht, in einem besonderen Masse auf die Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler einzugehen, um der Leserin/dem Leser die Überlegungen, welche letztendlich zu dieser Arbeit geführt haben, ersichtlich machen. Da ich in einer ISF-Schule unterrichte, befinden sich in meiner Klasse diverse Schülerinnen und Schüler, welche zusätzlich zum regulären Unterricht, durch einen Schulischen Heilpädagogen individuell betreut und gefördert werden. Dieser ist auch in einer Deutschlektion pro Woche anwesend. Für die Durchführung des Klassenschreibprojekts stehen also 4 Lektionen mit einer zusätzlichen Lehrperson zur Verfügung. Speziell während der Phase des Schreib- und Überarbeitungsprozesses kann seine Hilfe in Anspruch genommen werden. Auch wenn ich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes auf detaillierte Angaben zu den einzelnen Therapien und Befunde der betroffenen Schülerinnen und Schüler verzichten muss, möchte ich versuchen, auf die Klassensituation einzugehen. Es handelt sich um eine Sek. -Klasse im ersten Oberstufenschuljahr, die sich aus drei Mädchen und 5 Knaben zusammensetzt, wovon ein Schüler in der zweiten Klasse ist. Fünf Schülerinnen und Schüler kommen aus der Sonder D, beziehungsweise der Sonder B. Die Klasse ist mehrheitlich lernwillig und für ein derartiges Projekt zu gewinnen, wenn man es vermag, ihnen ihre Hemmschwellen und Ängste zu nehmen und Mut zu machen. Dem Motivationsaspekt soll demzufolge eine starke Gewichtung zukommen. Vorgängig behandelt wurden unter anderem Lesetechniken, Arten der Kommunikation, Zeitungslesen, sowie diverse grammatikalische Themen wie beispielsweise der Satzbau. Zu erwähnen ist auch die ausgezeichnete Infrastruktur des Schulhauses mit Computern im Klassenzimmer, diversen Laptops sowie genügend Gruppenräumen. 16 3.1.2 Didaktische Überlegungen zur Grobplanung In der vorliegenden Grobplanung beziehen wir uns grundsätzlich auf das 3-SäulenModell39, wie es bereits im Theorieteil ausführlich dargestellt wurde. In der praktischen Durchführung der Unterrichtsreihe findet zwar eine Beurteilung statt, jedoch gehen wir in unserer Grobplanung nicht auf diese Phase ein, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Den Schwerpunkt unserer Arbeit haben wir im Bereich der Planungs- und Überarbeitungsphase gesetzt. Die Planungsphase birgt wichtige Motivationsaspekte in sich, welche für das Gelingen dieses Projekts grundlegend sind. Eine sorgfältig zusammengestellte Einführung ins Thema hilft den Schüler/innen zudem, Hemmschwellen und Schreibblockaden zu überwinden. Den Überarbeitungsprozess haben wir als weiteren Schwerpunkt gewählt, da unserer Erfahrung zufolge der Arbeit am eigenen Text in der Praxis nach wie vor zuwenig Bedeutung beigemessen wird. Dieser Teil des Schreibprojekts stellt die grösste Herausforderung für Schüler/innen und Lehrperson dar. Die Aufrechterhaltung der Motivation ist demzufolge über die Planungsphase hinaus eine zentrale Aufgabe der Lehrperson, die man sich ständig vor Augen halten muss. Als erste Herausforderung stellt sich die Rollen- und Schauplatzzuordnung. Die Idee dazu entnahmen wir dem Modell aus Kontakt 2, da uns diese Vorgehensweise als effizient, aber auch lustig, spontan und motivierend erschien. Unser Kriterium für diesen ersten Arbeitsschritt war die Spontaneität der Ideen, welche mit Hilfe dieses Modells automatisch umgesetzt werden kann. Dadurch sind alle Schüler/innen im Einbringen ihrer Ideen gleichberechtigt. Zudem sind die Vorschläge der Schüler/innen nicht von der Lehrperson gesteuert. Dieser Einstieg motiviert die Schüler/innen deshalb umso mehr, da sie als Klasse selbständig und unabhängig von der Lehrperson über die wichtigsten Bestandteile ihrer Geschichte bestimmen können. Durch die anschliessende Collage lassen sich die Rahmenbedingungen visualisieren und werden dadurch verinnerlicht. Für den Verlauf der Geschichte ist es ausserdem wichtig, dass sich unter den erfundenen Begriffen alle Schüler/innen ein Bild machen können. Bei dieser Gelegenheit bietet es sich an, die beiden Plakate in geschlechtergetrennten Gruppen herzustellen. Dadurch kann bei der Bildauswahl möglicher Prahlerei entgegengewirkt werden, und Mädchen sowie Knaben können ihre Idealvorstellungen vom anderen Geschlecht ungestört einbringen. 39 Sieber, Peter: Modelle des Schreibprozesses, S. 219. 17 Die Gruppenarbeit mit den verschiedenen Aufträgen zu den einzelnen Kapiteln fördert die Kreativität der Schüler/innen, indem sie, von anderen Quellen inspiriert, ihre eigenen Ideen aus den gesammelten Eindrücken, Stimmungen und Gedanken entwickeln. Den genauen Zeitrahmen für die Gruppenaufträge haben wir nicht schriftlich festgelegt, da die einzelnen Partnerschaften für das Erledigen der Aufträge unterschiedlich viel Zeit benötigen und beispielsweise das Interview als Hausaufgabe konzipiert ist. Das Gelingen des Liebesromans steht und fällt letztendlich mit der Originalität der Grundpfeiler der Geschichte, die im folgenden Arbeitsschritt festgehalten werden. Nun schreiben die Schüler/innen ein erstes Konzept ihres Kapitels stichwortartig auf Kärtchen. Dadurch muss aus den gesammelten Ideen eine Auswahl getroffen werden, um den Handlungsablauf anschliessend im Plenum auf Ungereimtheiten überprüfen zu können. Zudem können die Schüler/innen den Verlauf des Liebesromans über ihr eigenes Kapitel hinaus aktiv mitbestimmen. Ein erster Überblick über die Handlung der Geschichte wird ermöglicht. Nach der Entwurfsphase schreiben die Schüler/innen eine erste Reinschrift, um im Schreibkarussell das Gegenlesen zu erleichtern. Das Schreibkarussell ist eigentlich nichts anderes als eine Schreibkonferenz, die in Form eines „Karussells durchgeführt wird. Wir haben lange nach einer geeigneten und effizienten Überarbeitungsmethode gesucht und uns schliesslich für diese Form entschieden, da sie unserer Meinung nach das selbständige Arbeiten mit Hilfe eines Kriterienkatalogs fördert und die Rückmeldungen zu den verfassten Texten über die Schreibpartnerschaften hinaus von der ganzen Klasse formuliert werden können. Da durch die Auslosung der Kapitel auch die Schreibpartnerschaften zufällig entstehen, ist diese Durchmischung besonders für schwächere Schüler/innen förderlich. Für die Titelsuche orientieren wir uns ein weiteres Mal an den Vorschlägen aus Kontakt 2. Der Titel soll als schülereigenes Produkt zustande kommen, ohne Mithilfe der Lehrperson, dafür mit Hilfe klarer Gesprächsregeln, einem übersichtlichen Ablaufsschema und zum Schluss einer demokratischen Abstimmungsphase. Gerade in unserer C-Klasse ist es unbedingt notwendig, Verhaltens- und Kommunikationsregeln immer wieder aufzugreifen und zu trainieren, wofür sich die Titelsuche gut eignet. Fächerübergreifender Unterricht bietet sich auch für dieses Klassenschreibprojekt an. Um die Handlung des Liebesromans zu illustrieren werden Bilder zu den 18 einzelnen Kapiteln im Fachbereich Bildnerisches Gestalten kreiert. Zudem können die Schüler/innen ihre Texte im Informatikunterricht selbständig formatieren und gestalten. Den grössten Teil des Abtippens erledigt jedoch die Lehrperson, da die Klasse damit überfordert wäre. 19 3.2 Grobplanung Unterrichtsphasen 1. Anbahnungsphase 2. Planungsphase Lektionen 4 4 Inhalte Lernziele Beispieltext: kurze Liebesgeschichte lesen Merkmale eines Liebesromans herausarbeiten Verschiedene Textsorten kennen lernen Kreative Schreibübungen Verständliches Formulieren üben Rollen- und Schauplatzzuordnung am HP mit Hilfe der Tabelle „Rahmenbedingungen. Collage: Schüler stellen zu den beiden Hauptdarstellern je eine Collage aus Magazinen zusammen und ergänzen diese mit eigenen Schlagworten. Zwei Gruppen, Mädchen: Situationen erleben, in denen Sprache innere Bilder, Stimmungen und Gefühle weckt. 155 Motivation fördern, Schreibhemmungen überwinden. Texte schreibend um- und nachgestalten. 147 Rahmenbedingungen der Geschichte klären. Rahmenbedingungen als Hilfe für den Schreib- und Überarbeitungsprozess übersichtlich darstellen. Ideen, Informationen, Materialien sammeln und ordnen. 149 Eindrücke, Stimmungen, Gedanken festhalten. 154 Selbständig Auskünfte einholen und gezielt fragen. 156 Ideen, Informationen, Materialien sammeln und ordnen. 149 männliche, Knaben: weibliche Hauptdarsteller(in) Kapitelverteilung auslosen (Gruppeneinteilung durch LP 3. Schreibphase 6 Gruppenaufträge (siehe Arbeitsblätter im Anhang): Ideen für die einzelnen Kapitel sammeln. Handlungsablauf des zugeteilten Kapitels stichwortartig auf A5-Karten schreiben (pro Schüler vier Karten) und zur Visualisierung in der richtigen 20 Reihenfolge an die WT hängen „Roter Faden Einzelne Kapitel anhand der Kärtchen vorstellen. Inhalte mit den für den Leser notwendigen Informationen aufschreiben. 149 Ablauf im Plenum überprüfen. Entwurf schreiben und fortlaufend Handlungsablauf auf Ungereimtheiten überprüfen. Handlungsablauf überprüfen. Vorlesen der Texte im Plenum Unstimmigkeiten im Ablauf erkennen, Änderungsvorschläge sammeln und Anpassungen Geschichte mit Hilfe des stichwortartigen Handlungsablaufs schreiben. Vorbereitete Texte sprechend gestalten, mit deutlicher Aussprache vorlesen. vornehmen. Schreiben einer ersten Reinschrift. Titelsuche: Vorschläge begründen und sich als Klasse demokratisch auf eine Idee einigen. 4. Überarbeitungs- 6 phase Überarbeiten anhand von fremden Textbeispielen am HP üben und parallel dazu an der WT eine Checkliste für die Überarbeitung von Texten Nicht Verstandenes erkennen und aus dem Kontext oder durch gezieltes Nachfragen erschliessen. 158 In einer gut lesbaren Handschrift geläufig schreiben. 155 Persönliche Meinungen und Interessen im Gespräch darlegen und begründen. 165 Distanz zu eigenen Texten gewinnen. Überblick über die Geschichte als Ganzes gewinnen. erstellen. Schreibkarussell: Schreibpaare und Gruppentische bilden; Verbesserungsvorschläge mit Hilfe der Checkliste (Punkte 1-4) auf Tippzettel 21 Einfache Gesprächsregeln einhalten. 157 Texte inhaltlich und stilistisch überarbeiten. 150 notieren Überarbeitungsphase der Kapitel selbständig mit Hilfe des ausgefüllten Tipp-Zettels Reinschrift als Hausaufgabe Vorlesephase Schreibkarussell: Schreibpaare und Dazu verschiedene Hilfen und Hilfsmittel verwenden (Schreibcheckliste). Schwachstellen der eigenen Rechtschreibung kennen und verbessern lernen. 150 150 Gruppentische bilden; Verbesserungsvorschläge mit Hilfe der Checkliste (Punkte 5-7, Orthographie) direkt mit Filzstift auf eine Folie. Teil der Geschichte mit Computer abtippen (fächerübergreifend im Informatikkurs). 5. Fertigstellungsphase 2 Formatieren (LP) Präsentationsvorbereitung Gestaltend vorlesen üben für Elternabend Evaluation Vorbereitete Texte sprechend gestalten und Seitenangaben Zürcher Lehrplan Fächerübergreifender Unterricht: Bildnerisches Gestalten: Illustration der einzelnen Kapitel Informatik: Textverarbeitung anhand der eigenen Texte 22 mit deutlicher Aussprache vorlesen. 158 3.3 Feinplanung: Collage (Unterrichtsphase 2 – Planung) Inhalte Einstieg Sozialform „Rahmenbedingungen repetieren: PL Lernziele Die Sch. rufen sich die festgelegten Rahmenbedingungen in Erinnerung. Die Sch. erkennen, dass ein weiterer Prozess nötig ist, um die Rahmenbedingungen zu verinnerlichen. Die Sch. bringen eigene Vorschläge, wie die „Rahmenbedingungen visualisiert werden können. LP bezieht sich auf die ausgefüllte Tabelle „Rahmenbedingungen der letzten Stunde. Welche Personen kommen vor? Wie stehen sie zueinander in Beziehung? Welche Charaktereigenschaften zeichnen die einzelnen Personen aus? Kurze Plenumsdiskussion: Welche Bedeutung haben die „Rahmenbedingungen für unser Schreibprojekt? Wie können wir diese Merkmale verinnerlichen? Mögliche Schülerideen: Fotos, Bilder, Zeichnungen, Cluster, Veranschaulichung an Wandtafel, etc. 23 Zeit 15 Hauptteil Collage herstellen: GA Arbeitsauftrag: Mädchen erstellen eine Collage zur männlichen Hauptperson (Knaben zur weiblichen Hauptperson) und dessen Umfeld gemäss den Rahmenbedingungen. Erlaubt sind Fotos aus Zeitschriften, eigene Zeichnungen, Pfeile, Stichworte, etc. Schluss Vorstellen der Collagen: PL Die Sch. sind in der Lage, die stichwortartigen Grundlagen bildlich und übersichtlich umzusetzen. Die präsentierende Gruppe kann die Klasse klar und gegliedert über ihre Umsetzung der Rahmenbedingungen informieren. Die Sch. sind in der Lage, sich die Situation und die Rahmenbedingungen für ihre Geschichte bildlich vorzustellen. Die beiden Gruppen präsentieren sich gegenseitig ihre Produkte. Die Schüler/-innen bestimmen zum Aufhängen der Collagen einen während des Schreibprozesses gut sichtbaren Ort EA: Einzelarbeit PA: Partnerarbeit GA: Gruppenarbeit PL: Plenum 24 Die Sch. finden in der Gruppe eine geeignete Darstellungsform für ihre Collage. 60 15 Schreibkarussell (Unterrichtsphase 4 – Überarbeitung) Inhalte Einstieg Sozialform Überarbeitungsmethode „Schreibkarussell erklären: Schreibkarussell durchführen: Die Sch. lernen eine Methode zur selbständigen Textüberarbeitung kennen. PA Die Sch. können die Überarbeitungsmethode des „Schreibkarussells anwenden. Die Rotation erfolgt nach 20 Minuten. Rückgabe der Texte und Tipp-Zettel: EA, ev. PA Die Schülerinnen und Schüler lesen die erhaltenen Tipps zu ihren Texten durch und klären allfällige Verständnisprobleme mit den Korrekturleserinnen und -lesern ab. Hausaufgabe: Die Sch. verfassen eine überarbeitete Reinschrift. 25 15 Die Schülerinnen und Schüler überarbeiten die Texte wie in Kapitel 2.2.6 beschrieben, jedoch vorerst nur inhaltlich und stilistisch nach den Punkten 1-4 der Checkliste. Schluss Zeit PL Die LP erklärt die Funktion und die Verwendung der gemeinsam erarbeiteten Checkliste, des Tipp-Zettels sowie des Ablaufs (Rotationsskizze auf Folie) Hauptteil Lernziele Die Sch. sind in der Lage, einen Schülertext auf wenige vorgegebene Kriterien zu überprüfen. Die Sch. können die Textkritik nachvollziehen und in ihrer Reinschrift berücksichtigen. 20 20 15 4. Reflexion der Unterrichtseinheit 4.1 Auswertung der Schülerarbeiten In diesem Kapitel wird darauf eingegangen, wie die Schülerinnen und Schüler mit dieser für sie neuen Form des Schreibens umgegangen sind, in welchen Bereichen ihre Schwierigkeiten lagen und welche Lernerfolge letztendlich eintrafen. Wir gehen bewusst nur auch diejenigen Bereiche genauer ein, welche in Form einer Feinplanung im Kapitel 3.3 vorzufinden sind. Die Planungs- und Überarbeitungsphase wurde im Theorieteil der vorliegenden Arbeit ebenfalls stark gewichtet. 4.1.1 Planungsphase: Collage erstellen Von ganz zentraler Bedeutung für das Gelingen eines Schreibprojektes dieses Ausmasses ist, wie bereits anhand des 3Säulenmodells der Schreibförderung aufgezeigt wurde, das Sammeln und Planen von Inhalten. Die in der vorhergegangenen Lektion festgelegten „Rahmenbedingungen ihres Romans konnten die Schülerinnen und Schüler auf eine originelle Art und Weise und mit Einbezug von „Herz und Hand verinnerlichen. Die Vorschläge für eine geeignete Darstellungsform wurden eigenständig in geschlechtergetrennten Teams entwickelt. Als Lehrperson habe ich die spannende Beobachtung gemacht, dass die Schülerinnen und Schüler – also beide Arbeitsgruppen unabhängig voneinander sich während der Arbeit an diesem Auftrag kritische Gedanken über ihre Schönheitsideale und die Auswüchse dieser gesellschaftlich festgelegten Idealisierung des Körpers machten. Es ergab sich anschliessend während den Plakatpräsentationen eine Plenumsdiskussion zu dieser Thematik, in welcher auch unsere idealisierten Rahmenbedingungen (siehe Anhang XV) kritisch hinterfragt wurden. Auf der folgenden Seite sind die Produkte der Gruppen abgebildet. Wie in der Feinplanung beschrieben, wurde das Plakat „Julia von der Knabengruppe und das Plakat „Leo von der Mädchengruppe entwickelt. 26 27 Die Herstellung der Plakate barg einen wichtigen Motivationsaspekt während des ganzen Schreibprojekts. Die Motivation für ein solches Projekt kann, wie im Kapitel 2.2.4 beschrieben, nicht allein durch einen anregenden Schreibauftrag bis zum Schluss aufrechterhalten werden, sondern das Schreiben muss von verschiedenen motivationalen Prozessen begleitet werden. Ein solcher Motivationsaspekt für die Schülerinnen und Schüler war die Plakatgestaltung. Dadurch konnten sie die 28 Charakteren und deren Umfeld einerseits selber bestimmen, andererseits hat diese Methode ihnen ermöglicht, sich während dem Schreiben mit den ausgewählten Personen zu identifizieren, was ihre Ideenvielfalt und Kreativität gefördert hat. Während des gesamten Schreib- und Überarbeitungsprozesses dienten uns diese Plakate als Orientierungshilfe. Den nicht zu übersehenden Platz oberhalb der Wandtafel haben die Schüler und Schülerinnen selber gewählt. 4.1.2 Überarbeitungsphase: Schreibkarussell Gemäss Lehrplan sollten Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die Überarbeitung von Texten in der Lage sein, Texte konstruktiv zu kritisieren und inhaltlich sowie stilistisch aufgrund ausgewählter Kriterien zu überarbeiten. Zu diesem Zweck wurden einerseits vorgängig Übungen zur Textüberarbeitung an fremden Texten gemacht. Andererseits wurde ein Teil der Überarbeitung ihrer eigenen Texte in Form eines Schreibkarussells durchgeführt. Dabei diente ihnen das Arbeitsblatt „Checkliste für die Textüberarbeitung (Anhang VIII) als Kriterienliste. In einem ersten Überarbeitungsschritt hatten sie sich auf die Punkte 1 bis 4 der „Checkliste zu konzentrieren. Im Anhang sind zwei von den Schülerinnen und Schülern ausgefüllte Tippzettel als Beispiele angehängt. Zu unserem Erstaunen lagen die Schwierigkeiten bei allen Schülerinnen und Schülern beim Überarbeiten der Rechtschreibung, der Zeitformen und der Satzzeichen, also dem zweiten Teil der Checkliste. Die Schwierigkeiten in diesem Bereich waren von unserer Seite her aufgrund der Schülervoraussetzungen (Legasthenie) voraussehbar. Nicht zuletzt deshalb haben wir uns hauptsächlich auf den stilistischen und inhaltlichen Bereich konzentriert. Hätten wir mehr Zeit für die Rechtschreibung aufgewendet, wäre dies für die Motivation der Schülerinnen und Schüler nicht förderlich gewesen. 29 Besonderen Wert bei der inhaltlich/stilistischen Überarbeitung legten alle Schülerinnen und Schüler auf den ersten Punkt, den Inhalt des Kapitels. Hierbei arbeiteten sie sehr genau und gaben den Verfasserinnen und Verfassern der Kapitel gute Rückmeldungen. Wir sehen den Grund hierfür darin, dass die Klasse sich sehr rasch als Verfasserin eines Gesamtprojektes sah und deshalb einen Ehrgeiz an den Tag legte, den ich bei ihr selten in diesem Ausmass erlebt hatte. Dieser Ehrgeiz barg letztlich verschiedenste Chancen: Diese lagen einerseits im Motivationsaspekt und der damit verknüpften grossartigen „Korrigierwut, die es den Schülern ermöglichte, Ungereimtheiten in ihrer Geschichte aufzuspüren und zu korrigieren. Andererseits wurden einzelne „schreibfaule Schüler vom Rest der Klasse dazu angespornt, an ihrem Kapitel weiter zu schreiben und die Texte auch immer wieder auf inhaltliche Fehler in Bezug auf die gesamte Geschichte zu überprüfen. Das Entdecken von Dissonanzen (3-Säulenmodell, Kapitel 2.2.2) wurde durch die Methode des Schreibkarussells an fremden Texten geübt, wodurch die Schreiber die Texte aus grösserer Distanz betrachten konnten. Wie Baurmann in seinem Artikel (Kapitel 2.2.5) schreibt, müssen Schülerinnen und Schüler ihren Texten „gewissermassen mit den Augen eines fremden Lesers aus der Distanz begegnen, Missverhältnisse zwischen dem Beabsichtigten und dem Realisierten erkennen und aufheben.40 Diese Überarbeitungsform an fremden Texten ist ihnen sehr gut gelungen. Schwierigkeiten bereiteten jedoch, wie wir bei unseren Schülerbeobachtungen festgestellt haben, das Akzeptieren der eingebrachten Korrekturvorschläge ihrer Mitschülerinnen und -schülern. Gerade bei den weniger geübten Schreibern stiess die Kritik oftmals auf Ablehnung, da es ihnen schwer fiel, die nötige Distanz zu ihrem Text zu gewinnen. Den Jugendlichen die Notwendigkeit der Textüberarbeitung aufzuzeigen ist uns mit diesem Klassenschreibprojekt erstmals gelungen, weil sie hierfür, im Gegensatz zu diversen Aufsätzen und anderen Schreibaufgaben zuvor, einen Nutzen sahen. Dieser Nutzen besteht darin, dass ihr Text Teil eines Romans ist und dadurch zum Gelingen oder Scheitern des Buches beiträgt! 40 Baurmann, Jürgen: Schreiben, Überarbeiten, Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik, S. 92. 30 4.2 Evaluation des Unterrichts mittels Schülerbefragung Die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler zum Schreibprojekt fielen durchwegs positiv aus. Das Schreiben eines eigenen Klassenromans stellte für viele eine neue Erfahrung dar und förderte ihrer Meinung nach den Klassenzusammenhalt. Obwohl der ganze Arbeitsprozess, besonders für eine C-Klasse, harte Arbeit war und viel von ihnen abverlangte, war spätestens zu dem Zeitpunkt, als sie ihr Produkt in den Händen hielten, alle Mühe vergessen. Bei der Schilderung des persönlichen Erfolgserlebnisses nannten mehrere Schülerinnen und Schüler vorab das Vorliegen des fertig gebundenen Liebesromans und das Vorlesen im Klassenverband. Dies bestätigt die Aussage von F. Rheinberg (Kapitel 2.2.4), wonach die Motivation der Verfasserinnen und Verfasser eines Textes dadurch aufrechterhalten bleibt, wenn ihnen das Ergebnis des Schreibens bedeutsam erscheint. Im Anhang XI, XII und XIII sind einige Schülerfeedbacks beigelegt. 31 4.3 Persönliche Schlussfolgerungen und Rückblick auf die Arbeit Im Anschluss an unsere praktische und schriftliche Arbeit können wir auf ein gelungenes Klassenprojekt zurückblicken. Nach einigen Bedenken im Hinblick auf die Durchführung eines Klassenschreibprojektes auf dem Niveau sind wir vom Endprodukt „amore, so der Titel des Liebesromans, sehr beeindruckt. Auch von Seiten der Schülerinnen und Schüler kamen zuerst kritische Töne, da sie sich ein derartiges Schreiben anfänglich nicht zugetraut haben. Aber auch diese Zweifel wurden bald von ihrer zunehmenden Motivation verdrängt. Wir haben mit einigen unserer Ideen, die wir in der Planungs- und Überarbeitungsphase eingesetzt haben, sehr gute Erfahrungen gemacht. So werden wir zum Beispiel die Gestaltung einer Collage als Planungs- und Motivationshilfe sowie das Schreibkarussell als Überarbeitungsmethode in einem zukünftigen Projekt wieder einsetzen. Allerdings könnten wir uns auch vorstellen, mit einer zweiten oder dritten Oberstufe anstelle eines Liebesromans einen Klassenkrimi zu verfassen. Diese Idee haben wir ganz zu Beginn unserer Zusammenarbeit aufgegriffen, wir haben sie jedoch aufgrund des Schwierigkeitsgrades wieder verworfen. Für ungeübte Schreiberinnen und Schreiber hat sich das Thema Liebe durchaus bewährt, nicht zuletzt deshalb, weil es dem Alter und den Interessen der Schülerinnen und Schüler entspricht. Was den schriftlichen Teil unserer Arbeit betrifft, mussten wir nach anfänglichen Bedenken bezüglich des Umfangs feststellen, dass die Auswahl von einzelnen Teilbereichen die grössere Schwierigkeit darstellte. „Mut zur Lücke, diesen Leitsatz haben wir uns zu Herzen genommen, als wir uns dafür entschieden haben, den Prozess des Schreibens an und für sich in der vorliegenden Arbeit nur am Rande zu thematisieren. Mit der Auswahl der Planungs- und der Überarbeitungsphase haben wir uns für zwei Bereiche entschieden, die beim Schreiben im Deutschunterricht erfahrungsgemäss eher unter gehen. Der Liebesroman „amore der Klasse 1/2 zeigt aber, dass sich die Investition gelohnt hat! 32 33 5. Literatur- und Quellenverzeichnis Arbenz, Ph./Häfliger, B./Häfliger, H.P.: Abenteuer auf hoher See. Texte schreiben – Texte überarbeiten. Zürich: Verlag der Sekundarlehrerkonferenz. Baurmann, Jürgen: Schreiben – Überarbeiten Beurteilen. Ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik. Seelze: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung GmbH 2002. Baurmann, J. und Feilke, H.: Sonderheft Praxis Deutsch. Schreibaufgaben. Seelze: Friedrich Verlag 2004. Baurmann, J. und Ludwig, O.: Texte überarbeiten. Zur Theorie und Praxis von Revisionen. In: Bouke, D. und Hopster, N. (Hg.): Schreiben – Schreiben lernen. Tübingen: Niemeyer 1985, S. 254- 276. Baurmann, J. und Müller A.: Zum Schreiben motivieren, das Schreiben unterstützen. In: Praxis Deutsch 149. Seelze: Friedrich Verlag 1998, S. 16-22. Baurmann, J. und Weingarten, R.: Schreiben. Prozesse, Prozeduren und Produkte. Opladen: Westdeutscher Verlag 1995. Bildungsdirektion des Kantons Zürich (Hg.): Lehrplan für die Volksschule des Kantons Zürich. Zürich: Lehrmittelverlag des Kantons Zürich 2004. Dick, Friedrich: Heute fahren wir Karussell. Textüberarbeitung im Schreibkarussell. In: Praxis Deutsch 149. Seelze: Friedrich Verlag 1998, S. 31-33. Dietiker, Ph. und Scherrer, R.: Texte überarbeiten – Ausdruck verbessern. Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 1999. Flower, L./Hayes, J. R./Carey, L./Schriver K./Stratman, J.: Detection, Diagnosis, and the Strategies of Revision. In: College Composition and Communication. 37/1986, S. 16-55. Nodari, Claudio: Kontakt 2. Deutsch für Jugendliche. Zürich: Lehrmittelverlag des Kantons Zürich 1995. Portmann, Paul R.: Schreiben und Lernen. Grundlagen der fremdsprachlichen Schreibdidaktik. Tübingen: Niemeyer 1991. 34 Rheinberg, Falko: Motivation. Stuttgart: Kohlhammer 1995. Sieber, Peter: Modelle des Schreibprozesses. In: Bredel, U./Günther, H./Klotz, P./u.a. (Hg.): Didaktik der deutschen Sprache Band 1. Paderborn: Schöningh 2003, S. 208-223. Wrobel, A.: Schreiben als Handlung. Überlegungen und Untersuchungen zur Theorie der Textproduktion. Tübingen: Niemeyer 1995. 6. Anhang 35 Urheberschaftsbestätigung: Die Autorinnen dieser Arbeit bestätigen hiermit, dass die Arbeit selbständig und ohne unerlaubte Beihilfe verfasst worden ist. Zürich, 20. März 2006 Ariane Wyrsch Barbara Wittwer 36