Arbeitsblatt: Der verschwundene Herbst

Material-Details

Die Geschichte des verschwundenen Herbstes ist vereinfacht und strukturierter geschrieben.
Deutsch
Erstlesen
2. Schuljahr
11 Seiten

Statistik

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1135
7
03.12.2011

Autor/in

Silvia Steinmann
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Der verschwundene Herbst Da sitzt einmal der Sommer weit draussen vor der Stadt auf einem grünen Hügel und wartet auf seinen Bruder, den Herbst. Der soll ihn ablösen, denn der Sommer will schon heimgehen, seine Zeit ist um. Wo er wohnt? Auf einem hohen, hohen Berg! Dort ist eine grosse Höhle, und in dieser Höhle wohnen die vier Brüder; der Frühling der Sommer, der Herbst und der Winter. In der Höhle schlafen sie. Bis sie wieder an die Reihe kommen. Der Wind weckt sie auf, wenn es soweit ist. Nun hat er den Herbst geweckt, und der marschiert fröhlich den Berg herunter. Er ist ausgeruht und freut sich, dass er wieder eine Zeit bei den Menschen sein kann. Ich werde alles schön bunt bemalen, denkt er, die Blätter auf den Bäumen und Sträuchern und das Obst und ich werde alles Laute ein wenig stiller machen und das grelle Sonnenlicht ein bisschen sanfter und milder. Doch wie er zu dem Hügel kommt, auf dem der Sommer auf ihn wartet, da ist er gar nicht mehr fröhlich. „Was ist los mit dir, Bruder Herbst? Warum schaust du so traurig in die Welt?, fragt der Sommer. „Ach, mir ist alle Freude vergangen, seufzt der Herbst und setzt sich zu ihm ins Gras. Der Sommer wundert sich. So betrübt hat er seinen Bruder noch nie gesehen. „Was ist denn geschehen?, fragt er neugierig. Der Herbst seufzt wieder, und dann sagt er: „Ich habe gar keine Lust mehr, zu den Mensch zu gehen. Weisst du, als ich jetzt so auf meinem Weg hierher durch die Dörfer und Städte gewandert bin – unsichtbar natürlich noch da habe ich ein wenig herumgehorcht, was die Menschen wohl reden mögen. Der Sommer rückt ein Stückchen näher und fragt noch neugieriger: „Und was hast du da gehört? „Nichts Schönes, nichts Schönes, Bruder, brummte der Herbst verdrossen, „nur Klagen habe ich über mich gehört. Eine Frau hat gejammert: Oje, nun kommt bald wieder der Herbst mit Regen und Nebel – der gefällt mir gar nicht. Und ein Mann hat gesagt: Der Herbst ist eine traurige Zeit, der Sommer ist mir viel lieber. Und ein anderer hat sogar ausgerufen: Dieser verflixte Herbst! Ich spüre ihn schon in meinen Knochen, der Rheumatismus zwickt und zwackt mich wieder! Der Sommer lacht: „Geh, Bruder Herbst, sei doch nicht gleich so beleidigt, meint er, „die Menschen müssen immer etwas zu jammern haben. Und das mit dem Rheumatismus stimmt überhaupt nicht der plagt sie das ganze Jahr hindurch, nicht nur im Herbst. Aber der Herbst lässt sich nicht beschwichtigen. Er steht auf, wirft seinen Sack mit den vielen bunten Farben über die Schulter und sagt: „Nein, nein, für dieses Jahr ist mir die Freude verdorben. Ich gehe wieder. Bleibe du bei den Menschen, bis der Winter kommt. Dich lieben sie ja, diese undankbaren Geschöpfe. Und dann stapft er davon. „Halt Bruder Herbst! Halt! So bleibe doch hier! Das geht doch nicht, dass es bis zum Winter Sommer ist!, ruft ihn der Sommer erschrocken nach. Der Herbst hört nicht auf ihn. Er hegt weiter und weiter und auf einmal ist er verschwunden. Ach was, denkt der Sommer, er wird schon wieder kommen, wenn er sich beruhigt hat. Er ist in jedem Jahr gekommen. Ich bleibe eben noch ein wenig da. Es gefällt mir ja recht gut bei den Menschen. Und wenn sie mich schon so gerne mögen, dann sollen sie heuer einen langen Sommer haben. Die Menschen freuen sich über den langen Sommer. Sie schwimmen im Freien, sie sitzen in den Gärten und im Park, und sie laufen im Oktober und im November mit Sommerkleidern herum. Aber mit der Zeit wird ihnen der lange Sommer langweilig. Das Schwimmen im Freien freut sie nicht mehr, in den Gärten und im Park ist es ihnen zu heiss, und an ihren Sommerkleidern verlieren sie auch allmählich ihre Freude – besonders die Frauen und Mädchen, sie möchten schon gerne ihre hübschen neuen Herbstmäntel anziehen. Auf einmal haben die Menschen Sehnsucht nach dem Herbst. Sie denken nicht an Regen und Hebel. Nicht an traurige Tage und auch nicht an ihren Rheumatismus – sie wünschen sich nur den Herbst herbei. Den lieben Herbst mit seinen bunten Farben und seinen reifen Früchten, mit seinen stillen Sonnentagen und dem angenehmen kühlen Wind, der die goldenen Blätter der Birken in der blauen Luft tanzen lässt. Ach, ist der Herbst eine schöne Zeit, sagen sie nun oft, wenn er nur schon da wäre. Wenn er nur schon da wäre! Denkt auch der Sommer. Er ist verdriesslich, weil die Menschen keine Freude mehr an ihm haben, und müde ist er auch. „Was machst denn du noch hier?, fragt ihn der Winter, der zu früh wach geworden ist und nun gerne seine Herrschaft antreten möchte. „Ich warte auf den Herbst, brummte der Sommer, „hast du ihn vielleicht irgendwo gesehen? Such ihn doch und schicke ihn her! Der Winter wirft dem Sommer eine Handvoll Schnee ins Gesicht und lacht: „Fällt mir gar nicht ein! Wenn er nicht kommen will, soll er bleiben, wo der Pfeffer wächst! Jetzt bin ich ja da! Du kannst nach Hause gehen! Aber das will er Sommer nicht. „Ordnung muss sein, sagt er, „zuerst muss der Herbst her. Er bleibt und der Winter zieht sich beleidigt zurück. Die Menschen erschrecken, als sie den Schnee sehen, den der Winter seinem Bruder voll Übermut zugeworfen hat. „Es wird doch nicht schon Winter werden, ehe es noch Herbst war, klagen die einen. „Das ist ein böses Jahr – es schaut schlecht aus in den Gärten und auf den Feldern, jammern die anderen. Es sieht wirklich nicht gut aus in den Gärten und auf den Feldern und auch im Walde. Überall ist alles trocken und welk von der langen Hitzezeit. Alles ist durstig und matt – die Pflanzen, die Tiere und auch die kleinen Zwerge, die im Wald und auf den Wiesen wohnen. Eines Tages sitzt so ein Zwerglein auf einem Baum und guckt zum Himmel hinauf. Es hält Ausschau nach Regenwolken und nach dem Herbst. Der Ast, auf dem es sitzt, ist aber schon dürr. Knacks macht es plötzlich und das Zwerglein purzelt samt dem Ast hinunter auf den Waldboden. „Aua!, schreit es, denn es ist auf eine Kastanienschale geplumpst. Es reibt mit beiden Händen seinen Hosenboden und ruft zornig: „So, jetzt ist es mir aber zu dumm! Jetzt suche ich den Herbst! Und wenn ich ihn finde, dann sage ich ihm ganz gehörig die Meinung! Ist das eine Manier, einfach nicht zu kommen? Der Sommer, der gerade müde und verdrossen durch den Wald trottet, brummt: „Recht hast zu Zwerglein. Und sage ihm auch, dem Bruder Herbst, dass ich dem Winter bald das Feld räumen muss, wenn er nicht kommt. Das Zwerglein marschiert eilig davon. Tag und Nacht wandert es herum und sucht den Herbst –im Wald, auf den Wiesen und Feldern, in den Gärten, in den Tälern und auf den Bergen. Schliesslich kommt es auch zu der Höhle, in der die vier Brüder wohnen. Aber da drinnen schläft nur der Frühling tief und fest. Vor der Höhle sitzt der Winter. Er kann es fast nicht mehr erwarten, bis er hinunter darf zu den Menschen. Er hat schon viel Eis und Schnee neben sich aufgetürmt, das will er alles mitnehmen. Als er den kleinen Wicht entdeckt, der da so neugierig herumspäht, schaut er ihn grimmig an und faucht: „Was sucht du hier? „Ich suche den Herbst, sagt das Zwerglein mutig. „Haha, lacht der Winter, „den kannst du lange suchen! Der will nichts mehr hören und sehen von euch da unten! Und dann, denkt euch nur, bläst er das Zwerglein einfach weg! Wie ein Blatt im Wind wirbelt es davon. Das arme Zwerglein weiss gar nicht, was mit ihm geschieht – auf einmal macht es eine Reise durch die Luft. Eine weite Reise, denn der Winter hat tüchtig geblasen! Zum Glück fängt es ein Kirchturm nach einer Weile auf. – Wer weiss, wie weit es sonst noch geflogen wäre! Vielleicht gar bis zum Nordpol, wo die Eisbären wohnen! Ja, da hängt es also auf der Kirchturmspitze und muss erst einmal verschnaufen nach der stürmischen Luftreise. Doch dann guckt es gleich wieder neugierig herum. Und was glaubt ihr, wen es dabei entdeckt? Den Herbst. – Er sitzt auf einem Gerüst, das die Menschen oben um den Kirchturm herum gebaut haben, weil sie das spitze Dach reparieren müssen, und macht eine griesgrämiges Gesicht. Das Zwerglein ist so überrascht, als es ihn sieht, dass es vergisst, sich festzuhalten. Schwuppdiwupp purzelt es auf das Gerüst hinunter. Es fällt dem Herbst gerade vor die Füsse. Der hebt es auf, stellt es auf seine ausgestreckte Hand und schaut es sehr verwundert an. „Das habe ich auch noch nie erlebt, dass ein Zwerglein vom Himmel purzelt, brummt er staunend. „Und ich habe es noch nie erlebt, dass der Herbst sich auf einem Kirchturm versteckt!, ruft das Zwerglein böse. Der Herbst nicht bekümmert mit dem Kopf. „Ja, ja, in Ordnung ist das nicht, ich weiss es wohl, meinte er. Doch dann fährt er zornig auf und poltert: „Aber die Menschen sind selber schuld daran! Die haben mich vertrieben mit ihrem Gejammer. Traurige Herbststimmung! Kurze Tage! Nebel und Regen! Als ob ich nicht auch Schönes bringen würde: Buntes Laub, das wie Gold in der Sonne leuchtet, reife süsse Früchte, freundliches mildes Wetter zum Wander und Bergsteigen –ach, alle meine Mühe, sie zu erfreuen, war umsonst Betrübt schweigt er und lässt den Kopf hängen. Dem Zwerglein tut der Herbst richtig leid, wie er so traurig dasitzt. Es ist jetzt gar nicht mehr böse. „Schau, du darfst den Menschen das nicht übel nehmen, sagt es freundlich, „die sind eben auch einmal schlecht gelaunt. Dann müssen sie ein bisschen schimpfen und jammern. Aber sie haben dich genauso gern wie den Frühling und den Sommer und den Winter: Und dann erzählte es dem Herbst, wie sehr alle auf ihn warten –die Pflanzen, die Tiere und die Menschen. Und dass alles trocken und welk ist, im Wald und auf den Feldern und in den Gärten, erzählt es ihm auch. Der Herbst erschrickt, als er das hört. Nein, schaden wollte er der Erde und den Menschen nicht! „Komm schnell, Zwerglein, ruft er, „ich muss rasch hinunter! Ein paar Wochen habe ich ja noch Zeit, ehe der Winter seine Herrschaft antritt. Der soll staunen, wie schön ich die Welt machen werde! Erst staunt der Sommer, als er den Herbst dahereilen sieht. Er hat schon gemeint, der würde in diesem Jahr wirklich nicht mehr kommen. „Hat dich das Zwerglein gefunden, Bruder?, lacht er froh. „Ja –das ist ein braver kleiner Wicht, lacht der Herbst zurück. „Wo ist es denn jetzt?, fragt er Sommer. „Hier! ruft das Zwerglein und guckt vergnügt aus der Rocktasche des Herbstes. Und dann springt er heraus und läuft heim in den Wald.